Krank – aber glücklich?
85 Prozent der Senioren in Bayern leiden an Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Trotzdem steigt die Lebenszufriedenheit. Eine Expertin erklärt, warum das kein Widerspruch ist
Augsburg „30 Prozent unserer Kunden sind Senioren“, sagt Dieter Strohhecker. Er ist Geschäftsführer von sieben Fitnessstudios in Südbayern und hat in den vergangenen Jahren einen Paradigmenwechsel beobachtet – und darauf reagiert. Mittlerweile bietet er Kurse wie Wirbelsäulengymnastik für Ältere an, an manchen Standorten gibt es extra Verträge für Rentner. In seiner „Fit + Fun Factory“in Durach bei Kempten hat er kürzlich gezählt: 38 Aktive sind über 80 Jahre alt. Also: Bayerns Senioren sind fit – oder doch nicht?
Noch nie konnten Menschen im Freistaat auf ein so langes Leben hoffen wie heute. Die Lebenserwartung hat sich innerhalb eines Jahrhunderts mehr als verdoppelt und liegt heute in Bayern bei 78,9 Jahren für Männer und 83,5 Jahren für Frauen. Und, so steht es zumindest im erstmals erschienenen Bericht des bayerischen Gesundheitsministeriums zur Seniorengesundheit: Die Lebenszufriedenheit ist dabei in vielen Fällen sehr hoch. Doch obwohl ein Großteil der bayerischen Senioren sich fit fühlt, nehmen mit dem Alter auch die Krankheiten zu.
Im Jahr 2015 wurden bei 85 Prozent der über 65-jährigen Bayern Herz-Kreislauf-Erkrankungen diagnostiziert. Darunter fallen zum Beispiel Herzinfarkte, koronare Herzkrankheiten und Bluthochdruck. Neben Herz-KreislaufErkrankungen, so zeigt der Bericht, sind es vor allem auch MuskelSkelett-Erkrankungen, mit denen Senioren klarkommen müssen. Jeder dritte Bayer über 65 erhält eine solche Diagnose, vor allem Arthrose, Arthritis und Osteoporose. Ebenso hat jeder Dritte eine leichte oder schwere Beeinträchtigung beim Hören, jeder Vierte beim Sehen.
Dennoch sagt über die Hälfte der Generation 65+: Uns geht es gesundheitlich „gut“oder sogar „sehr gut“. Noch dazu sind über 60 Prozent mit ihrem Leben hochzufrieden, teils sogar noch zufriedener als jüngere Menschen. Ist das nicht ein Widerspruch?
In diesem Zusammenhang wird vom „Paradoxon der Lebenszufriedenheit im Alter“gesprochen. Ein Grund, dass diese trotz altersbedingter Einschränkungen steigt, könnte laut Bericht sein, „dass sich mit dem Alter die Bewertungsmaßstäbe für die Zufriedenheit mit sich und dem eigenen Leben än- dern“. Außerdem heißt es aus dem Ministerium: „Nicht alle, bei denen eine Krankheit diagnostiziert wird, sind schwer krank.“
Auch Prof. Eva Grill, Altersexpertin der Ludwig-MaximiliansUniversität in München, erklärt: „Die meisten erfahren zwar mit zunehmendem Alter Einschränkungen, können damit aber umgehen.“Denn sie können trotz allem aktiv im Alltag mitmischen. Da sind das Internet, der öffentliche Nahverkehr, der es Senioren erlaubt, mobil zu bleiben und die hohe Barrierefreiheit. „So lange die Teilhabe funktioniert, ist es einfacher, mit dem Leben zufrieden zu sein“, sagt Grill. Ganz generell hätten sich zudem viele Krankheitsbilder nach hinten verschoben. „Salopp ausgedrückt könnte man sagen: 70 ist das neue 60.“
Und doch: Die hohe Zahl an Herz-Kreislauf-Erkrankungen hat Grill überrascht. Ebenso wie die Tatsache, dass die Zahl der Älteren, die Herzinfarkte oder Schlaganfälle erleiden, in den vergangenen Jahren konstant hoch geblieben ist. 2015 wurden in Bayern bei den über 65-Jährigen 20 000 Herzinfarkte gezählt. Die gute Nachricht: „Die Sterblichkeitsrate bei diesen Krankheitsbildern geht zurück“, sagt Grill. Das liege unter anderem an der verbesserten Notfall- und Nachversorgung.
Trotz allem heißt es in dem Bericht ganz klar: Heute 60-Jährige sind körperlich und geistig deutlich gesünder als Gleichaltrige früherer Generationen. Dass die bayerischen Senioren fit sind, könne man aber nicht pauschal sagen, erklärt Professor Johannes Zacher von der Fachhochschule Kempten. „Man muss unterscheiden zwischen den ,jungen Alten‘ und den ,alten Alten‘“, erklärt er. Die 65- bis 85-Jährigen seien zwar oft gesund, selbstsicher, tatkräftig und finanziell gut aufgestellt, wer über 90 ist habe aber eine 60-prozentige Wahrscheinlichkeit, dass er pflegebedürftig wird.
Was ist nun die Konsequenz aus dem Bericht? „Gesundheit gehört dauerhaft auf die Agenda“, sagt Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) und kündigt entsprechende Programme an. Schon jetzt seien 2,6 Millionen Bayern älter als 65. Tendenz: schnell steigend.
Dass der Chiemgau zu den schönsten Gegenden Bayerns gehört, weiß jeder, der schon mal von der Kampenwand hinuntergeschaut hat auf den See und die Wahnsinnslandschaft drum herum. Und die Menschen dort sind so, wie sie halt sind: gern grantig, aber trotzdem meistens gutmütig. Durchaus schlitzohrig, aber nur selten hinterfotzig. Traditionsbewusst, aber in aller Regel nicht von gestern.
Der CSU-Landtagsabgeordnete Klaus Steiner, 64, aus Übersee am Chiemsee kann als Chiemgauer Urgestein gelten – egal ob an der Basstrommel in der Blaskapelle oder auf seinem Hinterbankerl im Landtag. Er weiß, wie es den Bauern geht, den Wirten, den Metzgern und den Schnapsbrennern. Dass Markus Söder ihn bei der Regierungsbildung nicht zum Beauftragten der Staatsregierung für Obstbrände und Räucherfleisch ernannt hat, gilt in der CSU-Landtagsfraktion als erstes eklatantes Versäumnis des neuen Ministerpräsidenten.
Schließlich plagt der Wegfall des Branntweinmonopols die Schnapsbrenner im ganzen Bayernland und mit dem Steiner Klaus hätte die Fraktion einen ausgewiesenen Experten in den eigenen Reihen gehabt. Im Jahr 2016 hat er zur Klausurtagung nach Wildbad Kreuth sogar einen selbst gebrannten „Herzkammer-Geist“mitgebracht und sein Räucherfleisch ist so aromatisch, dass er es vor seinen Kollegen verstecken muss, wenn er mal ein Rankerl dabei hat im Landtag.
Tagelang wurde in der Fraktion, die sich als „Herzkammer“der CSU sieht, hin- und herdiskutiert, warum der neue Ministerpräsident den Abgeordneten Steiner nicht zum Beauftragten gemacht hat. Auf einen Beauftragten mehr oder weniger wär’s angesichts der Aufstockung ihrer Zahl in der neuen Regierung auch nicht mehr angekommen.
Schließlich fand sich der tiefere Grund: Steiners „HerzkammerGeist“hat nur 43 Prozent. Und das ist Söder im Jahr der Landtagswahl zu wenig.
Altersexpertin sagt: 70 ist das neue 60