Den eigenen Weg finden an der Montessori FOS
Die Wertinger Fachoberschule blickt auf eine zehnjährige Erfolgsgeschichte. Zur Feier lassen sich die Ehrengäste auf „Impro-Reden“ein. Schüler erzählen von ihren Erfahrungen. Schulleiterin Heike Kahler weitet den Blick
Wertingen Glaskugeln sind Leo Schrell suspekt. Doch am Donnerstagabend kam der Dillinger Landrat nicht umhin, in eine solche zu greifen. „Lust darauf, etwas durchzuziehen“steht auf dem blauen Zettel, den er aus der Kugel zieht. Darauf soll er spontan seine Grußworte aufbauen zum zehnjährigen Bestehen der Montessori-Fachoberschule (FOS) in Wertingen. Und ihm folgen an dem Abend noch mehrere „Impro-Redner“, mal mehr und mal weniger frei sprechend. Jeder auf seine ganz eigene Art.
Gekommen waren auch viele Menschen der Geburtsstunde der Schule. Geschäftsführerin Sonja Spiegler zählt sie auf: „Mutige, Bedenkenträger, Genehmiger, Finanzierer, Abschnittsgefährten, Wegbegleiter, Durchhalter, Prüfer und Absolventen.“Vor zehn Jahren hatten sie sich zusammen mit der Münchner Montessorischule daran gewagt, eine „Heilige Kuh“zu schlachten. Sonja Spiegler erinnert: „Bis dahin war es nahezu unvorstellbar, dass eine reformpädagogische Schule den Weg zum Fachabitur gehen könnte.“Aber in Wertingen habe es einige Menschen gegeben, die es wissen wollten. Aus einer Ideenschmiede entstanden, rang das pädagogische Team um die Schulerweiterung. Als 2006 die Zehntklässler vor die Vereinsmitglieder traten und mit vielen Argumenten um die Erweiterung baten, stimmte die Versammlung mit 100 Prozent zu, eingebunden einer Schulgelderhöhung für jeden Schüler der Klassen eins bis zehn, um die schwierige Anfinanzierung der FOS zu stemmen. „Ein großartiger Akt der Solidarität auf ein großes Ziel hin in unserer Schulgeschichte“, betont Geschäftsführerin Sonja Spiegler und gesteht: „Ja, wir wollten, dass Menschen wie diese Schüler durch einen höheren Schulabschluss später einmal in Führungspositionen unserer Gesellschaft kommen können.“
Und dort kommen die ersten allmählich an. Aus allen Jahrgängen stellen sich an dem Abend ehemalige Absolventen der Wertinger Fachoberschule vor. Sie erzählen von ihren Studien und sonstigen Werdegängen und von dem, was sie aus ihrer Schulzeit an der Wertinger FOS fürs Leben mitgenommen haben. „Etwas selbstständig in die Hand zu nehmen und durchzuziehen“, sagen die einen. Wie sie Hindernisse überwinden, sich selbst reflektieren und den Mut behalten, davon berichten andere. Johannes schätzte den intensiven Kontakt zu Lehrern und Mitschülern: „Wir sind alle respektvoll miteinander umgegangen, obwohl wir alle so verschieden waren.“Einige studieren, andere fanden ohne Studium bereits den für sie „schönsten der Welt“. So wie Johanna, die mittlerweile als Hebamme arbeitet. Sie habe an der FOS gelernt, daran zu glauben, was sie kann, was sie ist und was sie will. „Zu merken, bin ich’s oder sind’s die anderen, die etwas wollen.“
Bereits vor diesen Erfahrungsberichten bemerkte Wertingens Bürgermeister Willy Lehmeier: „Die Montessorischule macht etwas Wunderbares mit den Kindern und Schülern – sie lässt ihnen die Freiheit, eigene Ziele zu setzen.“Ohne Schulaufgaben, Extemporalen, Abfragen und Frontalunterricht zeigten die Schüler in all den Jahren bei den Abschlussprüfungen, dass an der Schule gut unterrichtet werde, sagt Helmut Straßer. Er spricht als Schulleiter der Hans-Leipelt-Schule Donauwörth, wo die Wertinger Schüler als Externe ihr Fachabitur ablegen. Die Montessorischüler dürften ihre eigenen Gedanken entwickeln und erkennen, wie eigene Fehler zu bereinigen sind. Dafür brauche es den „Mut, von eigenen Fehlern zu lernen“. Dank Kreativität, Einsatz und Ehrenamt sei die Schule gewachsen, sagt Landrat Leo Schrell und gesteht: „Wir haben sehr eng verfolgt, was Sie machen und was sich wie entwickelt.“Heute könne er sagen: „Die Montessori-Pädagogik an der Wertinger FOS ist eine Erfolgsgeschichte.“Das hänge sicher zusammen mit der „Lust darauf, etwas durchzuziehen.“Ministerialbeauftragter Konrad Maurer bestätigte, dass die Wertinger stets ihre Grenzen ausloten, doch sei es ihnen immer gelungen, eine gute Atmosphäre aufrechtzuerhalten. Ob das wohl an der „Frauenpower“liege? JedenBeruf falls gehe es darum, über Erfahrungen zu lernen, das Leben zu leben, sagt Beate Lahner-Ptach, die Schulleiterin der „Montessori-Mutterschule“. An der Wertinger Schule habe sie – ebenfalls vor zehn Jahren – ihren „eigenen Platz“gefunden. Jetzt begleite sie Kinder dabei, den ihren zu finden.
„Feiern heißt würdigen, was entstanden ist.“FOS-Schulleiterin Heike Kahler dankt zum Abschluss allen Beteiligten. „Wie muss gelehrt werden, damit Schüler lernen?“Diese Frage treibe die Pädagogen immer wieder um. Mit allen Kollegen aus dem reformpädagogischen und staatlichen Bereich schaue sie heute in die Weite: „Denn es geht nicht mehr um Einzelwissen, es geht um die Bezüge zur Wirklichkeit der jungen Erwachsenen und um ihre Verantwortung für ihr Leben.“