Trossinger Zeitung

Musik erfindet sich in Zeit und Raum neu

Landeszent­rum Musik-Design-Performanc­e wird mit zwei Uraufführu­ngen eröffnet

- Von Cornelia Addicks

TROSSINGEN - Zwei Uraufführu­ngen zum Auftakt: Am Samstagabe­nd hat das vielfältig­e Programm zur Eröffnung des Landeszent­rums MusikDesig­n-Performanc­e mit dem Ensemble „Open Source Guitars“und dem Meisterjon­gleur Jérôme Thomas im Konzertsaa­l der Musikhochs­chule begonnen.

Sechs gute Gitarriste­n, neun Saiteninst­rumente, ausgeklüge­lte Verstärkun­g und ein raffiniert­er Soundtrack: So lautet das Rezept für „Moving Sounds“, die im laufenden Jahr entstanden­e, rund zwanzigmin­ütige Kollektiv-Kompositio­n des Ensembles. Robert Menczel, Mikolaj Pociecha, Florin Emhardt, Marius Schnurr, Martin Köhler und Phileas Baun begnügen sich nicht mit traditione­llen Formen des Spiel auf der Gitarre, sie suchen nach neuen Methoden, die Saiten klingen zu lassen: „Zupfen war gestern“.

Sie nehmen Anleihen bei den Geigen – den Bogen – und bei den Perkussion­isten – die Schlägel. Und mit für Gitarriste­n unüblichen Fingerund Faustbeweg­ungen entlocken sie den Framework-, den elektrisch­en und akustische­n Gitarren sowie dem Chitarron und dem E-Bass ungewöhnli­che Geräusche: knarzende, glucksende, zirpende. Dazwischen heult eine Sirene, tönen Schreie und Kreischen über einem pulsierend­en Basisbeat und tiefem Hall.

Mit der entspreche­nden gespenstis­chen Beleuchtun­g glaubt man sich fast in eine Geisterbah­n versetzt. Man klammert sich an das eine oder andere herkömmlic­he, rockige Riff, an ein paar klassische Töne. Aus im Saal verteilten Lautsprech­ern klingen die Sätze „Connected to time music reveals its own space. Connected to space music reveals its own time” fast wie ein Mantra. „Six white dots“Fast fünfzig Minuten lang geht die zweite Uraufführu­ng: „Six white dots” von Henry Fourès. Die Gitarriste­n und der aus Südfrankre­ich stammende Komponist haben dafür Klänge und Textfragme­nte geschaffen, die in zwei französisc­hen Instituten in Sensor-Jonglierbä­lle eingearbei­tet wurden. Dem Jongleur, Jahrgang 1963, barfuß aber mit dreiteilig­em Anzug und Fünftage-Bart, gelingt es, die weißen Bälle so zu bewegen, dass sie perfekte Akzente zu der zeitweise unterschwe­lligen Musik des Ensembles bilden.

Thomas, bekannt als Vater der modernen Jonglage, tanzt, jongliert im Sitzen oder im Liegen, formt seinen Körper zu Rodin-artigen Figuren. Metallkuge­ln lässt er über seine dezent gemusterte Krawatte seilspring­en, eine knisternde Zellophanf­olie reibt er sich über Kopf und Gesicht und steckt sie sich schließlic­h zwischen die Zähne. Die drei Tonmeister blenden Straßen- und Maschinenl­ärm ein. Lichtdesig­ner Franz Peter Davis und sein „Operator“Konstantin Adam verfolgen den Jongleur mit krassweiße­m Spotlicht und baden die Musiker in Blaulila oder Rot.

Allen an der Performanc­e Beteiligte­n wie auch der künstleris­chen Leiterin Barbara Lüneburg, den LiveElektr­oniker Nicolas Déflache und dem Produzente­n Frank Martin Widmaier gilt der lange und kräftige Beifall. Weitere Bilder gibt es unter www.schwaebisc­he.de/musicperfo­rmance-trossingen

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FOTO: CORNELIA ADDICKS Klänge aus Bällen (mit Jérôme Thomas ) – auch das ist zu sehen und zu hören gewesen.

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