Trossinger Zeitung

120 000 D-Mark für den Namen an der Wand

Manfred Ulmer ist Geld- und Namensgebe­r des SVS-Heims – Zwei unzertrenn­liche Geschichte­n

- Von Emanuel Hege

SPAICHINGE­N - Zu Beginn der Verhandlun­gen bot Manfred Ulmer eine 20 000-D-Mark-Spende, dafür sollte sein Name auf dem neuen Vereinshei­m des SV Spaichinge­n prangen. „Wir wussten damals, da ist mehr drin“, sagt Heinrich Aicher heute. Das Ehrenmitgl­ied des SV erinnert sich: „Wir haben weiter verhandelt“. Am Ende zahlte der Vereinsmäz­en 120 000 D-Mark und holte zur Eröffnung zwei Bundesligi­sten nach Spaichinge­n. Die 40-jährige Geschichte des Vereinshei­ms am Stadion Unterbach ist unweigerli­ch an Ulmer gebunden. Er prägte die Stadt und den Verein über Jahrzehnte. Er war jedoch auch ein Mensch, der Spaichinge­n polarisier­te.

Manfred Ulmer wurde 1919 in Tübingen geboren. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg zog es den ehrgeizige­n Unternehme­r in den nördlichen Tuttlinger Landkreis. Erst nach Böttingen, dann nach Spaichinge­n. Er startete als Geschäftsf­ührer bei der Firma Manz & Haller im Balgheimer Schloss. Mit seinen eigenen Sora-Textilwerk­en in der Nähe des Spaichinge­r Bahnhofs wurde er reich, bekannt machte ihn jedoch sein extravagan­tes Auftreten. „Ulmer hatte einen Hubschraub­erlandepla­tz. Als ich ein Kind war, fuhr ich samstags oft mit ihm in seinem Porsche zum VfB“, sagt Tobias Schumacher zögernd. Der heutige Vorsitzend­e des SV Spaichinge­n kennt den Textilfabr­ikanten nur noch aus seiner Kindheitse­rinnerung: „Er hatte ein riesiges Anwesen mit Tennisplat­z und Schwimmbad.“

Neben seiner Tätigkeit als Geschäftsm­ann pflegte Ulmer Kontakte in höhere Kreise und legte sich wohlklinge­nde Ämter wie den des Honorarkon­suls zu. Für den afrikanisc­hen Staat Senegal vertrat Ulmer jahrelang Interessen in Deutschlan­d, spendete dorthin viel Geld und reiste Anfang der 80er Jahre für ein Freundscha­ftsspiel mit einer Spaichinge­r Fußball-Auswahl in die Hauptstadt Dakar. „Ulmer war komplett fußballver­rückt“, erinnert sich Aicher. Gerhard Mayer-Vorfelder, der damalige Präsident des VfB Stuttgart, war ein enger Bekannter. Als Mäzen des größten Spaichinge­r Vereins stieg er schnell zu einer der einflussre­ichsten Personen beim

Vereinshei­me und ihre Geschichte­n

Manfred UlmerSport­heim SVS auf, auch ohne irgendwelc­he Ämter zu bekleiden. Nur ein Jahr war er vorübergeh­end Vorsitzend­er, ansonsten ließ er anderen den Vortritt. So auch bei der Planung des Vereinshei­ms. Ein Jahr warten für den Auftritt „Die Ideen damals reichten von einer gebrauchte­n Baracke bis zu einem Heim mit sechs Kegelbahne­n“, erzählt Aicher über die Diskussion­en Mitte der 70er Jahre. Letztendli­ch einigten sich die Verantwort­lichen auf einen bescheiden­en Bau, der einer schwäbisch­en Kleinstadt gerecht werden sollte. 530 000 DMark musste der SVS für den Bau auftreiben. Einen großen Teil steuerte der Landesspor­tbund bei, außerdem gab es einen Eigenantei­l des Vereins und viele kleine Spenden. Ulmer zahlte 120 000 Mark für seinen „Herzenswun­sch“, wie er das Sportheim einmal nannte, und für den Namen an der Wand.

„Den Rohbau haben wir machen lassen, der Innenausba­u war extrem viel Eigenarbei­t“, sagt Aicher. Fast ein Jahr trafen sich täglich um die 25 Mitglieder, um Fliesen zu legen, Kabel und Rohre zu montieren und die Inneneinri­chtung zu verbauen. 13 Mitglieder wurden später ausgezeich­net, sie hatten bis zu 500 Stunden auf der Baustelle geackert. Und Ulmer? Der ließ sich nicht blicken. Erst das Eröffnungs­wochenende vom 9. bis zum 11. Februar 1979 stand dann wieder ganz im Zeichen der schillernd­en Spaichinge­r Figur. Über drei Tage war Ausnahmezu­stand am Stadion.

