„Ich bin nicht der Böse“
Graf Brandenstein-Zeppelin will in Friedrichshafen Macht zurückgewinnen – Dabei steht mehr auf dem Spiel als die Zeppelin-Stiftung
RAVENSBURG - Wer im Rathaus der Stadt Friedrichshafen anruft, landet zunächst in einer Warteschleife mit einer charmanten wie ungewöhnlichen Ansage. Eine Kinderstimme sagt vom Band: „Herzlich Willkommen! In Friedrichshafen werden seit über 100 Jahren die weltbekannten Zeppeline gebaut ...“Dinge wie diese sind es, weshalb Albrecht Graf von Brandenstein-Zeppelin sagt: Friedrichshafen sei die „Stadt, die sich mit meinem Namen schmückt“.
Vom Urenkel des Grafen Zeppelin zwar unausgesprochen, aber offensichtlich gemeint, lässt sich ergänzen: Sie schmückt sich mit meinem Namen, aber verweigert mir die Gegenleistung. Meine angestammte Stellung in der Stadt. Gesellschaftlich. Rechtlich. Geschäftlich. Dafür werde ich kämpfen. Wenn es sein muss, sehr lang.
Rund einen Monat ist es her, dass Brandenstein-Zeppelin unter landesweitem Interesse beim Regierungspräsidium Tübingen einen Antrag abgab auf Wiederherstellung der ursprünglichen Zeppelin-Stiftung. Die Stiftung in ihrer heutigen Form sei 1947 unrechtmäßig zustande gekommen und verwende die Erträge entgegen dem ursprünglichen Stifterwillen, also nicht für die Luftfahrtforschung oder mildtätige Zwecke, sondern für kommunale Aufgaben. „Die Stadt hat eine mildtätige Stiftung für die Daseinsvorsorge missbraucht“, sagt der Graf. Graf will Einfluss bei ZF Setzt er sich durch, wäre Friedrichshafen seiner Geschäftsgrundlage, seiner Lebensader beraubt, fließen doch jährlich mittlere zweistellige Millionensummen aus der Stiftung in Kindertagesstätten, Schwimmbäder, Vereine und vieles mehr. Dramatisch genug für die Stadt. Doch einen Monat nach dem offiziellen Aufschlag wird immer deutlicher: Der Graf will es nicht beim Paradigmenwechsel in der Stiftung belassen. Es geht auch um Einfluss beim Technologiekonzern ZF. Und es geht um Schadenersatzforderung gegenüber der Stadt.
Diese Woche bei der „Schwäbischen Zeitung“in Ravensburg: Brandenstein-Zeppelin kommt mit seinem Medienberater. Gedeckter Anzug, Stecktuch, die grauen Haare sauber gescheitelt. Der Graf vermag laute Dinge eher gelassen, aber sehr bestimmt zu äußern. Auf die Frage, ob er Einfluss auf die ZF gewinnen will, sagt er: „Dass die Familie des Stifters einen bemerkenswerten Einfluss auf die Stiftungsorgane hat, ist ausdrücklich Teil des Stifterwillens.“
„Etwas als richtig Erkanntes zäh zu
verfolgen.“
Lebensmotto des Grafen von
Brandenstein- Zeppelin Faustpfand der Stadt Was sich wie selbstverständlich anhört, muss bei Stadt und ZF Alarm auslösen. War oder ist man sich doch sicher, sich 1990 dem Einfluss des Grafen entzogen zu haben. Damals gab die Familie ihre ZF-Anteile von 7,5 Prozent an die ZF-Stiftung ab (die Stiftung hält heute 93,8 Prozent der Aktien der ZF AG). In diesem Zusammenhang unterschrieb der Graf eine Erklärung, künftig auf alle Rechte auf die Stiftung zu verzichten. Dieses Dokument dürfte das Faustpfand der Stadt sein. Der Graf aber zweifelt es an, fühlte sich damals mehr oder weniger erpresst: „Eine Stadtverwaltung darf keinen Verzicht auf Rechte an der Zeppelin-Stiftung verlangen, wenn der Bürger lediglich einen Teil seiner Aktien an die Stadt veräußern will.“Der Graf spricht von einem rechtswidrigen Koppelungsgeschäft. Würde ein Gericht dieser Sicht folgen, wären die Konsequenzen weitreichend: Das damalige Geschäft wäre nichtig – und der Graf würde auf die Rückgabe von 7,5 Prozent an der ZF pochen. Verbunden mit einem Sitz im Aufsichtsrat. Schadenersatzforderungen drohen Für die Stadt Friedrichshafen wäre die Sache damit aber nicht ausgestanden. Steht doch neben einem Koppelungsgeschäft die jahrzehntelange zweckentfremdete Nutzung von Stiftungsgeldern im Raum. Der Graf sagt: „Grundsätzlich ist die Stadt hier dem Stiftungsvermögen gegenüber schadenersatzpflichtig.“
