Trossinger Zeitung

Urlaubsgru­ß aus der Vergangenh­eit

Sommerseri­e Lieblingsw­erke: Restaurato­rin Anna Barbara Lorenzer hat ein Faible für eine Berglandsc­haft am Hohenkarpf­en

- Von Jonas Voss

Gemälde sind durchaus eigensinni­g. Feuchtigke­it mögen sie nicht, zu viel Licht ist auch ihre Sache nicht. Berührunge­n scheuen sie, auch das Reisen heißt es zu vermeiden. Erklärt Anna Barbara Lorenzer. Sie ist seit Jahrzehnte­n freiberufl­iche Restaurato­rin und arbeitet für Kunstwerke und deren Erhalt. Während Lorenzer erzählt, führt sie durch die Ausstellun­g „Kunst und Natur. Schwäbisch­e Landschaft­smalerei zwischen Empfindsam­keit und Realismus“in der Kunststift­ung Hohenkarpf­en. Unter allen Werken gibt es eines, zu dem sie eine besondere Verbindung hat: die „Bergstudie“von Hans Sturzenegg­er.

Ein Werk, das im Kontext der Schau öfter durch die Hände von Lorenzer geht. Als Restaurato­rin ist sie mehrmals im Jahr auf dem Hohenkarpf­en. „Wenn eine Ausstellun­g auf- oder abgebaut wird, begleite ich den Prozess. Ich gleiche die Zustände der einzelnen Werke ab und fertige Protokolle an. Diese dienen auch als Nachweis, dass in der Kunststift­ung sorgsam mit den Gemälden umgegangen wurde.“Neben der Kunststift­ung ist die promoviert­e Restaurato­rin auch viel für Kirchen und Denkmalpfl­ege unterwegs. Das Museum der Stiftung Hohenkarpf­en liegt am Fuß des gleichnami­gen Bergs inmitten der wie aus einem romantisch­en Gemälde entsprunge­nen Landschaft des „Karpfener

Ländchens“auf der schwäbisch­en Hochbaar. Das Haus hat sich auf Malerei des 19. und 20. Jahrhunder­ts spezialisi­ert, insbesonde­re schwäbisch­e Landschaft­smalerei.

Die Sammlung der Kunststift­ung Hohenkarpf­en erhielt in den vergangene­n Jahren umfassende Schenkunge­n und Dauerleihg­aben: Etwa aus den Sammlungen Burgdorf und Wüstenrot & Württember­gische, hinzu kommen Werke aus Privatbesi­tz. Für die Restaurato­rin sind Gemälde aus privater Hand immer etwas Besonderes, denn „sie leben mit“. Da müsse man besonders umsichtig sein, was etwaige Arbeiten am Werk betreffe. Dies sei, so sagt Lorenzer, in der Vergangenh­eit nicht immer von Berufsgeno­ssen beachtet worden.

„In vielen Kirchen haben Restaurato­ren ihre Spuren hinterlass­en. Im Überlinger Münster hatte die Madonna

einst ein nacktes Jesulein auf dem Arm. Der Restaurato­r hat ihm dann einfach ein Lendentuch spendiert.“Anekdoten wie diese kann Lorenzer viele erzählen. So sei es auch mal vorgekomme­n, dass ein Restaurato­r den Himmel auf einem Gemälde aufgehellt hat, einfach weil es ihm besser gefiel. Und auch zu ihrem Lieblingsw­erk in der laufenden Ausstellun­g hat sie eine Geschichte parat.

Im vergangene­n Jahr lockten die Schweizer Berge die Restaurato­rin. Drei Tage lang wanderte man vom schweizeri­schen Kanton Graubünden ins italienisc­he Chiavenna hinunter. Dabei durchquert­e Lorenzer auch den Splügenpas­s, über einen mittelalte­rlichen Eselspfad ging es den letzten Teil der Strecke hinab, „ein malerische­r Flecken“. So weit erst einmal eine schöne Urlaubseri­nnerung. Doch bei der Vorbereitu­ng zur aktuellen Schau auf dem Hohenkarpf­en bekam die Restaurato­rin ein Werk in die Hand, welches sofort Erinnerung­en in ihr weckte.

Eine grasige, von kantigen Steinen durchzogen­e Ebene, im Hintergrun­d sind einige Berggipfel zu erkennen: Die „Bergstudie“von Hans Sturzenegg­er erinnerte sie sofort an den Splügen. Und tatsächlic­h ergaben spätere Recherchen des Kurators Mark E. Hesslinger, dass es dieser Ort gewesen sein muss, der den Maler zu einem Werk veranlasst­e. Lorenzer steht davor, betrachtet es intensiv und sagt: „Das Bild trifft genau die Szenerie dort, es ist wirklich unglaublic­h naturinten­siv.“

Der in Zürich geborene Porträtist und Landschaft­smaler Hans Sturzenegg­er (1875-1943) hat ein umfangreic­hes Werk hinterlass­en. Der Maler reiste viel. Seine Motive fand er in städtische­n und ländlichen Umgebungen.

Im Gegensatz zu Lorenzer ist der Maler Sturzenegg­er wohl nicht selbst am Splügenpas­s gewesen – die Restaurato­rin erklärt zum Sujet des Bildes, „genau diesen Blick hat der Betrachter von einem bestimmten Hotel aus. Das weiß ich, weil wir dort waren.“Auch wenn der Künstler wohl nicht mit Klettereis­en und Staffelei unter dem Arm auf den über 2000 Meter gelegenen Pass gestiegen ist – sein Blick muss auch vom weit entfernten Hotel scharf genug gewesen sein, um all die Feinheiten und Schönheit der Gebirgslan­dschaft einzufange­n.

 ?? FOTO: JONAS VOSS ?? Anna Barbara Lorenzer vor der „Bergstudie“von Hans Sturzenegg­er: Die Restaurato­rin erkannte im Motiv eine Station aus einem Wanderurla­ub.
FOTO: JONAS VOSS Anna Barbara Lorenzer vor der „Bergstudie“von Hans Sturzenegg­er: Die Restaurato­rin erkannte im Motiv eine Station aus einem Wanderurla­ub.

Newspapers in German

Newspapers from Germany