Beziehung soll noch enger werden
Warschau und Berlin betonen Willen zur Zusammenarbeit
BERLIN/WARSCHAU - Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat bei ihrem Besuch in Polen auf die Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien gepocht. Die polnische Regierungschefin Beata Szydlo signalisierte Polens Willen zur Zusammenarbeit mit Deutschland und der EU. Polens nationalkonservative Regierungschefin hieß Merkel „innig willkommen“, betonte zuerst die Gemeinsamkeiten und sprach von Deutschland als „wichtigem Partner“. Die Beziehung solle vertieft und noch enger werden, sagte sie. Im Anschluss traf Merkel Präsident Andrzej Duda.
Zwischen Deutschland und Polen gibt es noch immer Unstimmigkeiten. Merkel betonte ihre besondere Verbundenheit mit Polen. Doch sie ließ auch die von vielen erwarteten mahnenden Worte zu Warschaus antidemokratischen Reformen fallen. Eingriffe in Justiz und Medienfreiheit hatten das deutsch-polnische Vertrauensverhältnis seit Amtsantritt der nationalkonservativen Partei Recht und Gerechtigkeit PiS strapaziert.
„Ich will noch einmal sehr persönlich sagen, dass ich als junger Mensch immer mit großer Aufmerksamkeit auf das, was in Polen vor sich gegangen ist, geschaut habe“, sagte Merkel. „Solidarnosc hat auch mein Leben geprägt und ohne die Solidarnosc wäre vielleicht weder die europäische Einigung und das Ende des Kalten Krieges so schnell gekommen noch die deutsche Einheit“, erklärte Merkel mit Blick auf die polnische Gewerkschaft, die zur politischen Wende 1989 beigetragen hatte. „Aus dieser Zeit wissen wir, wie wichtig plurale Gesellschaften sind, wie wichtig eine unabhängige Justiz und Medien sind, denn das hat alles damals gefehlt.“
Wie wichtig ist Polen für die Europäische Union? Für Deutschland ist Polen im Osten der EU so wichtig wie Frankreich im Westen. Funktioniert diese Achse, ist viel für den Zusammenhalt der EU getan. Dass Deutschland und Polen in der Flüchtlingspolitik gespalten sind, ist auch ein Problem für die EU, weil Polen mit mittel- und osteuropäischen EU-Partnern einen Block bildet, den Deutschland nicht aufweichen kann. Merkel sucht einen engen Draht zu Warschau, weil sie nach dem Votum der Briten zum Austritt aus der EU die anderen 27 Staaten dringend zusammenhalten will.
Warum ist ein guter Draht zu Berlin auch für Warschau wichtig? Der EU-Austritt Großbritanniens bringt Polen um seinen nach eigenen Angaben wichtigsten EU-Verbündeten, der mit Forderungen nach mehr Souveränität der Parlamente und als Land außerhalb der Eurozone ähnliche Ansichten vertrat. Polen muss sich um ein besseres Verhältnis zu Berlin und Paris bemühen, die es für seine Europa-Politik braucht. Trotz Differenzen bei der Flüchtlingspolitik haben Warschau und Berlin viel gemeinsam – nicht zuletzt ihre kritische Haltung gegenüber Russland, von dem sich Polen seit Ausbruch der Ukraine-Krise bedroht fühlt.
Polen kann sich nämlich auch auf die Unterstützung seines wichtigen Militärpartners USA nicht mehr unbedingt verlassen. Präsident Donald Trump machte widersprüchliche Angaben zur Nato, für deren verstärkte Präsenz im Land sich Polen eingesetzt hatte, und will die Beziehungen zu Moskau verbessern. Mit seinen Visegrad-Partnern (V4) Tschechien, Slowakei und Ungarn hat Polen mehr Differenzen als Interessen. Einig sind sich diese Länder in ihrer Ablehnung der europäischen Flüchtlingspolitik.
Wie sehr will Polen sich in die EU integrieren? Was Polens zukünftige Rolle in der EU und das sogenannte „Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten“anbelangt, verstricken sich die Nationalkonservativen laut Experten in Widersprüche. Einerseits will Polen in der EU nicht marginalisiert werden, andererseits aber möglichst wenig Einmischung von außen. Die PiS wolle in erster Linie ungestört ihre Innenpolitik fortsetzen, vermuten Politologen. Dies stelle die PiS vor ein großes Problem, Es geht um ein mögliches Konzept, bei dem es künftig eine Gruppe von Ländern geben könnte, die bei der europäischen Zusammenarbeit schneller voranschreitet als andere.