120 000 D-Mark für den Namen an der Wand
Manfred Ulmer ist Geld- und Namensgeber des SVS-Heims – Zwei unzertrennliche Geschichten
SPAICHINGEN - Zu Beginn der Verhandlungen bot Manfred Ulmer eine 20 000-D-Mark-Spende, dafür sollte sein Name auf dem neuen Vereinsheim des SV Spaichingen prangen. „Wir wussten damals, da ist mehr drin“, sagt Heinrich Aicher heute. Das Ehrenmitglied des SV erinnert sich: „Wir haben weiter verhandelt“. Am Ende zahlte der Vereinsmäzen 120 000 D-Mark und holte zur Eröffnung zwei Bundesligisten nach Spaichingen. Die 40-jährige Geschichte des Vereinsheims am Stadion Unterbach ist unweigerlich an Ulmer gebunden. Er prägte die Stadt und den Verein über Jahrzehnte. Er war jedoch auch ein Mensch, der Spaichingen polarisierte.
Manfred Ulmer wurde 1919 in Tübingen geboren. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg zog es den ehrgeizigen Unternehmer in den nördlichen Tuttlinger Landkreis. Erst nach Böttingen, dann nach Spaichingen. Er startete als Geschäftsführer bei der Firma Manz & Haller im Balgheimer Schloss. Mit seinen eigenen Sora-Textilwerken in der Nähe des Spaichinger Bahnhofs wurde er reich, bekannt machte ihn jedoch sein extravagantes Auftreten. „Ulmer hatte einen Hubschrauberlandeplatz. Als ich ein Kind war, fuhr ich samstags oft mit ihm in seinem Porsche zum VfB“, sagt Tobias Schumacher zögernd. Der heutige Vorsitzende des SV Spaichingen kennt den Textilfabrikanten nur noch aus seiner Kindheitserinnerung: „Er hatte ein riesiges Anwesen mit Tennisplatz und Schwimmbad.“
Neben seiner Tätigkeit als Geschäftsmann pflegte Ulmer Kontakte in höhere Kreise und legte sich wohlklingende Ämter wie den des Honorarkonsuls zu. Für den afrikanischen Staat Senegal vertrat Ulmer jahrelang Interessen in Deutschland, spendete dorthin viel Geld und reiste Anfang der 80er Jahre für ein Freundschaftsspiel mit einer Spaichinger Fußball-Auswahl in die Hauptstadt Dakar. „Ulmer war komplett fußballverrückt“, erinnert sich Aicher. Gerhard Mayer-Vorfelder, der damalige Präsident des VfB Stuttgart, war ein enger Bekannter. Als Mäzen des größten Spaichinger Vereins stieg er schnell zu einer der einflussreichsten Personen beim
Vereinsheime und ihre Geschichten
Manfred UlmerSportheim SVS auf, auch ohne irgendwelche Ämter zu bekleiden. Nur ein Jahr war er vorübergehend Vorsitzender, ansonsten ließ er anderen den Vortritt. So auch bei der Planung des Vereinsheims. Ein Jahr warten für den Auftritt „Die Ideen damals reichten von einer gebrauchten Baracke bis zu einem Heim mit sechs Kegelbahnen“, erzählt Aicher über die Diskussionen Mitte der 70er Jahre. Letztendlich einigten sich die Verantwortlichen auf einen bescheidenen Bau, der einer schwäbischen Kleinstadt gerecht werden sollte. 530 000 DMark musste der SVS für den Bau auftreiben. Einen großen Teil steuerte der Landessportbund bei, außerdem gab es einen Eigenanteil des Vereins und viele kleine Spenden. Ulmer zahlte 120 000 Mark für seinen „Herzenswunsch“, wie er das Sportheim einmal nannte, und für den Namen an der Wand.
„Den Rohbau haben wir machen lassen, der Innenausbau war extrem viel Eigenarbeit“, sagt Aicher. Fast ein Jahr trafen sich täglich um die 25 Mitglieder, um Fliesen zu legen, Kabel und Rohre zu montieren und die Inneneinrichtung zu verbauen. 13 Mitglieder wurden später ausgezeichnet, sie hatten bis zu 500 Stunden auf der Baustelle geackert. Und Ulmer? Der ließ sich nicht blicken. Erst das Eröffnungswochenende vom 9. bis zum 11. Februar 1979 stand dann wieder ganz im Zeichen der schillernden Spaichinger Figur. Über drei Tage war Ausnahmezustand am Stadion.
