Deutsche Industrie sucht den Superkanzler
Schaulaufen der Spitzenkandidaten der Bundesparteien beim BDI-Tag in Berlin
BERLIN - Einer nach dem anderen musste vorsprechen beim Tag der Deutschen Industrie am Dienstag in Berlin. Den Anfang machte am Morgen die Titelverteidigerin, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Herausforderer Martin Schulz (SPD) redete am Mittag. Auch die Spitzenkandidaten Cem Özdemir (Grüne) und Christian Lindner (FDP) durften versuchen, die rund 1500 Vertreter aus Wirtschaft und Politik von ihren Wahlkampfthemen zu überzeugen.
Die Jury im Publikum reagierte nicht nur mit unterschiedlich langem Applaus auf die Ansichten der möglichen Superkanzler-Kandidaten. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) gab den Bundesparteien gleich 173 Empfehlungen für den Wahlkampf mit auf den Weg. Im Mittelpunkt stehen Steuern, Energie und Digitalisierung.
„Die gute Wirtschaftslage ist kein Freifahrtschein zum Ausruhen“, sagte der BDI-Präsident Dieter Kempf. „Unser Erfolg ergibt sich auch aus einem schwachen Eurokurs, einem moderaten Ölpreis und einer expansiven Geldpolitik der Europäischen Zentralbank.“
Wie Martin Schulz später feststellte, hatte Angela Merkel ihre Rede zunächst als Bundeskanzlerin begonnen und dann als CDU-Vorsitzende weiter geredet. „Ich mach’s umgekehrt. Ich starte zunächst als SPDVorsitzender und rede zum Schluss als zukünftiger Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland“, sagte der SPD-Spitzenkandidat und hatte damit einen Lacher auf seiner Seite. Doch die Sympathien und Hoffnungen lagen bei der Kanzlerin.
Merkel bekräftigte, den Soli ab 2020 für alle abzuschaffen. Mehr sagte sie dazu nicht. Die CDU will den Zuschlag schrittweise bis 2030 abbauen und stellte bisher Steuerentlastungen von jährlich 15 Milliarden Euro nach 2017 in Aussicht. Die SPD will den Soli in einem ersten Schritt zunächst für untere und mittlere Einkommen auslaufen lassen und erst nach einem kurzen Übergangszeitraum für alle. Zur Finanzierung will die SPD unter anderem höhere Einkommen stärker zur Kasse bitten. Auch sehr große Erbschaften sollen stärker belastet werden. Mittelständische Firmen belastet Das gefällt dem BDI nicht: Er befürchtet, dass davon viele mittelständische Unternehmen belastet werden. Merkel erntete hingegen Beifall, an der Erbschaftsteuer erst einmal nicht rühren zu wollen. Eine Wiederbelebung der Vermögensteuer sei zudem das absolut falsche Signal.
Auch das Rentensystem sei dank der Reformen der vergangenen Jahre stabil aufgestellt, so die Kanzlerin: „Es gibt aus unserer Sicht bis 2030 keine Notwendigkeit, das Rentensystem jetzt wieder zu verändern.“Vor weiteren Rentenkorrekturen warnt auch der BDI. Beim Thema Steuern forderte BDI-Präsident Kempf eine „längst fällige Strukturreform“, das heißt zum Beispiel das Auslaufen des Solidaritätszuschlags ab 2018 sowie eine steuerliche Förderung von Forschung und Entwicklung.