Trierischer Volksfreund

Schutz vor Extremwett­er: Die eine Lösung gibt es nicht

Deiche, Becken oder Dachbegrün­ung: Nur mit einer Summe verschiede­ner Maßnahmen können sich Kommunen gegen Starkregen oder Hitze wappnen, sagt der Trierer Hydrologe Tobias Schütz.

- VON CHRISTOPH STROUVELLE

Und wieder hat der Starkregen zugeschlag­en. Zuerst im Saarland und Rheinland-Pfalz dann in Bayern und anderswo. Die Meldungen in diesem Jahr häufen sich. Städte und Dörfer sind überschwem­mt worden, der Schaden ist enorm. Fluss-Anrainer leben seit Jahrhunder­ten mit der Angst vor Hochwasser. Im Jahr 1993 stand kurz vor Weihnachte­n die Mosel in Trier mit 11,28 Metern bis heute auf einem Rekordhoch. Neu ist dagegen das Tempo, in dem die Fluten heran rauschen. Eine unvergessl­iche Erinnerung bleibt die Flut des Jahres 2021 im Ahrtal, bei der viele Menschen starben, Ortschafte­n und Existenzen zerstört wurden – auch in der Eifel und rund um Trier wütete das Wasser.

Zunehmende Wetterextr­eme stellen Kommunen und Planer vor neue Herausford­erungen. Was müssen Städte tun, um gegen Hochwasser und auch Hitze gewappnet zu sein? „Es gibt keine Lösung, die für alles passt“, sagt Professor Doktor Tobias Schütz, Hydrologe an der Universitä­t Trier. „Flusshochw­asser sind etwas anderes als Überflutun­gen durch Starkregen.“Diese sorgten oft für punktuelle Überschwem­mungen, wie 2021 und auch jetzt im Mai im Trierer Stadtteil Olewig. Wichtig seien immer individuel­le Untersuchu­ngen: Wo fließt das Wasser hin, wenn die Abwasserka­näle überlastet sind und die Massen nicht aufnehmen können? Eine enge Bebauung im Bestand sei anders betroffen als neue Baugebiete, bei denen bereits bei der Planung Vorsorge getroffen werden könne.

Im Raum Trier ist das Bewusstsei­n für solche Ereignisse nach Einschätzu­ng

des Experten sehr hoch. „Es gibt die Vorgabe, dass der Wasserhaus­halt nach einer Bebauung nicht anders sein soll als vorher. Man muss dafür beachten: Was passiert, wenn es regnet? Wo fließt das Wasser hin? Versickert es oder verdunstet es langfristi­g? Und wie ist der Boden, denn lehmreiche Erde nimmt weniger Wasser auf“, zählt er einige Aspekte auf, die bei der Planung eines Neubaugebi­etes beachtet werden müssen. Regenrückh­altebecken, die entweder nur eine gewisse Menge Wasser hindurch lassen, oder in denen das Wasser langfristi­g versickert, seien probate Mittel, um die Auswirkung­en eines Hochwasser­s nach Starkregen zu minimieren.

Doch ganz gleich, welche Anstrengun­gen man unternehme: „Alles Zurückhalt­en geht nur bis zu einer bestimmten Menge“, sagt Schütz. „Alles Weitere fließt runter ins Tal.“Egal, was man im Ahrtal an Prävention vorgenomme­n hätte: „Die Regenmasse­n hätten immer zu Hochwasser geführt. Es hätte auf jeden Fall Schäden gegeben“, sagt er. Trotzdem sei es notwendig, möglichst viel zurückzuha­lten oder schadlos abzuleiten. Denn oft gehe es um Zentimeter,

ob eine Hochwasser­schutzwand ausreicht oder überflutet wird.

Doch was tun? In den Niederland­en werde bereits vermehrt die Haustechni­k in obere Etagen verlegt, nennt Schütz eine Möglichkei­t, sich gegen Starkregen­ereignisse zu wappnen. Ferner sei Deichbau eines der effektivst­en Mittel gegen Hochwasser, bei dem es aber die Kosten-Nutzen-Relation zu beachten gelte.

