Schutz vor Extremwetter: Die eine Lösung gibt es nicht
Deiche, Becken oder Dachbegrünung: Nur mit einer Summe verschiedener Maßnahmen können sich Kommunen gegen Starkregen oder Hitze wappnen, sagt der Trierer Hydrologe Tobias Schütz.
Und wieder hat der Starkregen zugeschlagen. Zuerst im Saarland und Rheinland-Pfalz dann in Bayern und anderswo. Die Meldungen in diesem Jahr häufen sich. Städte und Dörfer sind überschwemmt worden, der Schaden ist enorm. Fluss-Anrainer leben seit Jahrhunderten mit der Angst vor Hochwasser. Im Jahr 1993 stand kurz vor Weihnachten die Mosel in Trier mit 11,28 Metern bis heute auf einem Rekordhoch. Neu ist dagegen das Tempo, in dem die Fluten heran rauschen. Eine unvergessliche Erinnerung bleibt die Flut des Jahres 2021 im Ahrtal, bei der viele Menschen starben, Ortschaften und Existenzen zerstört wurden – auch in der Eifel und rund um Trier wütete das Wasser.
Zunehmende Wetterextreme stellen Kommunen und Planer vor neue Herausforderungen. Was müssen Städte tun, um gegen Hochwasser und auch Hitze gewappnet zu sein? „Es gibt keine Lösung, die für alles passt“, sagt Professor Doktor Tobias Schütz, Hydrologe an der Universität Trier. „Flusshochwasser sind etwas anderes als Überflutungen durch Starkregen.“Diese sorgten oft für punktuelle Überschwemmungen, wie 2021 und auch jetzt im Mai im Trierer Stadtteil Olewig. Wichtig seien immer individuelle Untersuchungen: Wo fließt das Wasser hin, wenn die Abwasserkanäle überlastet sind und die Massen nicht aufnehmen können? Eine enge Bebauung im Bestand sei anders betroffen als neue Baugebiete, bei denen bereits bei der Planung Vorsorge getroffen werden könne.
Im Raum Trier ist das Bewusstsein für solche Ereignisse nach Einschätzung
des Experten sehr hoch. „Es gibt die Vorgabe, dass der Wasserhaushalt nach einer Bebauung nicht anders sein soll als vorher. Man muss dafür beachten: Was passiert, wenn es regnet? Wo fließt das Wasser hin? Versickert es oder verdunstet es langfristig? Und wie ist der Boden, denn lehmreiche Erde nimmt weniger Wasser auf“, zählt er einige Aspekte auf, die bei der Planung eines Neubaugebietes beachtet werden müssen. Regenrückhaltebecken, die entweder nur eine gewisse Menge Wasser hindurch lassen, oder in denen das Wasser langfristig versickert, seien probate Mittel, um die Auswirkungen eines Hochwassers nach Starkregen zu minimieren.
Doch ganz gleich, welche Anstrengungen man unternehme: „Alles Zurückhalten geht nur bis zu einer bestimmten Menge“, sagt Schütz. „Alles Weitere fließt runter ins Tal.“Egal, was man im Ahrtal an Prävention vorgenommen hätte: „Die Regenmassen hätten immer zu Hochwasser geführt. Es hätte auf jeden Fall Schäden gegeben“, sagt er. Trotzdem sei es notwendig, möglichst viel zurückzuhalten oder schadlos abzuleiten. Denn oft gehe es um Zentimeter,
ob eine Hochwasserschutzwand ausreicht oder überflutet wird.
Doch was tun? In den Niederlanden werde bereits vermehrt die Haustechnik in obere Etagen verlegt, nennt Schütz eine Möglichkeit, sich gegen Starkregenereignisse zu wappnen. Ferner sei Deichbau eines der effektivsten Mittel gegen Hochwasser, bei dem es aber die Kosten-Nutzen-Relation zu beachten gelte.
Flusshochwasser müsse anders begegnet werden. Denn beides stehe nicht unbedingt miteinander in Verbindung. „Das Ahr-Hochwasser hatte auf den Rhein nur begrenzte Auswirkungen“, sagt er. Hochwasserschutz sei eine Summe vieler kleiner Maßnahmen. Bei der Anlage von Überschwemmungsgebieten, wie sie am Oberrhein angelegt wurden, um die Industriegebiete in Karlsruhe zu schützen, seien auch Auswirkungen auf Landschaft und die Gewässer zu beachten.
Begrünte Dächer bei Neubauten böten gleich zwei Vorteile: Zum einen speicherten sie Wasser, verlangsamten den Abfluss und damit das Ansteigen der Gewässer. Zum anderen helfen sie laut Tobias Schütz auch bei extremer Sommerhitze,
wie sie seit mehreren Jahren auch in unseren Breiten zunehmend auftrete. Klassische Maßnahmen wie Brunnen, Grünflächen und Wasserfontänen seien wichtige Elemente, die inzwischen bewusst zur Kühlung von Plätzen in Städten eingesetzt werden. Auch wasserdurchlässige Oberflächen wie Rasengittersteine oder Pflaster, die im Kiesbett liegen und nicht wasserfest miteinander verbunden sind, tragen zur Kühlung bei, weil das Wasser im Kies gespeichert wird, verdunstet und kühlt. „Es sind große Mengen an Energien, die mit Wasser in Kieskörpern eingesetzt werden können.“
Ideal seien große Stadtbäume, die Schatten bieten und durch das verdunstende Wasser in den Blättern für merkbare Abkühlung sorgten. „Stadtbäume sind eines der besten Werkzeuge, um Hitzeeffekte abzumildern“, sagt Schütz. Allerdings sei die Anlage und die Pflege solcher Bäume auch eine große Herausforderung. In Städten würden Mitarbeiter im Sommer als Gießtrupps benötigt und es sei nicht immer klar, wo die großen Mengen an Wasser herkommen sollen. Bei Extremwetterlagen müsse man irgendwann
sogar abwägen, ob man Wasser als Trinkwasser für die Menschen zurückhält oder Grünflächen damit gießt. Das Bauen von Zisternen für Gießwasser führt er als eine Lösung an. „Es gibt viele technische Folgefragen“, sagt er.
Inzwischen werde bei Neubaugebieten auch darauf geachtet, wo der Wind herkommt und wie man die Gebäude anordnet, um einen Luftaustausch zu ermöglichen „Die Zufuhr von kühler Luft war schon lange wichtig, und das wird noch an Bedeutung zunehmen.“In den Planungsbüros sei bereits das Bewusstsein dafür vorhanden.
Aber zurück zu den begrünten Dächern: Diese haben laut Schütz trotz aller Vorzüge auch Nachteile. Denn Wurzeln könnten bei ihrem Wachstum das Dach beschädigen. Die Gründächer seien sowohl in der Anlage als auch in der Pflege teurer als herkömmliche Hausbedeckungen. Zudem dürften sie weder mit Pestiziden noch mit Herbiziden behandelt werden, denn bei Regen würden diese Stoffe mit ins Grundwasser geschwemmt und könnten es beeinträchtigen. Schütz: „Das ist aufwendig und teuer.“