Singen und Tanzen für Vielfalt
Sieben Golden Globes für „La La Land“erinnern an das, was Hollywood einmal war
Sieben auf einen Streich: Aus sieben Nominierungen machte der junge Regisseur Damien Chazelle gleich sieben Preise – ein erstaunlicher Trophäenregen für „La La Land“, ein Hollywood-Musical voller Romantik und Nostalgie. Das war natürlich ein Triumph, ergänzt durch den Sieg von Isabelle Huppert und ihren Film „Elle“, der nicht völlig unverdient den deutschen Beitrag „Toni Erdmann“im Rennen um den „Besten ausländischen Film“ausstach.
Das eigentliche Ereignis des Abends war aber die Preisrede von Meryl Streep. Nicht weil sie öffentlich Tränen vergoss – so etwas kann die Streep seit der Schauspielschule – , sondern weil sie Substanzielles zu sagen hatte: „Der Instinkt, andere zu demütigen, zieht in den Alltag von uns allen.“Streep kritisierte den gewählten US-Präsident Donald Trump und warb für Toleranz und Vielfalt. „La La Land“der in dieser Woche in Deutschland startet, ist tatsächlich ein Film voller Vielfalt, aber auch voller Nostalgie.
„Presented in Cinemascope“– breit erscheint die Formel auf der Breit-Leinwand, ein erster Nostalgiereflex und Verweis auf jene Tage, als nicht nur Hollywood besser war. Dann sind drei Takte Tschaikowsky zu hören, danach eine Radioansage, die einen Verkehrsstau ankündigt, und schon sieht man Hunderte von Autos auf einem Freeway stehend an einem brütend-heißen Sommertag in Los Angeles.
Ein Film voller Wow-Momente Kaum ist die Radioansage vorbei, verlässt eine Frau das Auto – und fängt an zu singen. Ein paar Sekunden später steigen zwei, drei weitere Personen aus ihren Autos, und singen mit, und ein paar weitere Sekunden später tanzen dann zig Leute um ihre Autos herum, in den Autos, auf deren Dächern. Teilweise synchron im Rhythmus, teilweise sehr individuell. Eine glänzend choreografierte Massenszene, gefilmt von einer frei gleitenden, aus Dutzenden Perspektiven blickenden Kamera. Ein erster Wow-Moment, dem viele weitere folgen. Die Musik ist nicht richtig alt und nicht richtig neu, verbindet Nostalgie und Gegenwart.
Diese atemberaubende Eröffnungsszene kopiert ganz offen die Musicals des Franzosen Jacques Demy. Man muss dessen „Demoiselles de Rochefort“aber nicht lieben, und die „Parapluis de Cherbourg“nicht gesehen haben, um diesen Film zu verstehen und wertzuschätzen. Wenn man es kennt, hilft es, weil man dann gleich die Künstlichkeit, die Märchenhaftigkeit und den emotionalen Realismus dieses Films einschätzen kann. Denn Demy hat die in der Regel relativ starre Musical-Kamera mobilisiert, und mit komplexen Kränen, Schienenkonstruktionen und anderem in Bewegung gebracht, zugleich auf schnelle Schnittfolgen verzichtet – zugunsten langer Einstellungen. Das schafft mehr Intensität, macht den Zuschauerblick persönlicher.
Erzählt wird von zwei verlorenen Seelen in L. A., die für Ingrid Bergman und James Dean schwärmen und von einer Künstlerkarriere träumen. Emma Stone und Ryan Gosling spielen die beiden. Goslings Charakter ist ein Jazzfan, Stones Figur eine erfolglose Schauspielerin. Beide erfahren, dass ihre Sehnsucht nach Liebe und Glück den Erfolg in der Traumfabrik behindert. So sind sie hin- und hergerissen. Mal steht hier die ganz Welt still, bis auf beide Hauptfiguren, mal turteln beide unter einem künstlichen Sternenhimmel – und heben ab, fliegen im Raum umher.
Kino ist hier prachtvoller Eskapismus und fraglos ist „La La Land“eines der besten Musicals seit vielen Jahren. In seiner ganzen Einfachheit und Klarheit, zugleich in seiner Künstlichkeit ist dieser Kinofilm ganz weit weg war von allem Mainstream, von all der billigen Unterhaltung, mit der das Publikum heute auf den niedrigsten gemeinsamen Nenner herunter verdummt wird.
„La La Land“macht großen Spaß und ist unbedingt eskapistisch, schlicht ist es gerade darum aber nicht. Eine Dialogzeile signalisiert die Haltung Chazelles ganz klar: „Are the people gonna like it?“– „Fuck them!“(Wird es den Leuten gefallen? Scheiß auf sie.)
„La la Land“, Regie: Damien Chazelle, 127 Minuten, FSK: 0 J., mit: Emma Stone und Ryan Gosling.