Auflösung der Zeppelin-Stiftung in ihrer heutigen Form. Rückgabe der ZF-Anteile. Schadenersatzforderungen an die Stadt. Graf BrandensteinZeppelin dreht ein großes Rad. Dass es ihm gelingen kann, darf man ihm zutrauen. Der 65-jährige Jurist ist ein erfolgreicher Geschäftsmann, sein Schwerpunkt liegt in Forst- und Landwirtschaft. Das „Manager Magazin“listete ihn 2013 auf Platz 493 der 500 reichsten Deutschen mit einem Vermögen von geschätzten 250 Millionen Euro. 2005 war Brandenstein-Zeppelin als Gesellschafter maßgeblich an Verhandlungen und Verkauf des Motoren- und Turbinenherstellers MTU an Daimler-Chrysler beteiligt. Die „Financial Times Deutschland“(FTD) schrieb damals über den Grafen: „Am Verhandlungstisch ist der Rechtsanwalt knallhart und mit allen Wassern gewaschen.“Ein nicht näher benannter MTU-Mann wird zitiert: Wenn es „um Geld geht, wird er gierig“. Übertitelt ist der Artikel: „Albrecht Graf von Brandenstein-Zeppelin: Gewinnmaximierer“. Stichwort Gewinnmaximierer: Allein für sein Zeppelin-Archiv soll er einst zwi- schen 80 und 150 Millionen Euro von der Stadt verlangt haben, worauf die Verhandlungen scheiterten.
Die Bezeichnung „Gewinnmaximierer“gefällt dem Grafen nicht, vielmehr habe er für alle Beteiligten und vor allem für die MTU-Mitarbeiter die beste Lösung finden wollen. Was ihn am Verhandlungstisch und anderswo auszeichnet, hat er der „Schwäbischen Zeitung“einmal so erklärt: „Etwas als richtig Erkanntes zäh zu verfolgen.“Auch hier dürften bei der Stadt Friedrichshafen und bei ZF die Alarmglocken klingeln.
Eine andere Aussage aus dem „FTD“-Artikel will der Graf ebenfalls korrigieren: Seine Persönlichkeit, heißt es dort, sei „die widersprüchliche Mischung aus Geldgier und starkem katholischen Glauben“. Ist allein das übermäßige geschäftliche Streben mit der Nächstenliebe eines Katholiken für viele Gläubige nicht in Einklang zu bringen – Brandenstein-Zeppelin sieht hier keinen Widerspruch. Auch nicht angesichts der Tatsache, dass der in Mittelbiberach in einem Schloss Residierende nicht nur einem „starken katholischen Glauben“folgt, sondern bisweilen extreme Positionen einnimmt. Über das Ziel seines Lebens sagt er: „Ich möchte so
„Mit der vom Grafen ausgelösten Diskussion und Unruhe kann ZF nicht zufrieden sein.“
transparent gegenüber Gott sein, dass er noch größere Wunder durch mich wirken kann, als er sie selber vollbracht hat.“Über den Internetkanal „Kathtube“verbreitet er seine Reden über den „Sinn des Lebens“oder „Fatima, Medjugorje und die Weltpolitik“.
Mit dem Industriellensohn und Schulfreund Hubert Liebherr hat er einst den Verein „Medjugorje Deutschland“gegründet. Medjugorje ist ein Pilgerort in Bosnien-Herzegowina mit angeblichen Marienerscheinungen, den die römisch-katholische Kirche nicht anerkennt, eine dahingehende Prüfung des Vatikans läuft seit Jahren. Kürzlich soll der Papst über die Medjugorje-Anhänger von „Christen ohne Christus“gesprochen haben und von einem „Offenbarungsspektakel“.
