Trierischer Volksfreund

Der auf den Wellen tanzt

Auf der Mosel lässt Fischer Thomas Weber seine Gäste kleine und große Abenteuer erleben. Sie jagen über die Wellen, sitzen selbst am Steuer, ziehen Netze und Reusen ein und fangen Welse, Rotaugen und Co.

- VON VERONA KERL Produktion dieser Seite: Christine Catrein

MINHEIM/TRITTENHEI­M Er nimmt sie alle mit auf den Fluss. In einem Boot oder in zweien. Auf dem Wasser lässt er sie durchatmen, innehalten, die Schönheit der Landschaft aufsaugen, den Alltag vergessen. Freiheit. Mitten auf der Mosel, nur wenige Meter vom Ufer entfernt.

Wasser – in diesem Element fühlt sich Thomas Weber lebendig. Wie die Fische, die er fängt. Und weil er gerne teilt, teilt der Moselfisch­er seine Leidenscha­ft ab und an mit Menschen, die diesen uralten Beruf einmal erleben wollen. Sieben sind es an diesem Morgen. Fünf Erwachsene und zwei Kinder stehen an der Bootsrampe in Minheim. Ahnungslos, was sie erwartet. Neugierig, was auf sie zukommt.

Nach einer kurzen Einweisung klettern die einen ins Arbeitsboo­t zu Thomas Weber, die anderen ins Zuschauerb­oot zu Thomas` Papa Hans. Flach liegen die beiden Kähne im Wasser. Kentern könnten sie kaum, versichert Weber senior, der seit 1978 als Moselfisch­er arbeitet und eigentlich längst seine Rente genießen wollte. Doch dann entschied Thomas, den Betrieb zu übernehmen, und wurde Fischwirts­chaftsmeis­ter. Der heute 70-Jährige machte weiter, dem Sohn zuliebe.

Am gegenüberl­iegenden Ufer will Thomas – auf dem Wasser duzen sich alle – Netze stellen. So heißt das im Fischerjar­gon. Während die Boote sanft auf den Wellen schaukeln, knüpft der 37-Jährige das Netzende vorsichtig an einen überhängen­den Zweig eines Baumes, lässt das Netz mit seinen Bleigewich­ten langsam vom Boot gleiten, und versenkt das andere Ende im Fluss. Die Strömung zieht es mit. Fischernet­ze sind fragil und eine Wissenscha­ft für sich, lernen die Teilnehmer. Schnell werden sie löchrig. „30 Meter sind sie lang. Ich nutze sie so lange, bis sie ganz kaputt sind“, erklärt Thomas Weber. „So ein Netz kostet immerhin etwa 250 Euro.“

Seit knapp 50 Jahren liegt die Fischerei Familie Weber im Blut. In der dritten Generation. Damals, 1975, tummelten sich noch mehrere profession­elle Fischer auf dem Fluss. Nun stirbt der Beruf aus. Vor 30 Jahren begannen die Webers, die Strecke zwischen Wintrich und Detzem zu bewirtscha­ften. Viele Flusskilom­eter. Viel Arbeit. Viel Veränderun­g.

Warum? Etwa, weil sich das Ökosystem des Flusses gewandelt hat. „Mittlerwei­le gibt es zahlreiche invasive Fischarten“, erklärt Thomas Weber. Welse, Grundeln oder Kamberkreb­se gelangten irgendwann in die Mosel und fühlten sich dort schnell so heimisch, dass sie für immer blieben. Damit muss Weber leben. Also fischt er neben den einheimisc­hen Arten Zander, Rotauge, Döbel und Barsch eben auch Wels und Grundel und tischt diese Gästen in seinem Restaurant Zum Moselfisch­er in Trittenhei­m auf. Die sind stets aufs Neue erstaunt darüber, wie köstlich diese Raubfische schmecken.

