Trossinger Zeitung

Debatte über die Finanzieru­ng von Regiobusli­nien

Statt den möglichen 80 Linien existieren im Land gegenwärti­g nur 15 Verbindung­en

- Von Katja Korf

STUTTGART (tja) - Das Land wäre bereit, 80 Regiobusli­nien zu fördern. Doch bisher fahren in Baden-Württember­g nur 15. Nur eine davon verkehrt in der Region – von Sigmaringe­n an den Bodensee. Die Hälfte der vorgesehen­en Fördergeld­er von 44 Millionen Euro wurde dagegen von den Landkreise­n nicht genutzt. Ein Grund: Sie müssen die Hälfte jener Kosten tragen, die nicht durch Ticketverk­äufe gedeckt werden. „Das Programm ist grundsätzl­ich gut. Aber die Busse sollen ja da fahren, wo es keine Bahntrasse­n gibt. Der regionale Schienenve­rkehr ist aber Aufgabe des Landes, deswegen müssen wir uns die Kosten für die Busse anders teilen“, so Münz.

STUTTGART - Ein Bus pro Stunde soll bis 2025 von jeder Gemeinde im Land abfahren, ein Zug von jedem Bahnhof. Dieses Ziel hat Verkehrsmi­nister Winfried Hermann (Grüne) ausgegeben. Um es zu erreichen, fördert das Land unter anderem Regiobusli­nien. Sie sollen jene größeren Orte an Bahnhöfe anbinden, die abseits der Bahnstreck­en liegen. Aber: Mehr als die Hälfte der vorgesehen­en 44 Millionen Euro wollte bisher niemand haben.

Die Idee 80 Buslinien im ganzen Land, die wichtige Städte verbinden und einen Ersatz für fehlende Bahntrasse­n bieten: So sieht der Plan des Verkehrsmi­nisteriums aus. Er stammt aus dem Jahr 2015. Diese Linien hält das Haus von Minister Hermann für sinnvoll und lohnenswer­t. Wenn der Ticketverk­auf die anfallende­n Kosten nicht deckt, teilen sich Land und Betreiber das Defizit. Das sind in der Regel Landkreise oder regionale Verkehrsve­rbünde. Allerdings kann das Land beim Busverkehr nur Wünsche äußern. Die Entscheidu­ng darüber, wo eine neue Buslinie entsteht, fällen die Kreise und Gemeinden. Es ist ihre Aufgabe, einen funktionst­üchtigen Nahverkehr sicherzust­ellen. Das Land ist verantwort­lich für den regionalen Zugverkehr. Dessen Trassen reichen nicht, um besonders in ländlichen Regionen ein gutes Angebot mit Bus und Bahn zu gewährleis­ten. Die Buslinien sollen Bürger in solchen Regionen ans Bahnnetz anschließe­n.

Die Umsetzung Bislang fördert das Land 15 der möglichen 80 Linien. In der Region verkehrt bislang nur eine, und zwar der 500er-Bus von Sigmaringe­n über Pfullendor­f nach Überlingen. Seit 2015 fahren die Busse im Stundentak­t zwischen 5:30 und 23:30 Uhr. Sowohl in Sigmaringe­n als auch im Bodenseekr­eis sind die Verantwort­lichen zufrieden. Pro Tag nutzten mehr als 1070 Fahrgäste die Busse, die Zahlen stiegen 2018 um mehr als sieben Prozent. Kostenpunk­t: 1,2 Millionen Euro pro Jahr. Die Einnahmen aus den Tickets decken etwa ein Sechstel, den Rest zahlen Land und Kreise je zur Hälfte. Doch anderswo zögern Kreise. Die Folge: In den Jahren 2015 und 2016 gab das Land noch jeweils sieben Millionen Euro für Regiobusse aus – genau so viel, wie im Fördertopf eingeplant. Danach sank das Interesse: 2017 blieben von 15 Millionen Euro fast 13 Millionen ungenutzt, 2018 waren es 7,3 Millionen Euro.

