Wibke Bruhns
Die Älteren erinnern sich: Es war eine Sensation, dass Wibke Bruhns am 12. Mai 1971 um 22.15 Uhr im ZDF die Nachrichten vorlas. Als erste Frau. Und sie glich so gar nicht den Fräuleins, die als Ansagerinnen das Fernsehen zierten. Ihre markante Brille wirkte wie ein Zeichen von Entschlossenheit. Da saß keine Schauspielerin und keine Mutti (obwohl sie zwei Kinder hatte), sondern eine Journalistin mit eigenem Kopf. Heute wird sie 80 Jahre alt.
Ihr Studium hatte Wibke Bruhns abgebrochen, das Volontariat bei der „Bild“-Zeitung um 1960 auch. Abschlüsse brauchte in den Medien damals kein Mensch, es ging um Talent und das Ergreifen von Chancen. Vom Norddeutschen Rundfunk wechselte die junge Reporterin zum neu gegründeten ZDF, wo sie unter anderem die „Drehscheibe“moderierte, ehe sie Nachrichtensprecherin wurde.
Hartnäckig hält sich das Gerücht, Wibke Bruhns habe eine Affäre mit dem charismatischen SPD-Kanzler und Womanizer Willy Brandt gehabt. Sie streitet das amüsiert ab, sie hätte ihn nur interviewt – und 1972 in einer Bürgerinitiative für seine Wiederwahl gekämpft. Damals hatte sie schon keine Lust mehr, „anderer Leute Texte vorzulesen“. Sie verließ das ZDF und arbeitete zum Beispiel für das kritische WDR-Magazin „Panorama“. 1979, nach dem Tod ihres Mannes, ging sie mit den Töchtern als Korrespondentin des „Stern“nach Israel, später in die USA.
Zweifellos gehörte Wibke Bruhns zu den Top-Journalisten der alten Bundesrepublik. Und sie verlor ihren Ehrgeiz nie. Noch mit 67 Jahren wurde sie Kulturchefin des Ostdeutschen Rundfunks Brandenburg (ORB). Nebenbei schrieb sie viel beachtete Bücher, unter anderem „Meines Vaters Land“– über das Schicksal ihres Vaters Hans-Georg Klamroth, der SS-Offizier war und als Mitwisser des gescheiterten Hitler-Attentats von den Nazis hingerichtet wurde. (bikö)