Ein alltägliches Geschäft
Die Anlage für Tierkörperbeseitigung in Warthausen verarbeitet jeden Tag tote Tiere
WARTHAUSEN - Für Trauer ist in der Tierkörperbeseitigungsanlage (TBA) in Warthausen kein Platz. Hier werden tote Tiere systematisch zu Fett und Tiermehl verarbeitet, von der Kuh bis zum Papagei.
„Wirklich ein toller Betrieb“, sagt Karl-Heinz Maucher. Es ist später Mittag, als der Geschäftsführer der Anlage pathetisch wird: „Alles wird am Ende wieder zu Erde.“Er deutet auf einen großen Container voll mit braunem Mehl. Tiermehl, gewonnen aus den Knochen und den Überresten toter Tiere. „Wer Tierfleisch isst, muss auch dran denken, dass Tiere sterben“, sagt Maucher.
Die Tierkörperbeseitigungsanlage versteckt sich rund 600 Meter entfernt von Herrlishöfen, umgeben von einem kleinen Waldstück. Doch knapp zwei Drittel der toten Tierkörper aus ganz Baden-Württemberg landen hier.
An diesem Mittag fährt ein Laster mit zwölf toten Kühen in die Anlieferungshalle. Die Tiere stammen aus dem Allgäu, sind auf der Weide verendet, haben sich ein Bein gebrochen oder sind beim Kalben gestorben. Mit einem Kran lädt der Fahrer die Tiere auf den Fliesen ab, dann werden sie mit Eisenketten aufgehängt und schließlich von einem Metzger gehäutet. Theo Wöhrle steht mit blutverschmierter Schürze und einem Eisenhandschuh zwischen nackten Rinderkörpern. Wöhrle ist erst sei Juli im Betrieb, war zuvor Metzgermeister in der Region. „Dann hab ich keinen Nachfolger mehr gefunden und meinen Betrieb aufgegeben“, erzählt er. Er schätze die geregelten Arbeitszeiten hier und die Arbeitsatmosphäre. Felle gehen nach Italien Der Metzger ist nur ein Rad im Getriebe der Beseitigungsanlage. Die Felle, die er den Tieren abzieht, werden in der Regel an Gerbereien nach Italien verkauft. Auffällige Tiere, die abgemagert sind oder Spuren von äußerer Gewalt zeigen, untersucht ein Veterinär. In der Regel wandern die toten Tierkörper dann weiter in einen Brecher, eine Anlage, die einem gigantischen Häcksler gleicht. Dieser zerkleinert eine Kuh in Sekunden zu Kleinteilen von Millimetergröße. Bei rund 130 Grad Celsius werden diese 20 Minuten erhitzt, um Keime abzutöten. Der Brei wird schließlich getrocknet, entfettet und in Tiermehl und Fett getrennt.
Beinahe der gesamte Prozess verläuft automatisch, eine Arbeitsschicht bestreiten in der Regel zwei Maschinisten, die am Computer die Steuerung der riesigen Anlagen überwachen. Bis das Tiermaterial alle Arbeitsschritte durchlaufen hat, dauert es rund drei bis vier Stunden. In der Anlage herrscht fast durchgängig Betrieb.
Vom Vorabend bis kurz vor sieben Uhr morgens gehen in Warthausen die Anrufe ein. Meist sind es Landwirte, manchmal mit schluchzender Stimme, die vom Tod eines Tieres berichten. 400 bis 700 solcher Aufträge erhält die Beseitigungsanlage am Tag. Von Warthausen aus und einzelnen Sammelstellen im Land verteilt, starten die Fahrer, um die Tiere abzuholen. Für die Beseitigungsanlage ein enormer Aufwand, für die Tierhalter beinahe kostenlos: Eine Postkarte zu verschicken, ist deutlich teurer, als ein Ferkel auf seine letzte Reise zu schicken. Gerade mal 30 Cent zahlen Landwirte für die Abholung und Beseitigung der Tiere. Aus gutem Grund, wie Geschäftsführer Maucher erklärt: Seit 1987 sind die Landkreise für die Beseitigung der Tierkörper zuständig. In BadenWürttemberg haben sich diese zu drei Zweckverbänden zusammengeschlossen, einer davon ist der Verband TBA in Warthausen.
Mit öffentlichen Geldern der Landkreise finanziert die TBA die Abholung toter Tiere. Damit sollen Seuchen verhindert werden. Und der Versuchung begegnet werden, tote Tiere einfach zu verscharren, weil deren Entsorgung zu teuer wäre.
Die TBA bleibt ein Zuschussbetrieb, erwirtschaftet aber auch selbst Umsatz. Die meisten Einnahmen stammen aus dem Verkauf von Fetten. Diese werden vor allem aus verendeten Schweinen sowie aus Geflügel von Schlachtabfällen gewonnen und später zur Herstellung von Biodiesel verwendet. Auch wenn Deutschland heute nicht mehr als Risikoland für die Rinderkrankheit BSE gilt, muss Tiermehl weiterhin streng getrennt werden. In möglicherweise seuchenbelastetes Material wie zum Beispiel Hirn und Wirbelsäule von Rindern. Das Tiermehl, das daraus gewonnen wird, geht als Brennstoff in die Zementindustrie. Unbedenkliches Tiermehl kommt dagegen als Dünger in die Landwirtschaft, darf aber nicht als Futter verwendet werden.
Das Geschäft mit den toten Tieren ist für Karl-Heinz Maucher zum Alltag geworden. Auch viele Fahrer seien seit mehr als zwei Jahrzehnten im Betrieb, schätzen ihre Arbeit, auch weil sie häufig mehr verdienen, als wenn sie Lastwagen für eine Spedition fahren. Und Maucher selbst? Er arbeitete bis vor wenigen Jahren noch in der Verwaltung des Kreisklinikums Biberach. Auch seine Arbeit heute fordere ihn jeden Tag. An die toten Tiere hat er sich längst gewöhnt. Aber Maucher sagt: „Die hatten früher alle auch mal ein Leben und eine Seele.“