Mit Anfang 30 ein Land regieren?
Gute und schlechte Politiker unterscheiden sich nicht in ihrem Alter. Auch nicht darin, welcher Weltanschauung sie sich verbunden fühlen, ob sie großes oder eher überschaubares rhetorisches Talent haben. Oder ob sie sich gut oder schlecht verkaufen können. Gute und schlechte Politiker unterscheiden sich im harten Geschäft des Regierens am Ende in der Frage, wie sie sich in Krisen verhalten. Welche Entscheidungen sie treffen, wenn es hart auf hart kommt. Mancher Regierungschef hat das Glück, nie in dramatische Krisensituationen zu geraten, andere versagen darin. Manche tun das Richtige und werden zu Persönlichkeiten der Geschichte.
In einer Krise das Richtige zu tun, mag vielleicht manchmal das Ergebnis von Erfahrung sein oder das Befolgen guter Ratschläge kluger Berater. Entscheidend ist dabei aber etwas ganz anderes. In der Bewährungsprobe großer Krisen und schneller Entscheidungen kommt es am Ende auf das Gerüst der persönlichen Werte eines Politikers als Mensch an.
Nach klaren Werten zu handeln, war aber noch nie eine Frage des Alters. Manch erfahrener alter Stratege verstrickt sich zaudernd in Fragen der richtigen oder falschen Taktik und scheitert am Ende grandios an der modernen Wirklichkeit. Aber auch manch junges Supertalent verglüht am Ende schnell, weil es schon die erste Krisensituation als Opportunisten und Blender entlarvt.
Der Schriftsteller Georg Büchner war mit 31 schon acht Jahre lang tot. Dennoch galt er nicht nur seinerzeit als bedeutender politischer Kopf. Jeff Bezos gründete mit 30 Amazon, die Google-Gründer Larry Page und Sergey Bin waren fünf Jahre jünger. Warum soll die Generation Facebook nicht Politik machen? Wer dabei scheitert, reiht sich in die Gesellschaft genug älterer Kollegen ein.
Alter an sich ist noch keine Qualität, klar. Erfahrung wohl schon eher. Wenn die jedenfalls fehlt, nun ja…
Erinnern Sie sich noch an den fulminanten Start eines gewissen Philipp Rösler? Oder an einen Kometen namens KarlTheodor zu Guttenberg? Zu schnell rauf, hart und schnell wieder runter. Man kann die Einzelfälle nicht verallgemeinern und freilich auch kein gesetzliches Mindestalter für Regierungschefs festlegen – aber: Es gibt da doch ein prinzipielles Problem. Und nur darum kann es hier ja gehen. Da mag man sich noch so sehr frischen Wind in der Politik wünschen oder dass in Sachen Generationengerechtigkeit bei stetig alternder Gesellschaft gerade die Jüngeren mächtige Vertreter brauchen: Es hat doch einen Grund, weshalb bei Urvölkern und in der alles Politische begründenden Antike der Rat der Älteren entschied.
Wer zu jung schon zu mächtig ist, droht noch viel eher das rechte Maß zu verlieren. Das gilt im politischen Handeln, aber auch in Fragen des Selbstwertgefühls. Und eben dieses wird in Zeiten der multimedialen Promi-Hysterie ja auch im Politischen extrem angefüttert. Klassisch war also bereits die Macht möglichst vom Ungestüm der Jugend hin zur Besonnenheit des Älteren verlegt – aktuell kommt verschärfend noch die größere Gefahr der Verblendung durch den Starrummel hinzu. Und man wünscht sich an der Spitze von Staaten doch möglichst Menschen, die sortieren können, dass es Wesentlicheres gibt als die eigene Wirkung.
Weisheit kommt zwar nicht automatisch mit dem Alter, wächst aber wenn dann durch Erfahrung. Und gerade wenn aktuelle Probleme gerne in apokalyptischen Ausmaßen gezeichnet werden, sollte helfen, wenn Regierende auch schon frühere Krisen er- und überlebt haben.