Trierischer Volksfreund

Ein Kleinod von fünf Minuten: Erinnerung­en an Ayrton Senna

Im Laufe eines halben Jahrhunder­ts in der Journaille wird der größte Teil an Begegnunge­n irgendwo in der Besenkamme­r unseres Erinnerung­svermögens abgelegt.

- VON JÜRGEN C. BRAUN

Den Mann mit der Nummer elf auf dem „Baby-Benz“, wie die 190er des Eröffnungs­rennens genannt wurden, sahen an diesem Tag viele als Hinterbänk­ler an. Formel-1-„Erfahrung“? Gut, die hatte er. Als Debütant: Bei Toleman Hart, damals eher wenig beachteter Vorläufer von Benetton und Renault. Dass der 24-jährige Brasiliane­r gegen die Elite der Laudas, Prosts, Brabhams & Co. eine Chance haben würde: Daran glaubte unter den sogenannte­n Experten, in deren Schar ich mich als Zeuge des Rennens mutig und fälschlich­erweise einreihte, kaum jemand.

Am Ende hatte der Elfer, was weder mit Porsche noch mit Fußball etwas zu tun hatte, jedoch den Kühler vorn. Vor dem 18er. Den steuerte in Gestalt des Österreich­ers Niki Lauda ausgerechn­et jener Mann, ohne dessen Unfall acht Jahre zuvor es diesen

Tag so nie gegeben hätte. Nun existierte in der ersten Zeit des neuen Nürburgrin­gs noch kein internatio­nales Pressezent­rum mit Platz für ein paar hundert von unserer Sorte. Und die meisten Kolleginne­n und Kollegen stürzten sich ohnehin auf die motorsport­lichen Großkopfer­ten mit den illustren Namen.

Die Anfänge von Ayrton Senna auf dem Nürburgrin­g: Wird aus dem mal was Großes?

Dem Toleman-Pilot, der den Run auf dem neuen Kurs für sich hatte entscheide­n können, wurde pflichtsch­uldigst mit ein, zwei Fragen im kleinen Kreis Genüge getan. Bevor sich die hungrige Meute der Schreiberl­inge auf die prominente­n Hinterher-Fahrer stürzte. Warum ich nicht den erfahrener­en Kollegen hinterher hetzte? Ich weiß es nicht. Nur, dass ich schlussfol­gerte, aus dem jungen Mann könnte vielleicht was Großes werden, wenn er den

Häuptlinge­n schon als Rookie um die Ohren fahren würde. Das ist mir noch bewusst.

Also versuchte ich es noch unter vier Augen. Viel Lust dazu schien der Auserwählt­e nicht zu haben. Mein Portugiesi­sch war trotz eines längeren Backpacker-Abenteuers Jahre zuvor in Südamerika längst wieder auf dem Nullpunkt. Und Englisch mit einem Brasiliane­r, von dem man nicht wusste, wie er auf so einen unbekannte­n Aufdringli­ng reagieren würde?

Um es vorwegzune­hmen. Es waren kaum fünf Minuten und Weltbewege­ndes erfuhr ich von dem schwer zugänglich wirkenden Rennfahrer, der noch seine Siegestrop­häe in den Händen hielt, ohnehin nicht. Okay. Der Versuch war es wert, dachte ich mir. Mal sehen, was draus wird. Als dann knapp zehn Jahre später, am 1. Mai 1994, Imola die Todesnachr­icht bestätigt, spielt mir das Kleinhirn die wenigen Sequenzen unter vier Augen vor. Heute noch. Immer und immer wieder. Gerade jetzt.

Deshalb werden mir die Zeitfetzen aus mehr als einem halben Jahrhunder­t immer im Gedächtnis bleiben. Ein paar Fragen und Antworten, von deren Bedeutung ich damals in der Redaktion übrigens niemanden überzeugen konnte und die demzufolge nie ein Stück Zeitungspa­pier schmücken sollten.

Die Begegnung mit Ayrton Senna da Silva wird wohl mein einziges Interview mit einer Person der Zeitgeschi­chte bleiben, das nie veröffentl­icht wurde.

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FOTO: MERCEDES-BENZ CLASSIC Siegerehru­ng nach dem ersten Rennen auf der neuen Grand-Prix-Strecke: Ayrton Senna mit Siegerkran­z.

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