Strafzölle könnten eine Kettenreaktion auslösen
Europa-Politiker Markus Ferber warnt, dass nun Billig-Stahl aus China den Markt durcheinander wirbeln könnte
Herr Ferber, Donald Trump hat explizit Deutschland als Negativ-Beispiel im Stahlhandel genannt. Haben Sie damit gerechnet, dass er wirklich Strafzölle verhängt? Markus Ferber: Wir haben im Wahlkampf von Donald Trump schon öfter gehört, dass er sich gegenüber Deutschland Schutzmaßnahmen vorstellen kann. In seiner Rede auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos hat er das Gegenteil gesagt. Deshalb war ich überrascht über seinen plötzlichen Meinungswechsel.
Im Vorfeld bestand die Hoffnung, dass Trump nur pokert und doch noch einlenkt. Besteht diese Hoffnung noch? Ferber: Wir als Europäer müssen zwei Dinge tun. Wir müssen uns bei der Welthandelsorganisation (WTO) gegen diese Zölle wehren und ein Verfahren gegen die USA eröffnen. Und wir müssen bilateral Gespräche führen zwischen Europa und den USA. Das Ziel soll sein, ähnliche Ausnahmen zu bekommen wie Kanada und Mexiko.
Würden Sie sagen, dass wir uns auf einen Handelskrieg zubewegen? Ferber: Natürlich lese ich auch die Tweets von Donald Trump. Und sein Tweet, ein Handelskrieg wäre einfach zu gewinnen, hat mich sehr erschüttert. Denn schon in den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts hat sich gezeigt, wohin Zölle führen können. Nämlich zu einem Mehr an Nationalismus. Und in diesem Fall hat es sogar zu einem Krieg geführt. Deswegen sollte man alles tun, um einen Handelskrieg zu vermeiden. Wie waren im Vorfeld die Gespräche zwischen den USA und Brüssel? Ferber: Wir hatten mit der ObamaAdministration ganz konkrete Gespräche über ein Freihandelsabkommen: TTIP. Die wurden von Trump beendet. Trotzdem haben wir auf der fachlichen Ebene einen guten Draht zu den USA behalten. Umso entsetzter sind wir, dass Trump diese Zölle erhoben hat. Aber das Weiße Haus hat sich über alle Ratschläge hinweggesetzt. Brüssel hat einen Katalog mit Gegenmaßnahmen ausgearbeitet. Wie bewerten Sie den Vorschlag? Ferber: Ich glaube, die EU sollte sich regelkonform verhalten und sich bei den zuständigen Stellen der WTO beschweren. Aber wir müssen davon ausgehen, dass Stahl, der nicht mehr in die USA exportiert werden kann, in Richtung Europa wandert. Etwa aus Indien und aus China. Das wird unseren Stahlmarkt durcheinanderwirbeln. Wir werden nicht umhin- kommen, über eigene Schutzmaßnahmen zu reden. Aber eigentlich sollten wir das vermeiden. Nur dafür brauchen wir jenseits des Atlantiks einen Partner, der zu vernünftigen Gesprächen bereit ist.
Das heißt, die Strafzölle auf Erdnussbutter, Orangensaft, Whiskey und Jeans stehen nicht direkt bevor. Ferber: Die stehen nicht unmittelbar bevor, nein. Aber wenn man mit Vernunft nicht weiterkommt, werden wir über andere Maßnahmen nachdenken.
Also löst Trumps Verhalten eine Kettenreaktion aus? Ferber: Genau das ist das Problem. Wir haben schon die Situation, dass China zu sehr günstigen Preisen über den eigenen Bedarf hinaus Stahl produziert. Bleiben die Strafzölle bestehen, würden sich die Warenströme neu sortieren. Und das würde für uns bedeuten, dass es im Stahlmarkt zu riesigen Veränderungen kommt. Und deshalb würden wir uns schützen müssen.
Welche Auswirkungen hat Trumps Handeln auf die Region? Ferber: Wir haben im Großraum Augsburg das einzige Stahlwerk, das es in Bayern noch gibt. Dieses Stahlwerk ist in den Bereichen Baustahl und Stahl für die Automobilindustrie aufgestellt – beides Bereiche, in denen der Wettbewerb hart ist. Da ist durchaus die Gefahr vorhanden, dass Stahl aus einem anderen Land – insbesondere aus China – dieses Stahlwerk massiv unter Druck setzen kann. Glauben Sie, dass Trumps Beschluss auch andere Branchen trifft? Ferber: Das ist momentan noch nicht abzusehen. Stahl ist ein Werkstoff, der an vielen Stellen Verwendung findet. Das betrifft alle Schlüsselbereiche und den Bausektor. Wenn chinesischer Stahl auf den Markt kommt, ist zunächst einmal davon auszugehen, dass Stahl billiger wird. Dauerhaft bedeutet das, dass Produktionskapazitäten aus Europa verschwinden würden.
Wie lange dauert es, bis die Unternehmen Klarheit haben, ob sie dauerhaft mit Strafzöllen rechnen müssen? Ferber: Die Regierung von George W. Bush hat schon einmal Strafzölle verhängt. Da hat es etwa eineinhalb Jahre gedauert, bis Herr Bush diese Zölle wieder zurückgenommen hat. In dieser Zeit ging mehr Beschäftigung in den USA verloren als bei uns. Das heißt, Trump sollte sich genau überlegen, ob er sich und der amerikanischen Wirtschaft nicht mehr schadet, als er nutzt. Ich gehe davon aus, dass er ein sehr naives Bild hat, wie Handel funktioniert. Wir Europäer sollten aber nicht nach dem Motto Auge um Auge, Zahn um Zahn reagieren. Wir sollten auf den rechtsstaatlichen Systemen bestehen und das heißt, zunächst über die WTO zugehen.
Interview: Christina Heller