Im Coronamanagement gibt es keine Routine
Verena Kriegisch und Wolfgang Hauser leiten im Landratsamt die Hotline – Kooperation der Kompetenzen
TUTTLINGEN/SPAICHINGEN/ TROSSINGEN - Corona fordert momentan das im Landratsamt, was man landläufig nicht gerade mit der deutschen Bürokratie in Verbindung bringen würde: ein Höchstmaß an Flexibilität und Kreativität. Wie funktioniert das Management? In diesem Teil unseres zweiteiligen Berichts über das Corona-Management im Kreis Tuttlingen geht es um die Corona-Hotline, die am 2. März im Landratsamt eingerichtet wurde. Verantwortlich dafür sind Kreisjugendreferentin Verena Kriegisch und der Leiter der Stabsstelle Sozialplanung, Wolfgang Hauser.
Der Umgang mit der Pandemie und den damit verbundenen Verordnungen hat viele Menschen sehr verunsichert, weil auch die Wissenschaft keine gesicherten Daten hatte beziehungsweise auf die aus China angewiesen war, und weil auf einmal eine ungeheure Menge an sich ständig weiterentwickelnden Informationen verarbeitet werden musste, die das gewohnte Leben auf den Kopf gestellt hat. Bis zu 280 Anrufe gingen täglich bei der Corona-Hotline des Kreises ein, in der Spitze waren 25 Personen in zwei Schichten täglich von acht bis 16 Uhr als Ansprechpartner bereit. Trotzdem kamen viele verunsicherte Bürger nicht „durch“. Rund 5000 Anrufe insgesamt wurden entgegen genommen. In den vergangenen Tagen hat das aber stark abgenommen, berichten Kriegisch und Hauser im Gespräch mit dieser Zeitung.
Ziel des Teams war, über Verordnungen und Abläufe und ähnliches zu informieren, Ziel war es aber auch, dem Gesundheitsamt den Rücken frei zu halten.
Zu Beginn waren es vor allem Reiserückkehrer, die sich meldeten. Die zweite große Gruppe waren die Menschen, die sich testen lassen wollten. Hier wurde der Fragenkatalog des Robert Koch Instituts abgefragt – zu einer Zeit, in der die Labore noch an der Belastungsgrenze waren. Weil das Hotlineteam aber keine Mediziner hatte, wurden die Informationen an Amtsärzte und später ein Konsiliarteam aus zwölf pensionierten Ärzten weiter gegeben, die in der Krise helfen wollten.
Dr. Hartmann von Witzleben organisierte das. Ausgestattet mit den Anamnesebögen riefen die Mediziner die Patienten an und luden sie zum Test, meist schon am nächsten Tag, ein. Weil die Hausärzte die Anzahl inzwischen wieder managen können, ist das Konsiliarteam seit dem 16. April wieder reduziert auf zwei Ärzte, die vier Stunden wöchentlich im Einsatz sind.
Zuvor, berichtet Verena Kriegisch, hatten die Ärzte fast alle einen festen Tag, manchmal trafen sie sogar frühere Patienten am Telefon an, was natürlich alle gefreut hat. Insgesamt herrsche trotz der Herausforderungen eine sehr positive Stimmung, so Hauser und Kriegisch. Kriegisch sitzt an der Schaltstelle zum Gesundheitsamt, bereitet die Akten akribisch vor, die dann wieder von den Ärzten mit Vermerken versehen werden, die wiederum dann in die Akte eingepflegt werden. Denn im ganzen Ablauf geht es vor allem auch darum, die Infizierten in der Quarantäne zu begleiten, Bescheinigungen auszustellen, die Genesung festzustellen, die Nachtestungen einzuleiten und die Infizierten wieder aus der Quarantäne zu entlassen.
Diese zweistufige Information – einmal zu generellen Fragen, etwa zum Verhalten im Beruf oder im Haushalt oder bei Kontakten, zum anderen der Bereich der Testungen und der Begleitung von Infizierten – setze eine enge Abstimmung der Teams voraus, berichten Hauser und Kriegisch.
Manchmal riefen Menschen auch nur an, weil sie jemanden brauchten zum Zuhören. Manchmal gewann die Arbeit aber eine ganz unerwartete Dynamik, etwa als es einen positiv getesteten Fall in einem Kindergarten gab. „Zehn Minuten später kamen die Anrufe von Eltern, Erzieherinnen und anderen, die das über die sozialen Medien mitbekommen hatten“, so Hauser.
Die Menge an ständig wechselnden Informationen wurde durch solche Teamtreffen – innerhalb des Amts auch im Lagebesprechungsteam – und durch eine Pinwand gemanagt. Auch der Verweis an andere Stellen wie Jugendamt, Diakonie oder andere war wichtig: „Fragen schlugen zum Glück in einem ganz bereiten Netz auf“, so Kriegisch.
Für die Mitarbeiter der „CoronaTeams“ist die Situation eine Herausforderung, die aber Spaß macht. Das Prozesshafte, die täglich veränderten Fragestellungen, ständig neue Herausforderungen. „Es gibt keine Routine, es ist spannend, wie sich die Abläufe verstetigen und verändern“, so Kriegisch.
Das hört jetzt auch nicht auf. Denn mit der schrittweisen Öffnung sind die Teams gefordert, alles so zu organisieren, dass im Fall wieder ansteigender Zahlen, alles wieder hochgefahren wird. „Wir müssen alles auf Standby stellen.“
Was noch Spaß macht bei aller Anstrengung: Die Zusammenarbeit der verschiedenen Kompetenzen: Menschen aus dem Rechnungswesen arbeiten mit Gesundheitswissenschaftlern aus der Stabsstelle für Sozialplanung zusammen, Jugendreferenten, die das Organisieren eines ungeordneten Systems beherrschen, mit Behindertenbeauftragten, innerhalb der Ärzteschaft Anästhesisten mit Allgemeinmedizinern und Internisten sowie anderen.
Das Coronamanagement wirbelt nicht nur Leben und Arbeiten, Gesellschaft und Psyche durcheinander, sondern auch scheinbar festgefahrene hierarchische und starre Bürokratiestrukturen. Es wird spannend sein, was davon nach Corona bestehen bleiben kann.