Warum Miss Hochwald so viele Leute anlockt
Bei der Tierschau in Kell am See war trotz ungünstigem Termin wieder jede Menge los. Es sind nicht allein die Tiere, die Menschen dazu bringen, die einzigartige Veranstaltung zu besuchen.
Die Melkmaschine am Euter, die Schnauze im Heu – so sehen Siegerinnen aus. Die neue Miss Hochwald heißt Sidonie, ist schwarzweiß gescheckt, knapp vier Jahre alt und kommt aus Damflos vom Hof von Axel und Nadine Hemmes. Nach der Siegerehrung wird sie erstmal gemolken, denn die Kühe sollen für die Bewertung ein pralles Euter haben, weshalb das Melken am Morgen ausgefallen ist.
Bereits 2017 und 2022 hat Familie Hemmes die Auszeichnung der Verbandsgemeinde-Tierschau in Kell am See mit nach Hause genommen. Nadine Hemmes sagt: „Wir sind erstaunt, normalerweise sind die Siegerinnen älter.“Es ist also gerade umgekehrt wie bei anderen Misswahlen hierzulande. Miss Hochwald hat zwei Mal gekalbt und ihre bisherige Lebensleistung besteht aus etwa 22.000 Litern Milch, bis zu 50 Litern pro Tag.
Bei den Pferden können die Sieger nicht mit Zahlen beeindrucken. Dafür mit elegantem Körperbau, der sich auch Laien erschließt. Die Miss Hochwald bei den Pferden ist ein graziles Warmblut in edlem Braun: Candy Camarga von Züchter Alfred Kohn aus Vierherrenborn. Die mit vier Jahren junge Stute hat in diesem Jahr bereits einen Freisprungwettbewerb gewonnen, wie ihr Besitzer verrät. Bei den Kleinpferden hat Sweety, ein deutsches Reitpony von Manfred Wagner aus Irsch, überzeugt. Zur Belohnung geht es für Candy Camarga flott nach Hause auf die Wiese, denn so eine Schau ist für die Tiere auch anstrengend.
Nicht nur, dass die Sonne am Montag ganz schön sticht. Auch die Fliegen machen den Vierbeinern zu schaffen. Und dann sind da auch noch die vielen Menschen. Bis zu 2000 Besucher werden regelmäßig bei der Tierschau geschätzt, diesmal sind es wohl etwas weniger. Walburga Meyer, Geschäftsführerin der Keller Touristinformation, die die Schau organisiert, sagt: „Es ist guter Betrieb, aber die schulpflichtigen Kinder fehlen.“Der Grund: in ihrem 62. Jahr fällt die Tierschau just auf den ersten Schultag.
Deshalb ist auch das Feld bei den sogenannten Jungzüchtern in diesem Jahr sehr überschaubar, es besteht aus ganzen drei Vorschulkindern. Dafür sind die drei Mädchen im Alter von vier und fünf Jahren mit ihren wenige Wochen alten und schon auch mal ein wenig störrischen Kälbchen die heimlichen Stars.
Als sie wie die Großen ihre Vorführrunden drehen, ist der Ring rundum voll mit Zuschauern. Diese applaudieren auch kräftig und lachen wohlwollend amüsiert, als die kleine Svea auf die Frage nach dem Namen der Mutter ihres Kälbchens frei heraus antwortet: „Ähm, ich weiß es schon wieder nicht!“
Doch nicht nur die Nachwuchskräfte sind bei dieser Tierschau weniger als sonst, die Zahl der Rinderzüchter ist mit sieben diesmal recht niedrig. Der Grund dafür ist eine gewisse Verunsicherung bei den Züchtern durch die für den Menschen ungefährliche Blauzungenkrankheit, die derzeit in ganz Deutschland auftritt. Diese Krankheit, die bei Kühen zu Fieber und einer geringen Milchleistung führt und durch blutsaugende Mücken übertragen wird, hat letztlich jedoch keine Auflagen für die Tierschau zur Folge gehabt.
Frank Tapprich, Züchter aus Vierherrenborn, schätzt, dass im kommenden Jahr wieder mehr Rinderhalter nach Kell kommen. Für ihn ist die Tierschau eine Tradition, an der er festhält. Doch will er auch „im Vergleich zu den anderen sehen, wie er züchterisch so dasteht“.
Doch was bringt eigentlich NichtLandwirte dazu, zur Tierschau, dem Höhepunkt der Keller Kirmes, zu kommen? Susanne Jakobs sagt: „Wir kommen immer hierher, um die Tiere zu gucken. Wir haben selbst Hühner und wollen mit den Kindern auch noch eine Runde Karussell fahren.“Ihr vierjähriger Sohn rast vor ihren Augen begeistert auf das Federvieh im Käfig zu, das sich erschrickt, und ruft: „Guck mal, die sind ganz groß!“
Nicht weit entfernt sitzt eine Gruppe jüngerer Leute bei einem Bier am Tisch. Einer von ihnen, der 23-jährige Nico Kettern aus Mandern, sagt: „Das ist eine der größten Veranstaltungen hier und mit der Tierschau schon auch einzigartig. Aber ich komme eher wegen den Leuten hier her.“
Eine ganz andere Motivation hat Dieter Jung. Er ist zweiter Vorsitzender des Kaninchenzuchtvereins M 54 Trierweiler, der seine zum Teil sehr hübschen Rassekaninchen im Kleintierzelt ausstellt. Er sagt: „Wir wollen den Leuten unser Hobby näherbringen und freuen uns, wenn wir Tiere abgeben können für eine neue Zucht.“Jung drücken ernste Sorgen. Die Kaninchenzüchter werden immer weniger. Der Verein schrumpft und der Kreisverband rangiert am Existenzminimum. Von 20 Vereinen sind heute gerade mal noch drei übrig.
Dass es bei der Tierschau nicht nur um Spaß geht, macht auch Bürgermeister Jürgen Dixius deutlich. Er begrüßt zusammen mit Ortsbürgermeister Markus Lehnen die Besucher und Ehrengäste aus Politik und Landwirtschaft – unter andrem die rheinland-pfälzische Milchkönigin Klara Scholtes – und sagt: „Wir brauchen unsere Landwirte!“