Des Grafen religiöse Überzeugungen fließen auch in sein politisches Engagement. So organisiert er Fahrten nach Stuttgart zu Demonstrationen gegen den Bildungsplan und die Absicht der Landesregierung, Homosexualität in den Schulen stärker zu thematisieren, sagt dort: „Homosexuelle Liebe ist eine schwere Sünde.“Für aufgeklärte Menschen
Stefan Sommer, Vorstandsvorsitzender der ZF harter Stoff, allerdings darf man sich den Grafen nicht als jemanden vorstellen, der Homosexuellen die Hand verweigert oder seine Anliegen mit Schaum vor dem Mund vorträgt. Im Gegenteil. „Er will niemandem seine Ansichten aufzwingen“, hat mal jemand gesagt. Er will überzeugen, ruhig, beharrlich und in fester Überzeugung, das Richtige zu tun.
„Ich bin nicht der Böse“, sagt er in diesem Sinne und fordert die Stadt Friedrichshafen sowie die ZF zum Einlenken auf, möglicherweise zum Kompromiss. Zu einem ersten Treffen mit Stefan Sommer, Vorstandsvorsitzender der ZF, kam es kürzlich, in „sachlicher und konstruktiver Atmosphäre“, so der Graf. Aber ergebnislos, was sich aus den Worten Sommers herauslesen lässt: „Mit der vom Grafen Brandenstein-Zeppelin ausgelösten Diskussion und Unruhe kann ZF nicht zufrieden sein.“Und: „Die Diskussion um die Zeppelin-Stiftung bindet bei ZF unnötig Kapazitäten, die wir besser einsetzen könnten ...“
Ein ZF-Sprecher ergänzt: „Unsere Position war und ist eindeutig: Wir sind zufrieden mit der bestehenden Gesellschafterstruktur von ZF.“Mit anderen Worten: Für den Grafen ist bei ZF kein Platz. Somit spricht vie- les für einen harten und langen juristischen Konflikt.
Wohl erst im nächsten Jahr wird sich das Regierungspräsidium äußern, wie es zu dem 200 Seiten starken und generalstabsmäßig vorbereiteten Antrag des Grafen auf Restituierung der Zeppelin-Stiftung steht, ob es sich überhaupt für zuständig erklärt. Der nächste Schritt wäre dann das Verwaltungsgericht. Chancen stehen juristisch 50 : 50 Der Graf ist zweifellos eine schillernde und widersprüchlige Figur mit teils grenzwertigen Positionen. Um den vorliegenden Fall zu beurteilen, sollte man allerdings die Person von der Sache trennen. Das Konstrukt der Zeppelin-Stiftung, mit seiner kommunalen Verwaltung, ist einzigartig und wurde genauso wie die Verwendung der Stiftungsgelder über die Jahrzehnte immer wieder in Zweifel gezogen, nicht nur vom Grafen, sondern auch vom Rechnungshof und anderen. Juristen sind sich einig, dass eine endgültige rechtliche Klärung der Causa nötig ist – mit ungewissem Ausgang. Die Chancen, heißt es, stehen 50 : 50.
„Homosexuelle Liebe ist eine schwere
Sünde.“
Albrecht Graf von Brandenstein- Zeppelin Entfremdung und Zerwürfnis Nach außen gibt sich die Stadt Friedrichshafen gelassen in diesem historischen Konflikt. Die Rechtslage sei „eindeutig und spricht klar für die Zeppelin-Stiftung in ihrer jetzigen Form“. Allerdings könnte die Stadt sich auch fragen, wie es erst zur Entfremdung und nun zum Zerwürfnis mit dem Nachfahren jenes Mannes kam, über den Friedrichshafen sich bis heute definiert und von dem sie finanziell profitiert.
War es seine adelige Erscheinung, sein selbstbewusstes Auftreten im Wissen, einen berühmten Namen zu tragen, die zu Irritationen und Abgrenzung führte? Verbunden mit seinem religiösen Furor?
Der Graf selber sagt dazu: Bei der Stadt gebe es „eine mögliche Haltung des schlechten Gewissens“. Ein schlechtes Gewissen, im Bewusstsein sich gegenüber der Familie Brandenstein-Zeppelin über die Jahrzehnte unrechtmäßig verhalten zu haben.
So oder so, der Graf wird sich in dieser Sache treu bleiben: „Etwas als richtig Erkanntes zäh zu verfolgen.“Damit sich eines Tages nicht nur die Stadt mit seinem Namen schmückt, sondern auch umgekehrt.