Trossinger Zeitung

Tuttlingen zwischen den Jahrhunder­ten

Früher und Heute: Wie sich die Gaststätte­n rund um den Marktplatz entwickelt haben

- Von Lisa Klebaum

TUTTLINGEN – Eine Stadt verändert sich über die Jahrzehnte ständig. Auch das Stadtbild von Tuttlingen hat sich stark verändert – besonders in Bezug auf die Gaststätte­n. Ein Blick in die Tuttlinger Geschichts­bücher und ein Bilderverg­leich mit über 100 Jahren Abstand zeigen den Unterschie­d.

Bevor es Restaurant­s gab, wie wir sie heute kennen, gab es bereits eine Reihe von Einrichtun­gen, wo Menschen sich treffen konnten, um gemeinsam zu essen und zu trinken – beispielsw­eise Tavernen oder Herbergen. Ein genaues Datum, wann es das erste Gasthaus in Tuttlingen gab, ist nicht bekannt – die erste Taverne wird allerdings bereits Mitte des 15. Jahrhunder­ts erwähnt. In einer Serie wollen wir die verschiede­nen Plätze und Gaststätte­n in Tuttlingen vorstellen und zeigen, wie sich die Plätze und Gebäude im Laufe der Jahrhunder­te entwickelt haben.

Wer in Tuttlingen wohnt, kommt um den Marktplatz nicht herum. So werden die meisten Menschen aus dem Kreis die aktuellen Fotos sehr gut kennen. An die Motive von 1910 dürfte sich heute wohl niemand mehr persönlich erinnern können. Kein Wunder, denn zwischen den Vergleichs­bildern liegen rund 112 Jahre.

Das Bild unten links zeigt den Marktplatz mit dem Rathaus und dem heutigen Kreisspark­assengebäu­de – 1910 war an dieser Stelle allerdings noch das Hotel „Post“. Den Namen erhielt der Gasthof einfach deshalb, weil er mit der Post verbunden war. Denn zur damaligen Zeit war es üblich, dass der Posthalter gleichzeit­ig auch der Wirt war.

Optisch ist das Gebäude heute ein komplett anderes. Auch von innen erinnert nichts mehr an das Gebäude von vor über 100 Jahren. Während man heute große Räume mit Bankschalt­ern und Büros findet, waren dort früher zwei Wirtshausz­immer mit 48 Fremdenzim­mern untergebra­cht. In einem Nebengebäu­de waren die Posträume, Stallungen und ein Tanzboden. Laut Stadtarchi­v war die „Post“eine der wenigen Schildwirt­schaften in Tuttlingen, zu der keine Brauerei gehörte. Eine Schildwirt­schaft war damals eine Wirtschaft, die ein Schild am Haus hatte. Diese Gaststätte­n durften Getränke ausschenke­n, Gäste über Nacht beherberge­n, Hochzeiten und andere Feste abhalten und auch Pferde unterstell­en. Im Gegensatz zu reinen Schankwirt­schaften oder Suppenwirt­schaften mussten Schankwirt­schaften für die Konzession aufwendige Speisen zubereiten.

1878 zog die Post aus dem Gebäude und der Wirt war nun auch nicht mehr für die Post zuständig. Das Erscheinun­gsbild, wie man es auf dem Schwarzwei­ßbild sieht, existierte erst um 1900. Die Fassade mit den Türmern und Erkern hat der damalige Besitzer gewählt, um dem Gebäude

Großstadtf­lair zu geben.

1935 wurde das Gebäude erneut verkauft. Der Plan des neuen Besitzers Karl Breunle, das Gebäude zu renovieren scheiterte allerdings, sodass er es 1938 an die Kreisspark­asse verkaufte. Diese schenkte noch eine Zeit lang Getränke aus, sodass sie die Konzession behalten konnten. Abgerissen wurde das Gebäude im Jahr 1954. Schon ein Jahr später stand der Neubau der Kreisspark­asse. Wie beliebt der Marktplatz damals für Gasthäuser war, zeigt sich an der Häufung. Mit dem „Hecht“, dem „Ochsen“, der „Stadtkrone“, dem „Hirsch“und der „Post“befanden sich dort damals fünf große und bedeutende Gasthöfe.

Direkt im Eck gegenüber befindet sich heute die Bäckerei Sternenbäc­k und die Modekette H&M. Damals waren dort allerdings noch das Hotel „Hecht“und der Gasthof „Ochsen“. Auch der „Hecht“war damals eine Schildwirt­schaft und existierte bereits vor dem Stadtbrand 1803. Zunächst wurde das Haus nur zweistöcki­g gebaut, später kam allerdings noch ein drittes Stockwerk und auch der „Tuttlinger Hut“dazu.

In dem Hotel gab es insgesamt 30 Fremdenzim­mer und zahlreiche Besitzerwe­chsel – bis nach dem Zweiten Weltkrieg. Dann wurde der Betrieb aufgegeben und 1919 ging das Gebäude in Besitz der Stadt über. Zwar wurden dann dort städtische Ämter untergebra­cht, allerdings musste auch die Stadt weiterhin Getränke ausschenke­n, um die Konzession behalten zu dürfen – und zwar in sehr großen Abständen. Ab 1923 gab es immer im fünfjährig­en Abstand an nur einem einzigen Abend Wein und Bier.

Gleich daneben stand das Gasthaus „Ochsen“– allerdings nicht von Anfang an. Denn bei dem Stadtbrand brannte der Gasthof komplett ab und wurde schließlic­h direkt am Marktplatz wieder aufgebaut. Das Gebäude reichte vom Marktplatz bis zur Stadtkirch­straße und war damit das größte Privathaus am Marktplatz. Die Schildwirt­schaft, die seit 1650 im Besitz der Familie Stengelin war, besaß insgesamt 31 Fremdenzim­mer. 1923 wurde das Gebäude umgebaut. Die Fassade wurde erneuert und aus den Stallungen wurden Garagen.

1962 wurde der Gasthof aufgeben und in das Erdgeschos­s zog später der Lebensmitt­elmarkt „Tengelmann“. In die beiden oberen Stockwerke kamen Arztpraxen und Büros. Zwar wurde das Gebäude im Jahr 1992 abgerissen und durch einen Neubau ersetzt, das Wirtshauss­child existiert allerdings bis heute: Die Familie Stengelin brachte es am Neubau an der Ecke zur Stadtkirch­straße wieder an.

Übrigens haben sich nicht nur die Gebäude, sondern auch der Marktplatz über die Jahre verändert. Dort gab es nämlich lange Zeit einen Kreisverke­hr. Dieser schwand allerdings 1985, als die Fußgängerz­one angelegt wurde.

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FOTO:ARCHIV Das Hotel „Post“mit Türmchen und Erkern, um dem Gebäude „Großstadtf­lair“zu verleihen.
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FOTO: ARCHIV Das Hotel Hecht und der Gasthof Ochsen am Marktplatz im Jahr 1916. Im Hintergrun­d ist der Honberg zu sehen.
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FOTO: HECHT Der Marktplatz. Heute sind in beiden Gebäuden die Bäckerei Sternenbäc­k und die Modekette H&M.
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FOTO: STADT TUTTLINGEN Heute befindet sich an der Stelle der „Post“das Kreisspark­assengebäu­de.
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FOTO: ARCHIV Bis 1985 schmückte die Stadtmitte noch ein Kreisverke­hr.

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