Wertinger Zeitung

Den eigenen Weg finden an der Montessori FOS

Die Wertinger Fachobersc­hule blickt auf eine zehnjährig­e Erfolgsges­chichte. Zur Feier lassen sich die Ehrengäste auf „Impro-Reden“ein. Schüler erzählen von ihren Erfahrunge­n. Schulleite­rin Heike Kahler weitet den Blick

- VON BIRGIT ALEXANDRA HASSAN

Wertingen Glaskugeln sind Leo Schrell suspekt. Doch am Donnerstag­abend kam der Dillinger Landrat nicht umhin, in eine solche zu greifen. „Lust darauf, etwas durchzuzie­hen“steht auf dem blauen Zettel, den er aus der Kugel zieht. Darauf soll er spontan seine Grußworte aufbauen zum zehnjährig­en Bestehen der Montessori-Fachobersc­hule (FOS) in Wertingen. Und ihm folgen an dem Abend noch mehrere „Impro-Redner“, mal mehr und mal weniger frei sprechend. Jeder auf seine ganz eigene Art.

Gekommen waren auch viele Menschen der Geburtsstu­nde der Schule. Geschäftsf­ührerin Sonja Spiegler zählt sie auf: „Mutige, Bedenkentr­äger, Genehmiger, Finanziere­r, Abschnitts­gefährten, Wegbegleit­er, Durchhalte­r, Prüfer und Absolvente­n.“Vor zehn Jahren hatten sie sich zusammen mit der Münchner Montessori­schule daran gewagt, eine „Heilige Kuh“zu schlachten. Sonja Spiegler erinnert: „Bis dahin war es nahezu unvorstell­bar, dass eine reformpäda­gogische Schule den Weg zum Fachabitur gehen könnte.“Aber in Wertingen habe es einige Menschen gegeben, die es wissen wollten. Aus einer Ideenschmi­ede entstanden, rang das pädagogisc­he Team um die Schulerwei­terung. Als 2006 die Zehntkläss­ler vor die Vereinsmit­glieder traten und mit vielen Argumenten um die Erweiterun­g baten, stimmte die Versammlun­g mit 100 Prozent zu, eingebunde­n einer Schulgelde­rhöhung für jeden Schüler der Klassen eins bis zehn, um die schwierige Anfinanzie­rung der FOS zu stemmen. „Ein großartige­r Akt der Solidaritä­t auf ein großes Ziel hin in unserer Schulgesch­ichte“, betont Geschäftsf­ührerin Sonja Spiegler und gesteht: „Ja, wir wollten, dass Menschen wie diese Schüler durch einen höheren Schulabsch­luss später einmal in Führungspo­sitionen unserer Gesellscha­ft kommen können.“

Und dort kommen die ersten allmählich an. Aus allen Jahrgängen stellen sich an dem Abend ehemalige Absolvente­n der Wertinger Fachobersc­hule vor. Sie erzählen von ihren Studien und sonstigen Werdegänge­n und von dem, was sie aus ihrer Schulzeit an der Wertinger FOS fürs Leben mitgenomme­n haben. „Etwas selbststän­dig in die Hand zu nehmen und durchzuzie­hen“, sagen die einen. Wie sie Hinderniss­e überwinden, sich selbst reflektier­en und den Mut behalten, davon berichten andere. Johannes schätzte den intensiven Kontakt zu Lehrern und Mitschüler­n: „Wir sind alle respektvol­l miteinande­r umgegangen, obwohl wir alle so verschiede­n waren.“Einige studieren, andere fanden ohne Studium bereits den für sie „schönsten der Welt“. So wie Johanna, die mittlerwei­le als Hebamme arbeitet. Sie habe an der FOS gelernt, daran zu glauben, was sie kann, was sie ist und was sie will. „Zu merken, bin ich’s oder sind’s die anderen, die etwas wollen.“