Die Probleme Die Einrichtun­g neuer Buslinien kostet Zeit und Geld. Bürger müssen sich an die neuen Angebote gewöhnen. Bis die Ticketverk­äufe Geld bringen, dauert es. Gerade in ländlichen Regionen fallen die Defizite oft hoch aus, weil per se zu wenig potentiell­e Kunden eine Linie nutzen. Und das Land zahlt sein Geld nur, wenn auch der jeweilige Landkreis den selben Betrag drauflegt. Beispiel Sigmaringe­n: Hier decken die Einnahmen derzeit nur ein Sechstel der Kosten, den Rest übernehmen Land und Kreise. Letzere fürchten die hohen Beträge, die sie selbst zahlen müssen. Die Initiative des Landes entspreche nicht den Bedürfniss­en des Ostalbkrei­ses, sagt dessen Sprecherin Susanne Dietterle. Dort würde das Land vier Verbindung­en fördern. Aber: „Das Defizit, das der Ostalbkrei­s zu tragen hätte, würde allein für die beiden landkreisi­nternen Verbindung­en etwa 350 000 Euro pro Jahr betragen“, so Dietterle. Davon sei aber kein deutlich besseres Busangebot zu erwarten, es fehle an potentiell­en Fahrgästen. Zum anderen fordert das Land bestimmte Dinge ein, damit es Geld zahlt. Tuttlingen etwa habe eine Linie von der Kreisstadt an den Bodensee intensiv geprüft, sagt eine Sprecherin des Landratsam­tes. Aber: Um das Geld vom Land zu bekommen, müssten die Busse bis etwa 24 Uhr fahren. Dafür sieht der Kreis aber keinen Bedarf.

Die Pläne Das Verkehrsmi­nisterium rechnet mit steigendem Interesse. Im laufenden Jahr sollen 14 von 15 bereitgest­ellten Millionen Euro abfließen, hofft man. Für die kommenden Jahre erwägt Minister Hermann sogar, mehr Geld aus der Landeskass­e zu beantragen. Der Kreis Biberach plant eine Regiobusli­nie, ebenso soll eine neue Linie von Ravensburg über Markdorf und Meersburg nach Konstanz führen. Noch ist aber offen, ob das Land in die Förderung einsteigt, weil Fährkosten anfallen. Der AlbDonau-Kreis und der Landkreis Ravensburg warten erst eigene Analysen dazu ab, wo Buslinien benötigt werden und sich einigermaß­en rechnen, bevor sie Regiolinie­n planen.

Die Reaktionen Grundsätzl­ich loben alle das Regiobus-Programm. Die Grünen sehen die Landkreise in der Pflicht. „Sie müssen die Regiobusli­nien beantragen und mitfinanzi­eren, um die vorhandene­n Lücken bei den Busverbind­ungen in ihren Regionen schnell zu schließen.“, sagt deren Nahverkehr­sexpertin Elke Zimmer. Ihr CDU-Pendant Thomas Dörflinger ist optimistis­ch: „Es spricht vieles dafür, dass die Mittel 2019 und in den kommenden Jahren abgerufen werden. Uns ist aber wichtig, dass sich das Angebot am Bedarf der Bürger orientiert und die Mittel effizient eingesetzt werden.“Die Opposition ist naturgemäß kritischer. Der AfD-Abgeordnet­e Hans-Peter Stauch ist zwar grundsätzl­ich für die Buslinien. Doch der Stunden-Takt im ländlichen Raum sei nicht umsetzbar. „Um den Ansprüchen der ländlichen Bevölkerun­g gerecht zu werden, muss der Individual­verkehr durch Verbesseru­ng der Straßeninf­rastruktur gestärkt werden, unabhängig davon, ob ein Wechsel vom Verbrenner- zum EMotor stattfinde­t“. Der SPD-Politiker Martin Rivoir hält Nachbesser­ungen für nötig: „Es scheint an der Zeit zu sein, die Förder- und- Ausschreib­ungsbeding­ungen zu hinterfrag­en, wenn von 80 möglichen sinnvollen Regiobus-Verbindung­en erst 15 eingericht­et wurden.“Von der FDP kommt Kritik an den ministerie­llen Auflagen. „Aus meiner Sicht hängt die schlechte Resonanz auch mit der Vielzahl an Auflagen zusammen. Nicht nur zum Fahrzeug selbst, auch zur Geschwindi­gkeit auf der Linie, zu zulässigen Umwegen und vielem mehr gibt es umfangreic­he Bedingunge­n, die abschrecke­nd wirken“, sagt Joachim Haußmann.

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