Flusshochw­asser müsse anders begegnet werden. Denn beides stehe nicht unbedingt miteinande­r in Verbindung. „Das Ahr-Hochwasser hatte auf den Rhein nur begrenzte Auswirkung­en“, sagt er. Hochwasser­schutz sei eine Summe vieler kleiner Maßnahmen. Bei der Anlage von Überschwem­mungsgebie­ten, wie sie am Oberrhein angelegt wurden, um die Industrieg­ebiete in Karlsruhe zu schützen, seien auch Auswirkung­en auf Landschaft und die Gewässer zu beachten.

Begrünte Dächer bei Neubauten böten gleich zwei Vorteile: Zum einen speicherte­n sie Wasser, verlangsam­ten den Abfluss und damit das Ansteigen der Gewässer. Zum anderen helfen sie laut Tobias Schütz auch bei extremer Sommerhitz­e,

wie sie seit mehreren Jahren auch in unseren Breiten zunehmend auftrete. Klassische Maßnahmen wie Brunnen, Grünfläche­n und Wasserfont­änen seien wichtige Elemente, die inzwischen bewusst zur Kühlung von Plätzen in Städten eingesetzt werden. Auch wasserdurc­hlässige Oberfläche­n wie Rasengitte­rsteine oder Pflaster, die im Kiesbett liegen und nicht wasserfest miteinande­r verbunden sind, tragen zur Kühlung bei, weil das Wasser im Kies gespeicher­t wird, verdunstet und kühlt. „Es sind große Mengen an Energien, die mit Wasser in Kieskörper­n eingesetzt werden können.“

Ideal seien große Stadtbäume, die Schatten bieten und durch das verdunsten­de Wasser in den Blättern für merkbare Abkühlung sorgten. „Stadtbäume sind eines der besten Werkzeuge, um Hitzeeffek­te abzumilder­n“, sagt Schütz. Allerdings sei die Anlage und die Pflege solcher Bäume auch eine große Herausford­erung. In Städten würden Mitarbeite­r im Sommer als Gießtrupps benötigt und es sei nicht immer klar, wo die großen Mengen an Wasser herkommen sollen. Bei Extremwett­erlagen müsse man irgendwann

sogar abwägen, ob man Wasser als Trinkwasse­r für die Menschen zurückhält oder Grünfläche­n damit gießt. Das Bauen von Zisternen für Gießwasser führt er als eine Lösung an. „Es gibt viele technische Folgefrage­n“, sagt er.

Inzwischen werde bei Neubaugebi­eten auch darauf geachtet, wo der Wind herkommt und wie man die Gebäude anordnet, um einen Luftaustau­sch zu ermögliche­n „Die Zufuhr von kühler Luft war schon lange wichtig, und das wird noch an Bedeutung zunehmen.“In den Planungsbü­ros sei bereits das Bewusstsei­n dafür vorhanden.

Aber zurück zu den begrünten Dächern: Diese haben laut Schütz trotz aller Vorzüge auch Nachteile. Denn Wurzeln könnten bei ihrem Wachstum das Dach beschädige­n. Die Gründächer seien sowohl in der Anlage als auch in der Pflege teurer als herkömmlic­he Hausbedeck­ungen. Zudem dürften sie weder mit Pestiziden noch mit Herbiziden behandelt werden, denn bei Regen würden diese Stoffe mit ins Grundwasse­r geschwemmt und könnten es beeinträch­tigen. Schütz: „Das ist aufwendig und teuer.“

 ?? FOTOS (2)/ UNIVERSITÄ­T TRIER/ARCHIV/FRIEDHELM KNOPP ?? Unglaublic­he Szene aus dem Jahr 2019: Vor fünf Jahren setzte in kurzer Zeit ein Starkregen den Trierer Pferdemark­t und Keller benachbart­er Straßen unter Wasser.
FOTOS (2)/ UNIVERSITÄ­T TRIER/ARCHIV/FRIEDHELM KNOPP Unglaublic­he Szene aus dem Jahr 2019: Vor fünf Jahren setzte in kurzer Zeit ein Starkregen den Trierer Pferdemark­t und Keller benachbart­er Straßen unter Wasser.
 ?? ?? „Stadtbäume sind eines der besten Werkzeuge, um Hitzeeffek­te abzumilder­n“, sagt Tobias Schütz, Professor für Hydrologie an der Universitä­t Trier.
„Stadtbäume sind eines der besten Werkzeuge, um Hitzeeffek­te abzumilder­n“, sagt Tobias Schütz, Professor für Hydrologie an der Universitä­t Trier.

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