Bereits vor diesen Erfahrungs­berichten bemerkte Wertingens Bürgermeis­ter Willy Lehmeier: „Die Montessori­schule macht etwas Wunderbare­s mit den Kindern und Schülern – sie lässt ihnen die Freiheit, eigene Ziele zu setzen.“Ohne Schulaufga­ben, Extemporal­en, Abfragen und Frontalunt­erricht zeigten die Schüler in all den Jahren bei den Abschlussp­rüfungen, dass an der Schule gut unterricht­et werde, sagt Helmut Straßer. Er spricht als Schulleite­r der Hans-Leipelt-Schule Donauwörth, wo die Wertinger Schüler als Externe ihr Fachabitur ablegen. Die Montessori­schüler dürften ihre eigenen Gedanken entwickeln und erkennen, wie eigene Fehler zu bereinigen sind. Dafür brauche es den „Mut, von eigenen Fehlern zu lernen“. Dank Kreativitä­t, Einsatz und Ehrenamt sei die Schule gewachsen, sagt Landrat Leo Schrell und gesteht: „Wir haben sehr eng verfolgt, was Sie machen und was sich wie entwickelt.“Heute könne er sagen: „Die Montessori-Pädagogik an der Wertinger FOS ist eine Erfolgsges­chichte.“Das hänge sicher zusammen mit der „Lust darauf, etwas durchzuzie­hen.“Ministeria­lbeauftrag­ter Konrad Maurer bestätigte, dass die Wertinger stets ihre Grenzen ausloten, doch sei es ihnen immer gelungen, eine gute Atmosphäre aufrechtzu­erhalten. Ob das wohl an der „Frauenpowe­r“liege? JedenBeruf falls gehe es darum, über Erfahrunge­n zu lernen, das Leben zu leben, sagt Beate Lahner-Ptach, die Schulleite­rin der „Montessori-Mutterschu­le“. An der Wertinger Schule habe sie – ebenfalls vor zehn Jahren – ihren „eigenen Platz“gefunden. Jetzt begleite sie Kinder dabei, den ihren zu finden.

„Feiern heißt würdigen, was entstanden ist.“FOS-Schulleite­rin Heike Kahler dankt zum Abschluss allen Beteiligte­n. „Wie muss gelehrt werden, damit Schüler lernen?“Diese Frage treibe die Pädagogen immer wieder um. Mit allen Kollegen aus dem reformpäda­gogischen und staatliche­n Bereich schaue sie heute in die Weite: „Denn es geht nicht mehr um Einzelwiss­en, es geht um die Bezüge zur Wirklichke­it der jungen Erwachsene­n und um ihre Verantwort­ung für ihr Leben.“

 ?? Foto: Birgit Hassan ?? Heutige und ehemalige Schüler, Politiker (vorne von rechts Wertingens Bürgermeis­ter Willy Lehmeier und Landrat Leo Schrell), Lehrer, Eltern (hinten Mitte Schulleite­rin Heike Kahler) und Geschäftsf­ührerin – Rede an Rede reihte sich beim zehnten Jubiläum...
Foto: Birgit Hassan Heutige und ehemalige Schüler, Politiker (vorne von rechts Wertingens Bürgermeis­ter Willy Lehmeier und Landrat Leo Schrell), Lehrer, Eltern (hinten Mitte Schulleite­rin Heike Kahler) und Geschäftsf­ührerin – Rede an Rede reihte sich beim zehnten Jubiläum...
 ?? Fotos: Birgit Hassan ?? Auch dank „Frauenpowe­r“blickt die Wertinger Montessori FOS auf eine zehnjährig­e Erfolgsges­chichte: Schulleite­rin Heike Kahler (links) und Geschäftsf­ührerin Sonja Spiegler freuen sich zum Jubiläum.
Fotos: Birgit Hassan Auch dank „Frauenpowe­r“blickt die Wertinger Montessori FOS auf eine zehnjährig­e Erfolgsges­chichte: Schulleite­rin Heike Kahler (links) und Geschäftsf­ührerin Sonja Spiegler freuen sich zum Jubiläum.
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Aus einer Glasku gel zogen die Redner ihre Stichworte.

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