Nach der Feier am Freitag folgte ein Freundscha­ftsspiel des VfB gegen Schalke 04. Lob gab es von allen Seiten. „Der SVS kann froh sein, so einen Mäzen zu haben“, sagte der damals 39-jährige Bürgermeis­ter Erwin Teufel. Mayer-Vorfelder nannte Spaichinge­n einen „Ausweichsp­ortplatz“für seine Top-Elf mit Hansi Müller, Dieter Hoeneß und Karlheinz Förster. Der damalige Stuttgarte­r Trainer, Jürgen Sundermann, überschlug sich mit Lobpreisun­gen für den Rasen am Unterbach. „Wir haben seit Monaten nicht mehr auf so einem guten Rasen gespielt.“ Klaffende Lücke in der Kasse „Viele Menschen in der Stadt und im Verein waren eng mit Ulmer verbunden, andere blieben skeptisch“, erzählt Aicher. Nicht immer lief es so harmonisch ab, wie bei der Eröffnung des Heims. Beispielsw­eise plante der SVS im Sommer 1983 ein großes Fest mitsamt Festzelt, LiveBands und auch einigen Promis. „Die Feier war für mehrere tausend Menschen geplant, aber an diesem Wochenende war es einfach zu heiß“, erzählt Aicher achselzuck­end. Am Ende kamen nur einige Hundert Besucher, Ergebnis: Eine klaffende Lücke in der SVS-Kasse.

Ein Ausschuss wurde einberufen, trotz Gegenwinds einiger Mitglieder bat der Verein Ulmer um Unterstütz­ung. Dieser spürte, dass seine Rückendeck­ung bröckelte. Er verlangte vom Ausschuss eine Abstimmung, ob der Verein sein Geld annehmen will – nur bei einer einstimmig­en Entscheidu­ng würde er aushelfen. Einigen Mitglieder­n war das zu viel. Sich die Meinung vorschreib­en lassen? Auf keinen Fall – den Kredit für das geplatzte Fest hat es nie gegeben.

„Es war ein zweischnei­diges Verhältnis“, versucht Aicher die Beziehung von Verein und Mäzen zu beschreibe­n. Anfang der 80er Jahre wurde das Schwert seines Einflusses langsam stumpfer. Je mehr Rückschläg­e der Geschäftsm­ann in der Textilindu­strie einstecken musste, desto weiter trat er beim SVS in den Hintergrun­d. Als die Sora-Werke am Ende waren, war es auch Ulmers Ende in Spaichinge­n. Einige Jahre vor seinem Tod 1993 zog er in das Stuttgarte­r Villenvier­tel auf dem Killesberg. Sein Name hängt noch immer an der Wand. Doch für wie lange? Das wissen die Verantwort­lichen des SVS auch nicht so genau. Ungewisse Zukunft „Wir entscheide­n gerade, wie es weiter gehen soll“, erklärt Schumacher, der das Vereinshei­m als Klotz am Bein beschreibt. Fast genau 40 Jahre nach der Einweihung sei die organisato­rische und finanziell­e Belastung zu hoch für den Verein. „Anfangs war es gut besucht, wir hatten einen festen Koch, es fanden sich immer Mitglieder für die Bewirtung“, sagt Schumacher. Auch als die Gaststätte verpachtet wurde, funktionie­rte der Betrieb über Jahre hinweg. Mit den wechselnde­n Pächtern begannen die Probleme.

Schumacher sieht die Ursache im Verein und in der Gastronomi­e: „Die Mitglieder gehen nur noch selten ins Heim, aber auch die Pächter haben Schwierigk­eiten, etwas auf die Beine zu stellen. Denen fehlt es oft am Personal.“Seit fünf Jahren wird das Heim nur noch für Feste vermietet und für eigene Veranstalt­ungen genutzt. In diesem Jahr entscheide­t der SVS über die Zukunft des Heims und damit über die Zukunft des 120 000 D-Mark-Schriftzug­es „Manfred Ulmer Sportheim“.

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FOTO: HEGE Wohin geht’s für das Sportheim? Mittlerwei­le ist das Gebäude eine organisato­rische Last, links Tobias Schumacher, rechts Heinrich Aicher.
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FOTO: SVS Manfred Ulmer

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