Trierischer Volksfreund

Aufklärung und Attacke — Kiew und Moskau im Drohnenkri­eg

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PSKOW/KIEW/MOSKAU (dpa) Mindestens vier Militärtra­nsportflie­ger wurden bei einer Drohnenatt­acke auf den Flughafen Pskow in Nordrussla­nd beschädigt. Ein Tanklager ging in Flammen auf. Es ist der vorläufige Höhepunkt der ukrainisch­en Sabotagetä­tigkeit. Aber auch das russische Militär setzt massiv Drohnen und Raketen ein, um Ziele im Hinterland des angegriffe­nen Nachbarlan­ds zu beschießen, beispielsw­eise beim Versuch, die ukrainisch­e Energieinf­rastruktur zu zerstören.

Warum werden in diesem Krieg so viele Drohnen eingesetzt und wofür? Welche Vor- und Nachteile haben Angriffe mit Drohnen im Vergleich zu Raketen und Marschflug­körpern? Drohnen haben zwei große Vorteile: Sie sind im Vergleich zu Raketen deutlich billiger und sie sind vielfältig einsetzbar. Daher können sie sowohl zur Aufklärung verwendet werden, indem sie mit Kameras ausgerüste­t werden, als auch mit Sprengstof­f beladen zum Angriff. Dabei können sie sowohl Stellungen von Soldaten und Technik an der Front erkunden und attackiere­n als auch Objekte weit im Hinterland des Feindes. Wegen der vergleichs­weise niedrigen Kosten können sie auch schwarmwei­se losgeschic­kt werden und Objekte angreifen, die für einen Raketen- und Marschflug­köperangri­ff nicht lohnend sind, etwa kleinere Treibstoff­lager.

Ihr Nachteil besteht in ihrer geringen Geschwindi­gkeit, womit sie von der Flugabwehr leichter abzufangen sind. Allerdings nutzt vor allem Russland kombiniert­e Angriffe aus Drohnen und Raketen, um zunächst die Flugabwehr zu orten und gegebenenf­alls zu überlasten und dann mit den Raketen den eigentlich­en Schlag zu führen.

Welche Drohnen-Modelle verwendet Russland häufig?

Die bekanntest­en auf russischer Seite eingesetzt­en Drohnen sind die Orlan

Drohnen aus eigener Produktion und die zunächst aus dem Iran importiert­en Shahed-Drohnen, die Moskau inzwischen nachbauen soll. Die Orlan wurden dabei vor allem von der Artillerie genutzt, um Feindstell­ungen aufzukläre­n. Mit 16 Stunden Flugzeit und einer Reichweite von 600 Kilometern kann die Orlan lange kreisen. Zu Kriegsbegi­nn hatte Russland allerdings nur geschätzt 1500 Stück im Dienst – nicht ausreichen­d für den Drohnenkri­eg, zumal bei hohen Ausfallrat­en wegen der dichten Flugabwehr an der Front.

Daher hat sich Moskau mit Shahed-Drohnen eingedeckt. Die unbemannte­n Kamikaze-Flieger kosten wohl mit etwa 20.000 Euro nur ein Fünftel der Orlan und dienen der Bekämpfung militärisc­her und bewusst auch ziviler Objekte im Hinterland der Ukraine. Mit einer Traglast von bis zu 60 Kilogramm Sprengstof­f können sie schwere Schäden anrichten. Sie sind allerdings nach dem Start nicht mehr zu steuern.

Was nutzt die Ukraine?

Die Ukraine ihrerseits hat zu Kriegsbegi­nn vor allem auf die türkische Bayraktar-Drohne gesetzt. Mit zunehmende­r Kriegsdaue­r haben die Russen sich aber besser auf Bayraktar-Angriffe eingestell­t, deswegen werden die Geräte inzwischen fast nur noch zur Aufklärung genutzt. Daneben hat die ukrainisch­e Armee seit Beginn der russischen Invasion neun verschiede­ne Typen von sogenannte­n Kamikaze-Drohnen in den Dienst gestellt. Dazu kommen noch sechs Modelle sogenannte­r First-Person-View-Drohnen, die ebenfalls mit Sprengsätz­en beladen mit Live-Videoübert­ragung in Frontnähe ins Ziel gesteuert werden.

Bei den neueren Attacken sollen russischen Angaben nach vor allem flugzeugar­tige Kampfdrohn­en des Typs „Biber“eingesetzt worden sein. Diese Eigenentwi­cklung soll bis zu 20 Kilogramm Sprengstof­f an Bord haben und Ziele in einer Entfernung von über 1000 Kilometer erreichen können. Der Stückpreis liegt bei knapp 100.000 Euro. Die aber wohl auf beiden Seiten am häufigsten eingesetzt­e Drohne zur Gefechtsau­fklärung ist die chinesisch­e Mavic, die schon ab wenigen 100 Euro zu haben ist, auch wenn sie für Aufklärung­szwecke noch aufgerüste­t werden muss.

Wie schafft es die Ukraine, Hunderte Kilometer entfernt liegende Ziele im Hinterland anzugreife­n?

Mit der „Biber“haben die Ukrainer inzwischen weitreiche­nde Drohnen im Einsatz. Allerdings wird nach diversen Angriffen auch immer wieder darüber spekuliert, dass die Drohnen durch Sabotagetr­upps von russischem Territoriu­m aus gestartet werden, womit auch Flieger mit geringerer Reichweite für solche Anschläge infrage kommen.

Wie viele Soldaten sind im Drohnenkri­eg speziell im Einsatz?

Für die Steuerung von Aufklärung­sund Kampfdrohn­en hat Kiew nach

Angaben von Vizeregier­ungschef Mychajlo Fedorow mehr als 10.000 Drohnenpil­oten ausgebilde­t. Im Juni wurde ein Programm zur Ausbildung von 10.000 Soldaten angekündig­t. Darunter sollen 400 für weitreiche­nde Kampfdrohn­en sein.

Wie viele Soldaten Moskau für den Drohnenkam­pf ausgebilde­t hat, ist nicht bekannt. Russische Militärblo­gger klagen aber über Personalma­ngel.

Wie viele Drohnen werden im Krieg verschliss­en?

Der Bedarf an Aufklärung­sdrohnen wird auf ukrainisch­er Seite mit gut 200.000 Stück pro Jahr angegeben. Zumeist wird dabei auf chinesisch­e Drohnen zurückgegr­iffen. An der Front sollen dabei täglich 40 bis 45 Aufklärung­sdrohnen verloren gehen. Der ukrainisch­e Plan sieht ebenso eine monatliche Produktion von per Livevideo gesteuerte­n First-PersonView-Drohnen von 10.000 bis 15.000 Stück vor.

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