„Der Alptraum setzt sich fort“: Neue Festnahme von Deutschen in Türkei
Ehepaar in Istanbul eingesperrt – Auswärtiges Amt reagiert verärgert – Türkische Delegation sagt Teilnahme am Stadtfest in Aalen ab
BERLIN/AALEN (dpa/ard) - Mittlerweile ist die Ratlosigkeit im Auswärtigen Amt so groß wie die Empörung. Wenn man nur wüsste, was diese Leute umtreibt, sagt der Sprecher Martin Schäfer am Montag. „Wir können nur darüber spekulieren.“Diese Leute, damit meint er den türkischen Präsident Recep Tayyip Erdogan, die türkischen Behörden. Wieder wurden am Sonntag in der Türkei deutsche Staatsbürger festgesetzt. Inzwischen seien auch Deutsche betroffen, „die nichts anderes machen wollten als Urlaub“, so Schäfer. „Der Alptraum setzt sich fort.“
Gerade mal etwas mehr als eine Woche ist es her, da wurde ein Ehepaar mit türkischen Wurzeln aus Rheinland-Pfalz im Urlaubsort Antalya festgenommen. Diesmal traf es ein deutsches Ehepaar türkischer Abstammung in Istanbul. Sie wurden am Sonntag in Polizeigewahrsam genommen. Es gebe zwar bislang keine offiziellen Informationen von türkischer Seite. „Die bekommen wir ja leider auch nicht mehr“, sagt Schäfer. Man müsse aber davon ausgehen, dass einer der beiden Ehepartner von der Polizei festgehalten werde. Gegen die zweite Person sei eine Ausreisesperre verhängt worden.
Dahinter stecken politische Vorwürfe, wie diplomatische Kreise der Deutschen Presse-Agentur mitteilten. „Seit heute Morgen gehen wir von einer weiteren Festnahme mit politischem Hintergrund aus“, hieß es. Die türkische Regierung verweist darauf, dass sich auch Ausländer in der Türkei an die dortigen Gesetze halten müssten. Ankara bemängelt, die Bundesregierung zeige kein Verständnis dafür, wie ernst die Bedrohung der Türkei durch Terroristen sei. Wenn Vorwürfe auf Verbindungen zu solchen Gruppen vorlägen, würden Verdächtige auch mit deutschen Pass festgenommen. Anschuldigungen, Deutsche würden als Faustpfand festgenommen, hatte Erdogans Sprecher erst vor wenigen Tagen empört zurückgewiesen. Er hatte auch versichert, unbescholtenen Deutschen drohe keine Gefahr. Türkische Reisewarnung Während Deutsche in der Türkei hinter Gitter kommen, warnt das türkische Außenministerium vor Reisen nach Deutschland. In der „Reisewarnung“aus Ankara hieß es am Samstag, Türken müssten in der Bundesrepublik mit „fremdenfeindlicher und rassistischer Behandlung, Verhalten und Verbalangriffen“rechnen. Über diese „Reisewarnung“müsse man eigentlich schmunzeln, wenn man das angesichts der ernsten Lage könnte, sagt Schäfer am Montag. Die deutschen Reisehinweise seien dagegen traurige Realität. „Wir erleben es Tag für Tag, Woche für Woche, das genau das passiert.“
Unterdessen bedauert der Aalener Städtepartnerschaftsverein, dass aus dem türkischen Antakya keine Delegation zu den Reichsstädter Tagen kommen konnte. Der Grund: Der türkische Staat hatte keine Ausreisegenehmigung erteilt. „Das ist weder im Sinne einer Städtepartnerschaft noch ist es hilfreich für die aktuelle gesamtpolitische Situation“, sagte am Montag ein Mitglied des Vereinsvorstands, Roland Hamm.
Es sei geplant gewesen, dass der Bürgermeister einer zu Antakya beziehungsweise zur Provinz Hatay gehörenden Gemeinde sowie zwei weitere Gemeinderäte, jeweils mit ihren Ehefrauen, zum Aalener Stadtfest reisen, erklärte Hamm. Der Bürgermeister habe jedoch keine Erlaubnis erhalten. Laut Hamm hat daraufhin die ganze Delegation den Besuch in Aalen abgesagt.