Kretzschmar: Handballverband hätte um Sigurdsson kämpfen müssen
Der frühere Weltklassespieler wirft dem DHB Schlafmützigkeit vor, Liga-Boss Schwenker ist nach dem TV-Deal frustriert
BERLIN (dpa/SID/sz) - Ex-Nationalspieler Stefan Kretzschmar hat den Deutschen Handball-Bund wegen des baldigen Abgangs von Nationaltrainer Dagur Sigurdsson kritisiert. „Der DHB hat nie ausreichend um den Verbleib von Sigurdsson gekämpft“, sagte der 43-Jährige der „Welt am Sonntag“. „Im Gegenteil: Als es hieß, Sigurdsson würde seine Ausstiegsklausel ziehen und nach der WM gehen, wurde das relativ schnell akzeptiert.“
Der Verband hätte dem Trainer die Klausel nach dem EM-Titelgewinn im vorigen Jahr abkaufen müssen, meinte der frühere Weltklasse-Linksaußen. Der Vertrag des Isländers lief eigentlich noch bis 2020. „Ich weiß, dass es unter allen Bundesligamanagern die Bereitschaft gegeben hätte, auch ökonomisch mitzuhelfen, um Sigurdsson im Amt zu halten. Doch beim DHB haben sie darauf scheinbar nicht gehört“, sagte Kretzschmar. Sigurdsson wird nach der am 11. Januar beginnenden Weltmeisterschaft in Frankreich neuer Nationaltrainer von Japan.
Als Nachfolgekandidaten hat der Verband Christian Prokop vom Bundesligisten SC DHfK Leipzig und den gebürtigen Meersburger Markus Baur vom TVB Stuttgart auserkoren. In seiner Funktion als Aufsichtsrat der Leipziger sagte Kretzschmar zu den anstehenden Verhandlungen zwischen DHB und Club: „Wir werden doch nicht all das opfern, was wir mühsam über Jahre aufgebaut haben, nur weil wir Gutmenschen sind und unseren Trainer liebend gern dem DHB zur Verfügung stellen. Wir werden Prokop nicht zum Nulltarif abgeben.“Wenn man die eigenen Ziele gefährdet sehe, warnte Kretzschmar, „werden wir ihn nicht gehen lassen.“
Liga-Boss Uwe Schwenker kritisiert derweil die Notlösung im Streit um die WM-Übertragungsrechte: „Vom Grundsatz her ist die Situation maximal schlecht. Der Schaden ist immens“, sagte Schwenker. Zwar ist er der DKB als Sponsor dankbar, dass sie die Spiele in Frankreich auf ihrer Internetseite überträgt. Für die Zukunft fordert er vom Weltverband IHF aber Veränderungen. „Es kommt darauf an, dass bei künftigen Vergaben von TVRechten nicht nur der schnöde Mammon im Vordergrund steht. Der Verband sägt sich sonst den Ast ab, auf dem er sitzt.“
Sigurdsson absolviert mit seinen Europameistern heute (19 Uhr/Sky) in Kassel den letzten WM-Test gegen Österreich. Bis Donnerstag muss er noch den Kader von 18 auf 16 Mann reduzieren. Der Nachbar sei ein „sehr starker Gegner. Handballerisch haben die was drauf, das zeigen sie in der Bundesliga jede Woche.“Die Vorgabe vier Tage vor dem WM-Auftakt gegen Ungarn ist klar. „Wir wollen das Spiel gewinnen und Selbstbewusstsein aufbauen für das Turnier“, sagte Kreisläufer Patrick Wiencek.