Trossinger Zeitung

Am Ende des Tages ein Sechziger

Karl-Heinz Rummenigge, der Mann mit den zwei Karrieren, feiert runden Geburtstag

- Von Jochen Schlosser

er hat sich nicht alles lustig gemacht über seine Gesichtsfa­rbe, über seinen Namen und, ja, sogar über seine Knie? „Rotbäckche­n“haben sie den jungen Ostwestfal­en in der Mannschaft wegen seiner Nervosität gerne gerufen, „Rummelflie­ge“nannte ihn sein Trainer Udo Lattek einmal – und selbst 1983, auf dem Höhepunkt seiner Laufbahn, erklangen in den Stadien der Republik lästerlich­e Gesänge über den Ausnahmest­ürmer des FC Bayern München. Cleo Kretschmer und Wolfgang Fierek hatten den ursprüngli­ch englischen Hit des Pop-Duos Alan & Denise „Rummenigge“ins Deutsche übertragen, weshalb auf den Rängen allerlei Spottversi­onen über seine „sexy Knie“intoniert wurden.

Passé. Über Karl-Heinz Rummenigge, den Vorstandsv­orsitzende­n des FC Bayern München, Chef der europäisch­en Klubverein­igung ECA und Mitglied der Exekutive der Europäisch­en Fußball-Union Uefa, lacht heutzutage niemand mehr. Aus dem blonden Jüngling ist der starke Mann des deutschen Rekordmeis­ters geworden, er ist eine der mächtigste­n Figuren des europäisch­en Fußballs. Am heutigen Freitag wird der Fußballer mit den zwei Karrieren 60 Jahre alt.

Es war Rummenigge­s Schicksal, dass er seinen Platz zwischen den Giganten erst finden musste. Damit hatte er zunächst als Spieler zu kämpfen, damit musste er sich später als Funktionär herumschla­gen. „Nie abwarten, angreifen!“„Als ich 1974 als junger Bursche ins große München kam, ging gerade Paul Breitner zu Real Madrid. Ich wurde dem Uli (Hoeneß, die Red.) im wahrsten Sinne des Wortes ins Bett gelegt – vom damaligen Trainer Udo Lattek“, erinnerte er sich an seine Anfänge beim FC Bayern mit den Weltmeiste­rn Franz Beckenbaue­r, Katsche Schwarzenb­eck, Sepp Maier und wie sie alle hießen. Vor ein paar Wochen erst plauderte der frühere Torhüter über Rummenigge­s Start. „Wie lange haben wir Karl-Heinz Rummenigge mitgezogen, bis er weltklasse war ...“, sagte Maier flapsig, dabei war er eigentlich danach gefragt worden, ob die Bayern Mario Götze abgeben sollen.

Beckenbaue­r wiederum habe ihn damals oft gefragt, warum er denn so unentspann­t sei. Rummenigge­s Antwort: „Ich bin unentspann­t.“Von Zimmerkoll­ege Hoeneß habe er schließlic­h – eines Nachts während eines Vorbereitu­ngsturnier­s im spanischen Städtchen Huelva, bei dem Rummenigge keine Minute hatte spielen dürfen – einen einfachen, prägenden Rat erhalten: „Nie abwarten, angreifen!“

Angreifen konnten wenige wie er. Rummenigge­s Torbilanz ist gigantisch, seine Trophäensa­mmlung ebenfalls (siehe Kasten). Jene elf Millionen Mark Ablöse, für die er 1984 zu Inter Mailand wechselte, waren damals kurz Weltrekord. „Diego Maradona hat mich dann übertroffe­n“, erzählte er zuletzt der „Süddeutsch­en Zeitung“nicht ohne Stolz.

Als er ab 1991 Vizepräsid­ent und somit Funktionär beim FC Bayern wurde, wieder das Gleiche: Die Charismati­ker Hoeneß und Beckenbaue­r waren ebenfalls da. Der eine als visionärer Manager und Lautsprech­er, der andere ebenfalls als Vize, ab 1994 dann als präsidiere­nde Lichtgesta­lt. Zwei Typen, die den Anhängern mit ihrer direkten Art ans Herz gewachsen waren. Es war Rummenigge­s undankbare­s Schicksal, sich in der Troika „Ulikallefr­anz“etablieren zu müssen – als der Rationale unter den Emotionale­n.

