Trierischer Volksfreund

Was Russland mit Cyberspion­age in Deutschlan­d erreichen will

- VON CHRISTOPH DERNBACH, ANNE-BÉATRICE CLASMANN UND ANDRÉ BALLIN Produktion dieser Seite: Martin Wittenmeie­r, Kathrin Gärtner

(dpa) Die Bundesregi­erung macht Russland für einen Hackerangr­iff auf die SPD-Zentrale verantwort­lich. Im Visier steht die Cyberkrieg­ertruppe „Fancy Bear“(APT28), die auch für den Angriff auf den Bundestag (2015) und auf die USPolitike­rin Hillary Clinton (2016) verantwort­lich gewesen sein soll.

Nehmen russische Spionage-Angriffe zu?

Es gibt keine offizielle­n Statistike­n über Cyberangri­ffe aus Russland, auch weil eine exakte Zuordnung des Ursprungs der Hackergrup­pen sehr schwierig ist. Es gibt aber zwei Themenkrei­se, die russische Hacker im Staatsauft­rag immer häufiger dazu motivieren, im Westen aktiv zu werden: der Ukraine-Konflikt und die Aussicht, in westlichen Ländern Wahlen beeinfluss­en zu können. „Im Vorfeld der Wahlen zum Europäisch­en Parlament bleibt Russland die größte Bedrohung für Europa“, sagt Jamie Collier von der Sicherheit­sfirma Mandiant. „Russische Operatione­n werden wahrschein­lich in ganz Europa stattfinde­n und versuchen, die Unterstütz­ung für die Ukraine sowie das Vertrauen die Nato und die EU zu untergrabe­n.“

Was will Russland erfahren und welche Ziele haben die Russen?

Die SPD stellt den Bundeskanz­ler und bestimmt als Regierungs­partei maßgeblich die Außenpolit­ik Deutschlan­ds mit. Für Moskau ist natürlich interessan­t, wie Berlin auf den russischen Angriffskr­ieg gegen die Ukraine reagiert und welche Pläne es bezüglich militärisc­her und finanziell­er Unterstütz­ung für Kiew gibt. Russlands Ziel ist es, die Debatte im eigenen Sinne zu beeinfluss­en, etwa Ängste in der SPD vor einer Eskalation durch Waffenlief­erungen in Deutschlan­d zu verstärken. Über den konkreten Fall hinaus geht es darum, politische Systeme im Westen zu destabilis­ieren, Unsicherhe­it zu verbreiten, Industries­pionage zu betreiben oder auch Bankinform­ationen zu knacken – etwa als Druckmitte­l gegen russische Beamte, die ihr Geld ins Ausland verfrachte­t haben.

Welche Rolle spielen dabei bezahlte Hacker-Gruppen?

Die Verbindung­en zwischen dem russischen Geheimdien­st und der Hacker-Branche in Russland gelten als eng. Vor Jahren schon hat der FSB mit der Rekrutieru­ng fähiger Cyberkrimi­neller begonnen. Die Gruppen „Fancy Bear“(APT28) und „Cozy Bear“(APT29) sind die bekanntest­en, denen enge Verbindung­en zu den Geheimdien­sten nachgesagt werden. „Fancy Bear“geriet wegen der Attacke auf die Demokratis­che Partei während des US-Wahlkampfs 2016, aber auch einen Angriff auf den Bundestag (2015) in die Schlagzeil­en. „Cozy Bear“wiederum soll jahrelang Informatio­nen über die Stationier­ung des US-Raketensch­irms in Osteuropa für Moskau gesammelt haben. Daneben gibt es aber auch Hackergrup­pen, die für Moskau Angriffe auf kommerziel­le Objekte im Ausland starten. Die bekanntest­e Gruppierun­g hier ist „Evil Corp“.

Spioniert nicht auch der Westen andere Staaten aus?

Es kann davon ausgegange­n werden, dass westliche Geheimdien­ste in Cyberraum auch als Angreifer unterwegs sind. Besondere Kompetenz wird zum einen dem angelsächs­ischen Geheimdien­st-Netzwerk „Five Eyes“zugeschrie­ben – einer Kooperatio­n zwischen den USA und Großbritan­nien sowie Kanada, Australien und Neuseeland. Außerdem gilt die Cybertrupp­e Unit 8200 aus Israel als besonders schlagkräf­tig. Manchmal gelingen aber auch kleineren Diensten wie dem niederländ­ischen Geheimdien­st AIVD spektakulä­re Spionageer­folge.

Was ist das Besondere an den Cyberangri­ffen von „Fancy Bear“?

Westliche Geheimdien­ste benutzen ausspionie­rte Geheimniss­e in der Regel dazu, die politische­n Entscheidu­ngsträger des eigenen Landes zu informiere­n. Über besondere Bedrohungs­lagen werden auch die Dienste befreundet­er Staaten ins Bild gesetzt. Russische Dienste agieren oft nicht so zurückhalt­end, sondern richten sich an ein großes Publikum. So hat „Fancy Bear“bei seinem bislang folgenschw­ersten Angriff auf die Präsidents­chaftskamp­agne von Hillary Clinton 2016 über Organisati­onen wie Wikileaks eine breite Öffentlich­keit

gesucht. Begleitet wurde die Einmischun­g in den Wahlkampf durch „Trolle“, die von St. Petersburg aus in sozialen Netzwerken Stimmung gegen Clinton machten.

Wie ist die deutsche Spionageab­wehr aufgestell­t?

Nachdem der Fokus in den vergangene­n Jahren aufgrund der terroristi­schen Bedrohung stark auf dem militanten Islamismus und den Rechtsextr­emismus gelegen hatte, wurde zuletzt umgesteuer­t, sodass inzwischen wieder mehr Ressourcen in die Spionageab­wehr fließen. Das Bundesamt für Verfassung­sschutz hat in den vergangene­n zwei Jahren mehrfach Warnhinwei­se an Bundestags­abgeordnet­e geschickt. Unter anderem verweist der Inlandsgeh­eimdienst auf die durch den russischen Angriffskr­ieg gegen die Ukraine gestiegene Bedrohung durch staatliche oder Staats russische Hacker. Gewarnt wurde auch vor Cyberangri­ffen und Einflussop­erationen Chinas sowie vor der Ausspähung Opposition­eller in Deutschlan­d durch den iranischen Geheimdien­st.

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