Anschlag in Israel nährt Terrorängste
Mehr als ein Dutzend Tote und Verletzte bei Attentat in Jerusalem – Soldaten als Ziel
JERUSALEM - Israelische Soldaten warten in einer Reihe vor einem Bus. Plötzlich kommt ein Lastwagen von der Seite und fährt mit Wucht in die Gruppe, es sind Teilnehmer eines Offizierskurses. Menschen liegen am Boden, unter den anderen bricht Panik aus. Doch es kommt noch schlimmer: Der palästinensische Fahrer geht in den Rückwärtsgang und fährt abermals über die schon am Boden liegenden Opfer. Drei Soldatinnen und ein Soldat sterben, 13 weitere werden verletzt.
Schon kurz nach dem Anschlag in Jerusalem kursieren die grausigen Videoaufnahmen von der tödlichen Laster-Attacke. Einige der Opfer sind unter dem schweren Gefährt eingeklemmt, müssen erst mit einem Kran befreit werden. Die Bilder sind so schrecklich, dass einige der Augenzeugen einen Schock erleiden.
Zu dem weiteren Hergang gibt es widersprüchliche Angaben: Ein Gruppenleiter sagt, einige der Soldaten hätten gezögert, auf den Attentäter zu schießen. „Ich bin auf ihn zugerannt und habe mein ganzes Magazin leer geschossen“, sagt der Mann namens Eitan dem Armeesender. Anderen Berichten zufolge hat ein Soldat ebenfalls geschossen. Bilder vom Ort des Anschlags zeigen eine von Kugeln durchlöcherte Frontscheibe des Wagens. Fall Asaria spaltet das Land Eitan sagt, er sehe als Grund für das Zögern einiger Soldaten die Verurteilung des israelischen Soldaten Elor Asaria vor ein paar Tagen. Er hatte in Hebron einen verletzten palästinensischen Attentäter getötet. „Ich habe keinen Zweifel, dass das ein entscheidender Faktor war“, sagte Eitan dem Sender. „Man sagt ihnen in letzter Zeit immer nur, sie sollten aufpassen. Es kann sein, dass die Lage mit ein paar Minuten weniger Zögern jetzt sehr viel besser wäre“, fügte er hinzu. Der Fall Elor Asaria spaltet die israelische Gesellschaft. Er hat heftige Debatten darüber in Gang gesetzt, unter welchen Umständen es erlaubt ist, auf palästinensische Attentäter zu schießen.
Wenige Stunden vor dem Attentat nimmt die Jerusalemer Polizei sieben Teilnehmer einer Solidaritätsdemonstration für den wegen Totschlags verurteilten Soldaten fest. Sie hatten die Straße vor dem Amtssitz des Staatspräsidenten blockiert, um gegen das Urteil zu protestieren. Bei einer Gegenkundgebung in Tel Aviv versammeln sich am Samstagabend mehrere tausend Demonstranten.
Israels Sicherheitskräfte fürchten eine neue Eskalation der Gewalt im gerade erst begonnenen Jahr, wie das israelische Fernsehen berichtet. Zur Frustration über den stockenden Friedensprozess kommen mögliche drastische Veränderungen der USNahost-Politik unter dem künftigen Präsidenten Donald Trump: Er hat Verständnis für Israels Siedlungsausbau geäußert und die Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem angekündigt.
Israel war in den letzten Jahren wiederholt mit Anschlägen konfrontiert, bei denen palästinensische Attentäter mit ihren Autos in Wartemengen etwa an Tram- oder Busstationen gerast waren. Meist handelte es sich um Einzeltäter ohne direkte Verbindung zu militanten Organisationen. Die islamistische Hamas rechtfertigte dennoch solche Taten. Auch am Sonntag erklärte ein Hamas-Sprecher, die „Operation“mit dem LKW zeige, dass der bewaffnete Widerstand nicht zu brechen sei.
Nach Einschätzung israelischer Experten haben derartige Anschläge zu Nachahmeraktionen animiert wie etwa im Sommer in Nizza oder kürzlich auf dem Weihnachtsmarkt in Berlin, wo zwölf Menschen bei dem Attentat mit einem Sattelschlepper ums Leben kamen. Im „Pingpong-Effekt“könnte dies auch den Jerusalemer Attentäter motiviert haben.