Nach der Feier am Freitag folgte ein Freundschaftsspiel des VfB gegen Schalke 04. Lob gab es von allen Seiten. „Der SVS kann froh sein, so einen Mäzen zu haben“, sagte der damals 39-jährige Bürgermeister Erwin Teufel. Mayer-Vorfelder nannte Spaichingen einen „Ausweichsportplatz“für seine Top-Elf mit Hansi Müller, Dieter Hoeneß und Karlheinz Förster. Der damalige Stuttgarter Trainer, Jürgen Sundermann, überschlug sich mit Lobpreisungen für den Rasen am Unterbach. „Wir haben seit Monaten nicht mehr auf so einem guten Rasen gespielt.“ Klaffende Lücke in der Kasse „Viele Menschen in der Stadt und im Verein waren eng mit Ulmer verbunden, andere blieben skeptisch“, erzählt Aicher. Nicht immer lief es so harmonisch ab, wie bei der Eröffnung des Heims. Beispielsweise plante der SVS im Sommer 1983 ein großes Fest mitsamt Festzelt, LiveBands und auch einigen Promis. „Die Feier war für mehrere tausend Menschen geplant, aber an diesem Wochenende war es einfach zu heiß“, erzählt Aicher achselzuckend. Am Ende kamen nur einige Hundert Besucher, Ergebnis: Eine klaffende Lücke in der SVS-Kasse.
Ein Ausschuss wurde einberufen, trotz Gegenwinds einiger Mitglieder bat der Verein Ulmer um Unterstützung. Dieser spürte, dass seine Rückendeckung bröckelte. Er verlangte vom Ausschuss eine Abstimmung, ob der Verein sein Geld annehmen will – nur bei einer einstimmigen Entscheidung würde er aushelfen. Einigen Mitgliedern war das zu viel. Sich die Meinung vorschreiben lassen? Auf keinen Fall – den Kredit für das geplatzte Fest hat es nie gegeben.
„Es war ein zweischneidiges Verhältnis“, versucht Aicher die Beziehung von Verein und Mäzen zu beschreiben. Anfang der 80er Jahre wurde das Schwert seines Einflusses langsam stumpfer. Je mehr Rückschläge der Geschäftsmann in der Textilindustrie einstecken musste, desto weiter trat er beim SVS in den Hintergrund. Als die Sora-Werke am Ende waren, war es auch Ulmers Ende in Spaichingen. Einige Jahre vor seinem Tod 1993 zog er in das Stuttgarter Villenviertel auf dem Killesberg. Sein Name hängt noch immer an der Wand. Doch für wie lange? Das wissen die Verantwortlichen des SVS auch nicht so genau. Ungewisse Zukunft „Wir entscheiden gerade, wie es weiter gehen soll“, erklärt Schumacher, der das Vereinsheim als Klotz am Bein beschreibt. Fast genau 40 Jahre nach der Einweihung sei die organisatorische und finanzielle Belastung zu hoch für den Verein. „Anfangs war es gut besucht, wir hatten einen festen Koch, es fanden sich immer Mitglieder für die Bewirtung“, sagt Schumacher. Auch als die Gaststätte verpachtet wurde, funktionierte der Betrieb über Jahre hinweg. Mit den wechselnden Pächtern begannen die Probleme.
Schumacher sieht die Ursache im Verein und in der Gastronomie: „Die Mitglieder gehen nur noch selten ins Heim, aber auch die Pächter haben Schwierigkeiten, etwas auf die Beine zu stellen. Denen fehlt es oft am Personal.“Seit fünf Jahren wird das Heim nur noch für Feste vermietet und für eigene Veranstaltungen genutzt. In diesem Jahr entscheidet der SVS über die Zukunft des Heims und damit über die Zukunft des 120 000 D-Mark-Schriftzuges „Manfred Ulmer Sportheim“.