Thüringische Landeszeitung (Weimar)
„Ich spiele nicht den weisen Uhu“
Weimars Alt-Oberbürgermeister Volkhardt Germer feiert am Vatertag bei einer Roadster-Tour mit Gattin seinen 80. Geburtstag
Der MG Replica-Roadster, der in einer Tröbsdorfer Garage parkt, erweckt den Anschein, älter zu sein, als er tatsächlich ist. Bei seinem Fahrer ist es umgekehrt. Volkhardt Germer, von 1994 bis 2006 Weimars Oberbürgerbürgermeister und Besitzer jenes Zweisitzer-Oldtimers mit VW-Motor, wurde am Vatertag 80 Jahre alt. Zum Geburtstag fuhr der Jubilar mit seiner Frau Roswitha im MG in die Rhön, die für Germers zu den bevorzugten Landschaften für solche Spritztouren gehört. Im großen Familienkreis wird am Sonntag gefeiert.
„Ich habe meine Aufgaben altersentsprechend geplant“, sagt Germer. Politisch sei er weiterhin engagiert, etwa auf Kundgebungen gegen Rechtsextremismus und Intoleranz. Auch mehreren Freundeskreisen blieb er treu, so jenem des Nationaltheaters, des Goethe-Nationalmuseums und auch dem Falkverein. Ob seiner Vorliebe für in Ehren gealterte Mobile ist der Alt-OB nicht zuletzt Mitglied im in Hottelstedt beheimateten Trabi-Team Thüringen – nicht nur ehrenhalber. Zu Germers privatem Fuhrpark gehört seit ein paar Jahren auch ein Trabant Kübel. Darüber hinaus vergeht kaum ein Tag, an dem das Ehepaar nicht in Richtung Stadt unterwegs ist – und sei es, um in der Schillerstraße einen Kaffee zu trinken. Nicht zuletzt, so Volkhardt Germer, verlange es viel Hingabe und Zeit, um den großen, sehr liebenswürdigen Freundeskreis zu pflegen.
Mit dem Wohnmobil geht es die Weser entlang
Und dann ist da ja noch das Germersche Wohnmobil, das zwischen März und Ende Oktober pro Jahr um die 9000 bis 10.000 Kilometer bewegt wird. Mit ihm war die Familie unter anderem schon in Norwegen, Dänemark, Irland, Italien und Griechenland. Inzwischen verzichten Germers allerdings auf die ganz großen Touren. Schon am Sonntag, gleich nach der Geburtstagsfeier, leistet das Wohnmobil wieder seine Dienste, wenn es entlang der Weser nach Landesbergen bei Nienburg geht. Und auch das nächste Urlaubsziel haben die Camper bereits im Auge: die Insel Usedom.
„Wir haben alles außer Zeit“, sagt Germer. Doch nicht nur deshalb habe er sich bewusst aus der Stadtpolitik
zurückgezogen. Er wolle nicht den weisen Uhu spielen. Überdies blicke Weimar in diesem Monat auf den glücklichen Umstand, einen Oberbürgermeister unter vier Kandidaten wählen zu können, die er alle mindestens für akzeptabel halte.
Mit mehr Sorge, ja sogar Angst, schaut Germer auf die Landtagswahl im September. Überall auf der politischen Bühne würden immer neue, mitunter bedenkliche Blüten sprießen. Das erinnere an die Zersplitterung während der Weimarer Republik, die letztlich den Nazis den Boden bereitete. Dennoch oder gerade deshalb, so Germer, dürfe man die Beweggründe derer, die unzufrieden sind, nicht einfach abtun. Um den Menschen Hürden aus dem Weg zu räumen, brauche es vor allem weniger Bürokratie.
„Wir haben unser Leben gelebt – auch in politisch kritischen, aber insgesamt doch recht friedvollen Zeiten. Wir konnten uns kulturell entwickeln und unsere Träume verwirklichen. Als junger Mensch hätte ich nie gedacht, dass ich einmal Oberbürgermeister werde, ein eigenes Haus habe und zwei Söhne, die ihren Weg machen. Darüber bin ich froh und dankbar“, sagt der Jubilar.