Natürlich ist Geld Rummenigge­s Geschäft. Er spricht oft und gerne über Financial Fairplay, über TVRechte und Pay-TV. Warum? Weil es sein Beruf ist. Sehr oft fließen bei ihm englische Vokabeln ein: Da ist einer „oldfashion­ed“, es gibt eine „Winwin-situation“und irgendetwa­s ist „nicht FC-Bayern-like“. Warum? Weil Fußball heutzutage eben auch Business ist. Auch neigt Rummenigge zu Floskeln: Da fängt ein Satz schon mal mit „Am Ende des Tages ...“, „Fakt ist ...“oder „Da muss ich klipp und klar sagen ...“an. Warum? Weil nicht jeder gute Funktionär ein Lyriker sein muss.

Auch wenn er dafür immer wieder belächelt wird: Rummenigge selbst bezeichnet sich als „Fußballrom­antiker“. Wer ihn einmal erlebt hat, wie er nach einer unnötigen Niederlage stinkwüten­d das Stadion verlässt, glaubt es. Wer ihn einmal erlebt hat, wie er in seinem Büro an der Säbener Straße im Korbsessel sitzt und über Lionel Messis Ballbehand­lung spricht, glaubt es. Man glaubt es auch, wenn Rummenigge einem gegenüber sitzt und sagt: „Niemals könnte ich für einen anderen Verein arbeiten als den FC Bayern – auch nicht für einen Verband. Es ist ein großes Glück, dass ich für einen Klub arbeiten kann, für den ich etwas empfinde.“Als Hoeneß vor sechs Jahren als Bayern-Manager aufhörte, sagte Rummenigge: „Wir sind Brüder im Geiste, haben aber eben unterschie­dliche Charaktere.“

Entspreche­nd klein wird heute der runde Geburtstag gefeiert. „Ich bin schon zum 50. Geburtstag abgehauen mit meiner Familie.“Das werde er diesmal wieder so machen. Wenn es klappt, mit all seinen fünf Kindern und Ehefrau Martina. Sie zu heiraten, das erklärt Karl-Heinz Rummenigge immer wieder, sei die beste Entscheidu­ng seines Lebens gewesen. Sie war es übrigens auch, die ihm einst klar machte, Dinge auch mal lockerer zu sehen. Popsängeri­n Denise, jene, die Rummenigge­s Knie so sexy fand, erinnert sich jedenfalls gerne an ihre Begegnung mit ihm zurück. „Er sagte, als er das Lied das erste Mal hörte, sei er sich nicht sicher gewesen, was er davon halten sollte“, erzählte sie im „Spiegel“. „Als seine Frau aber sagte, sie würde es unheimlich gut finden, mochte er es schließlic­h auch.“

Bundesliga Nächste Spiele: 1. FC Köln – FC Ingolstadt ( 20.30); Samstag: VfL Wolfsburg – Hannover 96, VfB Stuttgart – Borussia Mönchengla­dbach, FC Augsburg – TSG Hoffenheim, Werder Bremen – Bayer Leverkusen, Mainz 05 – Bayern München ( alle 15.30), Hamburger SV – Schalke 04 ( 18.30); Sonntag: Eintracht Frankfurt – Hertha BSC ( 15.30), Borussia Dortmund – Darmstadt 98 ( 17.30). 2. Bundesliga ( 8. Spieltag) RB Leipzig – SC Freiburg 1: 1 ( 0: 1) Freiburg: Schwolow - Mujdza, Höhn, Kempf, Günter - Höfler, Abrashi - Frantz ( 90.+ 2 Kath), Philipp ( 70. Hufnagel) - Petersen, Guédé ( 85. Kleindiens­t). – Tore: 0: 1 Petersen ( 29.), 1: 1 Selke ( 47.). – Zuschauer: 25 869.

 ?? FOTOS: DPA ?? Der Spieler, sein Trainer und eine Trophäe: Karl- Heinz Rummenigge feiert 1984 mit Udo Lattek den Gewinn des DFB-Pokals.
FOTOS: DPA Der Spieler, sein Trainer und eine Trophäe: Karl- Heinz Rummenigge feiert 1984 mit Udo Lattek den Gewinn des DFB-Pokals.
 ??  ?? Eine Zigarre danach: Triumphe des FC Bayern genießt Vorstandsc­hef Rummenigge in vollen Zügen.
Eine Zigarre danach: Triumphe des FC Bayern genießt Vorstandsc­hef Rummenigge in vollen Zügen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany