Zeitkarussell dreht sich in der Aula des Gymnasiums
Irische Theatergruppe „Wilde Shamrock“unternimmt Reise durch die Historie Europas
SPAICHINGEN - Intelligente, amüsante Unterhaltung mit Tiefgang hat die irische Theatergruppe „Wilde Shamrock“aus Dublin im Gymnasium präsentiert. „PastPort“heißt das Stück, mit dem das Theatertrio sein Publikum mitgenommen hat auf eine Zugreise – mit Witz, Charme und einer gehörigen Portion historischem Wissen über die Geschichte von Europa.
Hauptdarsteller ist ein Straßenkünstler aus Irland (Aidan Keane), der im Jahr 2050 eigentlich nur eine Zugreise antreten möchte nach Berlin. Doch urplötzlich befindet er sich in einem Zeitkarussell, lernt unterschiedliche Menschen kennen, viele verschiedene Kulturen und Länder. Und erfährt ein zersplittertes Europa.
Die Kulisse ist ein Zugfenster. Im Zug spielt sich auch alles ab. Nur manchmal marschiert einer der Schauspieler durchs Publikum und fordert zum Beispiel die Leute so auf, mit ihm Englisch zu sprechen. Das ganze Stück ist in englischer Sprache, doch dennoch für alle im Saal leicht verständlich.
Die Reise beginnt 2050. An jeder Grenze verlangt die resolute Schaffnerin (Ceara Carney) den Reisepass. Denn die Zeiten offener Grenzen sind schon lange vorbei. Nur ein Mitreisender, ein Doktor (Chris Moran, der Autor des Stücks), kann sich erinnern und erzählt dem irischen Traveller, wie es früher war, in einem einheitlichen Europa. Er erinnere sich an eine Zeit, in der die Kulturen noch gemischt waren.
Mit der Ankunft in Deutschland verlangt die Schaffnerin, dass sich die Männer passend einkleiden. Der Ire erhält eine Lederhose und einen Hut. Wohl fühlt er sich damit nicht wirklich, erkennt aber, dass er nichts weiß über die irische und über andere Kulturen. Er tröstet sich mit seiner Gitarre und spielt ein irisches Lied.
Doch das Zeitrad dreht sich weiter. Jetzt befindet er sich im Jahr 1945. Eine Itanienerin erzählt ihm vom Faschismus und dass sie wieder zurück wolle nach Italien. Irgendwie ist der irische Straßenmusiker vom Chaos um sich herum verwirrt und kann auch nicht verstehen, dass jeder denkt, er sei ein Deutscher. Er klagt mit seiner Gitarre, dass er heim wolle. Doch noch ist seine Reise nicht beendet. Er landet im Jahr 1901 und trifft auf das Opernsängerpaar Isolde und Tristan. Vor allem Isolde, die definitiv die Hosen anhat, jubelt über Deutschland als „eine Nation mit einer Kultur“. Und dies habe Russland ermöglicht. Sie hebt das russische Reich hoch und lobt den Krieg. Das ist für die beiden Männer zu viel. Der Krieg sei entsetzlich und nicht lustig, sagt der Ire. Und Tristan macht deutlich, sein Name sei Hans und er komme aus Bayern. Geburtsurkunde zerfetzt Der Wunsch des Iren wird aber noch immer nicht erhört. Jetzt befindet er sich im Jahr 1852 und wird mit einem amerikanischen Offizier konfrontiert, der keine Migranten über den großen Teich lässt. Auch keine junge Mutter, die zu ihrem Ehemann möchte. Die Kinder-Geburtsurkunde wird vom Offizier zerfetzt. Das seien Fake-News.
Damit ist der Bogen geschlagen zum jetzigen US-Präsidenten. Der Offizier rät allen Anwesenden noch, in Deutschland zu bleiben und nicht zu reisen. „The world is closed“, die Welt ist geschlossen. Auch am Brexit lässt er kein gutes Haar.
Nach einer Pause unterhalten die Darsteller ihr Publikum mit irischer Musik. Da die Veranstaltung im Rahmen der Initiative „Volkshochschulen für Europa“stand, haben die Zuschauer Fragekarten bekommen, um aufzuschreiben, was ihnen in den Sinn kommt, wenn sie an Europa denken. Es kamen unterschiedliche Antworten. Es ging zum Beispiel um die Freunde, die in anderen Ländern in Europa leben, und um die Hoffnung, dass Europa eine Zukunft hat. Außerdem sei es ein starkes Miteinander demokratischer Länder, eine reiche Vielfalt an unterschiedlichen Menschen und Völkern. Hinzu kämen viele Schätze an Kunst, Literatur und Musik.
Pessimistischer fiel eine weitere Antwort aus: Bei Europa denke man an eine lange Kultur als christliches Abendland mit Früchten wie soziale Gerechtigkeit, Gleichberechtigung von Mann und Frau und Demokratie. Doch leider fehle heutzutage oft der Bezug zu den christlichen Wurzeln. Wichtige Werte wie Nächstenliebe, gelebte Gerechtigkeit und Unantastbarkeit der menschlichen Würde gingen verloren.