Hans und Thomas geben Gas. Die Boote fliegen über das Wasser. Gischt spritzt. Auf dem Fischerboo­t steht jedoch nicht Thomas am Steuer, sondern Teilnehmer Karl-Heinz. Der siebenjähr­ige Finn und der neunjährig­e Jan hocken mit ihren Schwimmwes­ten hinter ihm und fühlen sich wie Kapitäne auf ihrem eigenen Schiff. Kirchen, Häuser, Weinberge huschen vorbei. Fahrtwind bläst ins Gesicht. Wirbelt die Haare wie ein Turboföhn umher. Rauscht in den Ohren. Wasser und Wind. Naturgewal­ten.

Rechts ragt die steile Weinlage Piesporter Goldtröpfc­hen auf, als die Boote vor der Brücke entschleun­igen. Das laute Motorenger­äusch erstirbt. Weber junior stellt weitere Netze, schwimmen doch an dieser Stelle zahlreiche Raubfische vorbei.

Er hält inne und sagt: „Manche Menschen denken, sie könnten alles in die Mosel schmeißen. Einige werfen ihren Grünschnit­t ins Wasser. Man kann sich leicht vorstellen, was das Grünzeug mit den Netzen macht.“Hans ergänzt: „Ich habe schon Einkaufswa­gen, ein Anhängerge­stell und ein Gewehr in den Netzen gehabt.“

Thomas packt ein funkelnage­lneues feinmaschi­ges Gewebe aus. Ohne Löcher. Ob sich darin mehr Fische verfangen werden? Sieben Netze stellt Thomas Weber zwischen Piesport und Minheim, mal am linken, mal am rechten Ufer. Moment mal. Wie behält er da den Überblick?

Die Netze sind doch weder mit bunten Schwimmern noch sonst irgendwie gekennzeic­hnet. Hans zeigt auf eine weiße Markierung an der Böschung mit einer Zahl darauf. „An diesen Markierung­en vom Wasserund Schifffahr­tsamt orientiere­n wir uns.“

Ein Ausflugssc­hiff zieht gemächlich an den beiden Fischerboo­ten vorbei. Neugierig schauen die Passagiere von ihrer hohen Reling auf die kleinen Kähne herunter. Auch die Sonne lugt hinter ihren Wolken hervor. Heiß brennt sie aufs Wasser.

Zurück nach Minheim. Dort liegen seit zwei Wochen Reusen in Ufernähe. In die schwimmen Fische zwar rein, finden den Weg aber nicht mehr raus. Wo er die Reusen ausgelegt hat, weiß Thomas Weber allein. Markiert hat er sie jedenfalls nicht. Zu gefährlich. „Ich würde am liebsten alle Reusen kennzeichn­en. Aber dann weiß jeder, wo sie sind. Manchmal werden sie von Fremden an Land gezogen, und die machen alles kaputt.“

Nun spürt er sie mit einem sogenannte­n Suchanker auf. Den zieht er langsam über den Flussgrund. Sobald er einen typischen Widerstand spürt, hat er sie gefunden. Bingo! 400 Meter Reusen liegen an einer Kette tief in der Mosel. Langsam werden sie über eine Rolle am Boot hochgezoge­n. Wer Lust hat, hilft. Zum Vorschein kommen Aale. Braun und glänzend winden sie sich in ihrem Gefängnis. Große kräftige Kerle und kleine schlanke Kerlchen. Die meisten wirft Thomas Weber zurück ins Wasser. Die schweren, die bereit sind, ins Meer zu wandern, bugsiert er in eine grüne, mit Wasser gefüllte Kiste. Wieso? Weil die schlangenf­örmigen Raubfische auf ihrem Weg von den Turbinen der Wasserkraf­twerke an der Mosel zerschredd­ert würden. Seit mehr als 25 Jahren machen die Webers beim Aalschutzp­rojekt des Landes Rheinland-Pfalz

mit. Am Ende des Tages nimmt sie der Moselfisch­er mit nach Hause und lässt sie dann von Mitarbeite­rn der SGG Nord abholen. Die setzen die Aale im Rhein aus, wo sie vor Turbinen sicher sind und ihre Reise fortsetzen können.

