Der nächste Gasversorger kippt um
Die EnBW-Tochter VNG gerät wegen der Gaskrise in Schieflage und stellt Antrag auf Staatshilfe – 400 Stadtwerke und Unternehmen betroffen
LEIPZIG/KARLSRUHE (dpa) - Der Bund plant eine Rettungsaktion für den angeschlagenen Versorger VNG, über den Millionen Menschen in Deutschland ihr Gas beziehen. „VNG hat heute ja offiziell gesagt, dass sie staatliche Unterstützung brauchen, und die werden wir auch hinbekommen“, sagte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) am Freitag in Brüssel. „Wir sind auf einem sehr, sehr guten Weg und das wird zeitnah geklärt werden.“
Hintergrund sind ausbleibende russische Gaslieferungen, die nun teuer aus anderen Quellen ersetzt werden müssen. Deshalb war bereits der Marktführer Uniper in Not geraten, auch hier hat der Bund geholfen. VNG ist ebenfalls ein Schwergewicht im Energiemarkt: Das Leipziger Unternehmen beliefert nach eigenen Angaben insgesamt 400 Stadtwerke und Industriekunden und deckt ein Fünftel des Gasbedarfs in Deutschland. Ein Unternehmenssprecher schätzte, dass so zwölf bis 15 Millionen Menschen mit Gas versorgt werden.
VNG gehört zu gut 74 Prozent der EnBW in Karlsruhe, knapp 22 Prozent halten ostdeutsche Stadtwerke über die Beteiligungsgesellschaft VUB. Diese drang auf einen Einstieg des Bundes. „VNG ist systemrelevant für die Versorgungssicherheit in Deutschland und wichtiger Wirtschaftsfaktor im Osten“, erklärte die VUB.
VNG hat bereits Zahlungen aus der umstrittenen Gasumlage beantragt, die ab 1. Oktober erhoben werden soll. Dies reicht jedoch nach Darstellung des Unternehmens nicht aus. Es gehe darum, „eine Fortführung der Geschäftstätigkeit zu ermöglichen“.
Die Hintergründe erklärte VNG so: „Von russischen Lieferausfällen betroffene Gasmengen mit teilweise fest vereinbarten Preisen müssen nun zu kriegsbedingt massiv höheren Preisen beschafft werden.“Diese Ersatzmengen würden benötigt, um Kunden weiter verlässlich und zu vertraglich vereinbarten Konditionen zu beliefern.
Zwei Verträge seien von russischen Lieferausfällen betroffen. Dies sei zum einen ein Direktvertrag über etwa 35 Terawattstunden – das sind 35 Milliarden Kilowattstunden – pro Jahr von Gazprom Export. Dieser werde aktuell und absehbar nicht mehr bedient. Allein daraus entstehe trotz Gasumlage etwa eine Milliarde Euro Verlust für das Jahr 2022. Dies „würde VNG als direkter Importeur aus eigener Kraft und gemeinsam mit weiteren Stabilisierungsmaßnahmen ihrer Anteilseigner tragen können“.
Knackpunkt ist nach Darstellung des Unternehmens ein weiterer Vertrag über 65 Terawattstunden im Jahr mit einem inländischen Vorlieferanten, der diese Gasmengen importieren wollte. Dieser Vertrag werde seit Mitte Mai nicht mehr durchgängig bedient. „Die Kosten der Ersatzbeschaffung hat VNG im August bei historisch hohen Gaspreisen anders als zuvor erwartet zu erheblichen Teilen tragen müssen“, erklärte das Unternehmen. „Die daraus absehbare finanzielle Belastung wäre für VNG nicht tragbar.“
Russland hat die Gaslieferungen nach Deutschland quasi eingestellt und damit für drastisch gestiegene Gaspreise gesorgt. Dies war ein Grund für die von Wirtschaftsminister Robert Habeck geplante Gasumlage, die ab Oktober gelten und dann mit 2,4 Cent je Kilowattstunde allen Gasverbrauchern in Rechnung gestellt werden soll. Als VNG Hilfen aus der Umlage beantragte, wurde kritisiert, dass der Mehrheitseigner EnBW gleichzeitig hohe Gewinne einstreiche und dem Tochterunternehmen helfen solle.
VNG hielt dagegen, EnBW sei zwar Mehrheitsaktionär, aber 25 Prozent der VNG-Anteile seien im kommunalen Besitz. Im Falle von Hilfen der Konzernmutter müssten auch die beteiligten Kommunen – die meisten davon in Ostdeutschland – mitziehen und „eine Menge Geld in die Hand nehmen“. Anderenfalls würden die ostdeutschen Unternehmensanteile schwinden.