Die Laufrakete hat gezündet
Patrick Lange gewinnt den Ironman auf Hawaii, Jan Frodeno quält sich verletzt ins Ziel
KAILUA-KONA (dpa) - Patrick Lange hat Jan Frodeno auf Hawaii die Show gestohlen. Weit über eine Stunde nach Langes Hula-Hula-Siegertänzchen auf wackligen Beinen schleppte sich der Titelverteidiger ins Ziel und hatte nur noch einen Wunsch. „Ich brauch' ein kaltes Bier“, sagte Frodeno. An einem der bittersten Tage in der Karriere des Olympiasiegers von 2008 und Ironman-Champions von 2015 und 2016 setzte Lange, der aus Hessen stammt, die deutsche Siegesserie auf Hawaii fort. „Das ist Gefühlsachterbahn hoch Tausend“, sagte Lange. „Es gibt nichts Größeres für mich.“
Immer wieder stockte die Stimme des 31-Jährigen: „Ich kämpfe mit den Tränen. Seit ich ein kleiner Junge bin, träume ich davon.“Zu heftig war dieser Wettkampf, körperlich, mental, emotional. „Du läufst hier raus und du hast am ganzen Körper Gänsehaut, einen Kilometer später denkst du dir: Ich springe gleich ins Meer, weil du einfach nur fertig bist“, sagte Lange, der vor dem Kanadier Lionel Sanders und dem Briten David MacNamee triumphierte. Sebastian Kienle, neben Frodeno der zweite deutsche Topfavorit, konnte auf den letzten Kilometern Langes und MacNamees Attacken nicht kontern und wurde Vierter. Er hatte 2014 die Serie deutscher Siege eingeleitet. Lange ist nach Thomas Hellriegel (1997), Normann Stadler (2004/2006), seinem jetzigen Trainer Faris Al-Sultan (2005), Kienle und Frodeno der sechste Deutsche, der auf Hawaii gewann. Frodenos Vierstundenmarathon So schnell wie Lange, der sich im Vorjahr bereits den Rekord über den finalen Marathon gesichert hatte, absolvierte noch kein Athlet seit der ersten Ausgabe des Rennens 1978 die 3,8 Kilometer Schwimmen, 180,2 Kilometer Radfahren und 42,195 Kilometer Laufen: 8:01:40 Stunden brauchte er.
Frodeno dagegen schleppte sich mit schmerzendem Rücken nach 9:15:44 Stunden ins Ziel. „Es war ein harter Tag“, sagte der gebürtige Kölner. Nach dem Wechsel auf die Laufstrecke hatte er sich verletzt. Frodeno schrie kurz auf, musste sich setzen, nahm sein Kappe ab, verzog das Gesicht vor Schmerzen und sprach mit seiner Frau, der 2008-Olympiasiegerin Emma Snowsill. Frodeno versuchte, den Rücken irgendwie zu lockern, ging nach einer Pause langsam wieder los, klatschte die Rivalen ab, und die Alterklassenathleten schauten verdutzt auf den gehenden Superstar der Szene. Für eine Tänzerin im Baströckchen hatte Frodeno sogar ein Lächeln parat, im Ziel nahm er es mit Galgenhumor: „Das bleibt einem auch als Weltmeister nicht erspart, den VierStunden-Marathon halt irgendwann mal erlebt zu haben.“
Als Vierter war Frodeno vom Rad gestiegen, die drei vor ihm unterboten allesamt den Rekord Stadlers bei dessen Sieg 2006 (4:18:23). Der Australier Cameron Wurf – ehemaliger OlympiaTeilnehmer im Rudern und Ex-Radprofi – hatte nach der Hälfte der 180 Kilometer die Führung übernommen. In 4:12:54 Stunden pulverisierte der 34-Jährige Stadlers Bestmarke, dahinter folgten Sanders (4:14:18) und Kienle (4:14:57). Doch war es ein Kraftakt, der sich für Kienle und Sanders rächen sollte. Mit mehr als sechseinhalb Minuten Rückstand kamen sie aus dem Wasser, Frodeno war da noch auf Platz zwei im Plan.
Selbst einer, der die Extreme des Sports liebt und die Extreme des Lebens hinter sich hat, sprach von einem brutalen Rennen. Sanders, der den Kampf gegen Drogen und Alkohol einst gewonnen und die meiste Zeit auf einer Rolle und dem Laufband mit maximaler Selbstüberwindung trainiert hatte, konnte der „Laufrakete“ Lange, wie Frodeno ihn nannte, am Ende nichts entgegensetzen.
Nachdem der WM-Dritte von 2016 aus Bad Wildungen den lange auf Platz zwei liegenden 33 Jahre alten Kienle überholt hatte, schnappte er sich wenige Kilometer vor dem Ziel auch noch Sanders. Der 29-Jährige, dessen Laufstil immer wirkt, als würde er ein Bein nachziehen, schaute entsetzt und anerkennend zugleich hinter Lange her, der schon vorher angekündigt hatte: „Beim Laufen will ich den Turbo zünden.“Dass er bis dahin kam, hatte er seinem Willen zu verdanken. Auf dem Rad hätte er das Rennen fast beendet. „Weil ich richtige Scheißbeine hatte“, sagte er. Am Ende aber trugen die ihn zu einem denkwürdigen Sieg.