Immerhin eine Kampfansage
Ulms Basketballer zeigen gegen Bayern München trotz des 77:83 Aggressivität
ULM - Auf die im Sport allseits beliebte Frage, warum ihre Mannschaft in dieser Saison besser ist als in der letzten, antworteten die langjährigen Ulmer Basketball-Protagonisten im Magazin „Big“mit sehr viel Selbstironie. „Noch viel schwächer geht es ja nicht. Ich glaube, dass wir an Athletik hinzugewonnen haben und auch tiefer geworden sind“, sagte Trainer Thorsten Leibenath. Kapitän Per Günther fügte an: „Wenn wir uns angucken, wie wir in der letzten Saison Basketball gespielt haben, wäre es problematisch, wenn ich sage, dass wir nicht besser sind. Wir sind sehr guardlastig und dadurch beweglicher und schneller.“
Fake News? Keineswegs. Gegen den Meister und haushohen Titelfavoriten Bayern München zeigten die Ulmer am Freitagabend trotz des 77:83 zum Bundesligaauftakt, dass sie tatsächlich nach einem Jahr Lethargie wieder gewillt scheinen, das Kriegsbeil auszugraben. Von Beginn an traten die Ulmer aggressiv auf und hellwach, aufgeputscht von 6200 frenetischen Fans. Mit 9:4 lagen sie nach fünf Minuten vorn, ein Monsterdunk des Neuzugangs Javonte Green, der den Ball mit gefühlten 120 Stundenkilometer ins Netz schlug, zeigte schon an: Wir sind das Heimteam, wir sind auch wer, wir geben uns nicht kampflos geschlagen.
Und tatsächlich: Auch nach der folgenden 5:23-Serie der Gäste zum 14:27 – ermöglicht durch starke Rebounds und drei Dreier der Bayern sowie zahlreiche Missverständnisse bei den Ulmern –, gaben die Ulmer nicht auf, sondern reagierten ihrerseits viertelübergreifend mit einem 10:0-Lauf.
Es war ein enorm temporeiches, athletisches und offenes Duell in Ulm – cleverer und kaltschnäuziger allerdings waren die Münchner. Das zeigte sich am Ende des zweiten Viertels, als Thompson zwei von unzähligen scheinbar leichten Ulmer Korblegern in Reihe vergab. Im Gegenzug ließ Center-Hüne Danilo Barthel mit einer simplen Körpertäuschung zwei Ulmer ins Leere laufen und traf. München zog von 29:31 auf 33:46 davon – und wie reagierte Ulm? Mit einem 5:0Lauf bis zur Halbzeit, einem Dreier von Günther und einem Korbleger von Isaac Fotu mit der Sirene. Acht Punkte Unterschied also, die aus der Rebound-Dominanz (20:10) resultierten, vor allem aber aus den kleinen Treffern. 69 Prozent verwandelten die Bayern aus der Nahdistanz, nur 44 die Ulmer: Vor allem Patrick Miller (1/5) und Ryan Thompson (2/5) lagen zu oft daneben.
Nach der großen Pause ein ähnliches Bild: Ulm war dran an dem 25Millionen-Euro-Team aus München, war am Korb aber körperlich unterlegen. Szenen wie jene nach 27 Minuten, als Münchens Spielmacher Devin Booker (12 Rebounds) gleich drei Chancen auf den Ball bekam und die finale nutzte, schienen fatal zu sein. Bayern führte mit 58:46, doch Ulm bäumte sich erneut auf: Katin Reinhardt halbierte den Rückstand mit zwei Dreiern, die Fans waren zurück, mit 57:62 ging es in die letzte Pause.
Aus der kamen die Ulmer mit einem Dreier von Günther zum 60:62. Der Finne Petteri Koponen konterte mit einem Gegendreier, auch die Balkan-Stars Vladimir Lucic und Stefan Jovic legten wieder einen Gang zu. Nach dem 62:71 (34.) schien das Spiel entschieden, bloß: Erneut glückten Reinhardt zwei Dreier, und als Evans auf 72:73 verkürzte, tobte die Menge. Am Ende waren die Ulmer zu naiv: Statt auf den Korb zu gehen, versuchte Evans beim Tempogegenstoß, den Gegner zu blocken und verhedderte sich, später verwarf Green zwei Bälle. Koponen, vor Jovic (17) mit 18 Zählern bester Bayer, antwortete, wie ein Favorit eben antwortet: mit einem Dreier. Mit 83:77 siegten die Münchner. Nicht glücklich. Verdient. Immerhin: Es war eine kleine Kampfansage der Ulmer.
Eine, die auch Thorsten Leibenath positiv stimmte. Sein Fazit: „Für mich war das eine Leistung, die Mut macht. Nicht München hat das Spiel gewonnen, wir haben es eher verloren. Auch durch acht vermeidbare Fehler beim Korbleger, wo wir teilweise zu übermotiviert waren. Aber lieber übermotiviert als untermotiviert.“ Beste Werfer Ulm: Reinhardt, Green (je 15 Punkte). – Beste Werfer München: Koponen (18 Punkte), Jovic (17).