Mafia hat IS als Geschäftspartner entdeckt
afia und Erdöl – diese Paarung ist neu. Selbst für AntiMafia-Ermittler, die in Italien ja einiges gewöhnt sind. Doch die italienische Polizei ermittelt jetzt auch im Fall illegaler Erdölimporte durch die organisierte Kriminalität.
„Die Bosse lassen sich immer was Neues einfallen, um viel Geld zu verdienen“, erklärt Enzo Ciconte, der an der Universität Rom Mafiakunde unterrichtet und ein Experte der kalabresischen ’Ndrangheta ist, „jener Mafiaorganisation, die seit einigen Jahren am meisten Geld verdient“. Bisher waren die „klassischen“Arbeitsfelder der Handel mit Drogen aus Südamerika und Afghanistan sowie mit Menschen und Waffen, Schutzgelderpressungen und die illegale Entsorgung von Müll. Doch wie jüngste Untersuchungen belegen, versuchen sich die Bosse jetzt auch auf dem Erdölmarkt und als Kunden des „Islamischen Staats“. Milliarden Euro Steuerausfälle Italien spielt seit Jahren eine besondere Rolle im Schwarzmarkt-Business mit Erdöl. So kommen Benzin und Diesel aus osteuropäischen Staaten nach Italien und werden über Tankstellen verkauft. Vorsichtigen Schätzungen der Anti-Mafia-Polizei zufolge entgehen dem italienischen Staat auf diese Weise Steuereinnahmen von mindestens vier Milliarden Euro – pro Jahr.
UN-Inspektoren fanden jetzt heraus, dass von Libyen aus nicht nur Flüchtlinge von Schlepperorganisationen ins nahe Italien gebracht werden, sondern auch Öl. Ein Handel, der wahrscheinlich von IS-Milizen organisiert wird, mit denen italienische Mafiabosse Geschäfte machen. UN-Berichten zufolge wird der Rohstoff in jenen Gebieten gefördert, die von bewaffneten Terrorgruppen kontrolliert werden. In den Häfen werden die Verantwortlichen geschmiert. Kleine Frachtschiffe bringen das Erdöl dann zu Tankern, die auf Staaten wie Panama und Zypern gemeldet sind. Die Fracht wird umgeladen und nach Italien, vor allem nach Sizilien, gebracht. „Dass auch dort“, so Mafia-Fachmann Enzo Ciconte, „die Hafeninspektoren geschmiert werden, ist nicht auszuschließen.“Dem italienischen Staatsanwalt Franco Roberti zufolge könne man von einem „perfekt funktionierenden Deal“sprechen, „der sich vor allem auf zwei Produkte konzentriert: auf Erdöl und auf Drogen“.
Italienische Ermittler entdeckten in den vergangenen Monaten bei Kontrollen in Raffinerien, dass in ganz Italien Erdöl auch aus vom IS besetzten Gebieten im Irak und in Syrien verarbeitet wird. Ein weiteres Indiz: Die allgemeinen Verarbeitungsmengen sind weit größer, als offiziell angegeben wird. Woher kommt also dieses Rohöl? Benzin vom „Islamischen Staat“in italienischen PKWs? Eine, so die Tageszeitung „il manifesto“, „erschreckende Vorstellung“.
Den italienischen Behörden geht es um mehr als nur um Steuerhinterziehung. „Tatsache ist, dass die Mafia unsere Gesellschaft immer mehr unterwandert“, so der Mafiaexperte und Starjournalist Roberto Saviano, „und wenn sie das jetzt auch noch mithilfe der IS-Terroristen tut, bekommt man echt Angst.“