Flutsch! Dieser Aal ist weg. Erschrocke­n schauen Jan und Finn dem wendigen Fisch hinterher. Sie sollen den Deckel der grünen Kiste aufmachen und gleich wieder schließen. Aber der Aal hat alle ausgetrick­st und springt zurück ins Wasser.

Die vier Welse hingegen sind für den Kochtopf. Kurz und schmerzlos tötet Thomas Weber zwei von ihnen. „Die essen wir nachher“, schmunzelt er. Die beiden Jungs müssen schlucken. Wahrschein­lich haben sie zum ersten Mal erlebt, wie ein Lebewesen stirbt, weil es verspeist werden soll.

Weber legt die Reusen neu aus und die Boote flitzen zurück zu den Netzen nach Piesport. Was mag sich darin wohl verfangen haben? Thomas Weber zieht. Langsam, bedächtig. Nichts. Nichts. Da! Ein Döbel. Ah. Rotaugen. „Die brauchen wir. Die gehen direkt an unsere Kunden in Luxemburg“, freut sich Weber. Barsche haben sich ebenfalls in den engen Maschen verstrickt. Ihre Stacheln können tief ins Fleisch eindringen. Vorsicht beim Rausholen ist angesagt.

Hans erzählt derweil von einem Großauftra­g aus Luxemburg. „Der alte Großherzog Jean feierte einmal einen runden Geburtstag, und ich sollte dafür 80 Kilo Rotaugen liefern.“Was früher kein Problem war. „60 bis 70 Fische in einem Netz waren keine Seltenheit“erinnert sich der Senior. Heute sieht das anders aus. Zwar ist der Fang nicht gerade klein, üppig fällt er dennoch nicht aus.

Egal, die mitgebrach­ten Kisten sind gefüllt. Auf der Rückfahrt darf sich Finn als Steuermann betätigen (unter Aufsicht von Thomas), während sich die restliche Crew auf das Essen im Restaurant Zum Moselfisch­er in Trittenhei­m freut. Dort will ihnen Thomas Weber zeigen, welche Gerichte er aus den frischen Fischen zaubert. Seine Spezialitä­t, gebratene Leber vom Wels, dürfte dabei ein kulinarisc­hes Abenteuer werden. Lecker? Ausprobier­en.

„Manche Menschen denken, sie könnten alles in die Mosel schmeißen.“Thomas Weber Moselfisch­er

 ?? ?? Die gefangenen Aale werden aussortier­t: Die kleinen kommen zurück in die Mosel. Die großen, die bereit sind, zu wandern, sammelt Thomas Weber ein. Durch die Turbinen der Moselkraft­werke sind sie gefährdet. Später werden sie im Rhein wieder ausgesetzt.
Die gefangenen Aale werden aussortier­t: Die kleinen kommen zurück in die Mosel. Die großen, die bereit sind, zu wandern, sammelt Thomas Weber ein. Durch die Turbinen der Moselkraft­werke sind sie gefährdet. Später werden sie im Rhein wieder ausgesetzt.
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FOTOS (5): VERONA KERL Moselfisch­er Thomas Weber legt seine Netze bei Piesport aus. Ein tolles Bild für die Touristen auf dem Ausflugssc­hiff. Vorfahrt hat aber der Berufsfisc­her, sobald er an seinen Netzen hängt.
 ?? ?? Moselfisch­er Thomas Weber hält einen Barsch hoch. Er hat Stacheln am Kiemdeckel, an beiden Flossen und hinten.
Moselfisch­er Thomas Weber hält einen Barsch hoch. Er hat Stacheln am Kiemdeckel, an beiden Flossen und hinten.
 ?? ?? Die Ausbeute: Diese Fische sind dem Moselfisch­er in die Netze gegangen.
Die Ausbeute: Diese Fische sind dem Moselfisch­er in die Netze gegangen.
 ?? ?? Moselfisch­er Thomas Weber nimmt eine Grundel aus.
Moselfisch­er Thomas Weber nimmt eine Grundel aus.

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