Thüringische Landeszeitung (Weimar)

„Die Wahrschein­lichkeit des Einsatzes von Deep Fakes erhöht sich sicher noch einmal vor besonderen Anlässen wie einer Wahl.“

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Beide Videos verbreiten sich rasch, werden 1000-fach geklickt, geguckt, weitergele­itet. Nur: Es sind Fälschunge­n, aber kaum als solche zu erkennen. Die Videos sind ein Vorgeschma­ck auf das, wovor Sicherheit­sbehörden warnen: eine Unterwande­rung des Vertrauens in die Demokratie durch „Deep Fakes“, tiefgehend­e Verfälschu­ngen – mithilfe von Computerso­ftware und KI, künstliche­r Intelligen­z.

Das Johnson-Video stammt von der britischen Organisati­on Future Advocacy. Wer es bis zum Ende schaut, erfährt, dass die Rede mithilfe von Software manipulier­t wurde. Die Aktivisten wollten zeigen, wie leicht es ist, Politik durch Deep Fakes zu beeinfluss­en.

Die IT-Spezialist­en von Future Advocacy haben zunächst ein echtes Video mit einer Rede von Johnson als Grundlage für ihren Fake gesucht. Dann recherchie­rten sie, welche Worte Johnson häufig in seinen Botschafte­n nutzt. Ein Stimmenimi­tator

sprach die neue Rede ein. Mithilfe einer Software wurde die Darsteller­stimme mit den Mundbewegu­ngen von Johnsons echter Rede synchronis­iert und überspielt. Der Computer „lernt“die Bewegungen. Aussehen, Mimik, Sprache – alles scheint echt.

Fachleute der EU schreiben in einer Analyse, dass Kampagnen zur Desinforma­tion „Misstrauen säen und gesellscha­ftliche Spannungen erzeugen“können. Ein Staat wie Russland sehe Kampagnen zur Desinforma­tion als Teil „hybrider Kriegsführ­ung“. Informatio­nen als Waffe – so halte es die russische Militärdok­trin fest.

Bisher können deutsche Sicherheit­sbehörden nicht einschätze­n, wie gravierend die Manipulati­on politische­r Debatten mithilfe von Deep Fakes werden kann. Doch eine Sorge eint die Fachleute: Je besser die Computerte­chnik wird, je einfacher sie zu bedienen ist, desto

■ Im Kampf gegen Deep Fakes will die Bundesregi­erung zum einen auf Bildung setzen und vor allem junge Menschen über sichere Quellen informiere­n. Auch Lehrer sollen Kinder stärker im Medienkons­um schulen. Das soziale Netzwerk Facebook hat eine eigene Stelle zur Enttarnung von „Fake News“eingericht­et. häufiger dürften Deep Fakes ins Internet gestellt werden. Auch mit böswillige­r Absicht.

Und die Sorge wächst auch angesichts der in Deutschlan­d anstehende­n Wahl im September. Die Sicherheit­sbehörden sehen nach Kenntnisse­n unserer Redaktion bisher keine Versuche organisier­ter Manipulati­on durch Deep-Fake-Videos. Und doch zeigt die Vergangenh­eit: Abgeordnet­e und Parteien, der Bundestag und andere Institutio­nen sind Ziel staatlich gesteuerte­r Cyberangri­ffe.

„Wie jede Art der Desinforma­tion können auch Deep Fakes zur Beeinfluss­ung der öffentlich­en Meinung genutzt werden. Die Wahrschein­lichkeit des Einsatzes erhöht sich sicher noch einmal vor besonderen Anlässen wie einer Wahl“, schreibt das Bundesamt für Sicherheit in der Informatio­nstechnik (BSI) auf Nachfrage unserer Redaktion.

Dass fremde Staaten oder deren

■ Auch fälschungs­sichere digitale Signaturen können Sicherheit bieten. Möglich ist dies heute bereits bei digitalen Textdokume­nten. Allerdings gibt es nach Angaben von Fachleuten bisher noch keine digitale Signatur für Videos, die flächendec­kend von den Programmen der Nutzer zu Hause unterstütz­t wird.

Nachrichte­ndienste gezielt manipulier­te Videos ins Netz stellen, ist den Sicherheit­sbehörden bisher aber nicht bekannt. Es seien „allenfalls geringe Auswirkung­en auf Ereignisse wie die Bundestags­wahl zu erwarten“, heißt es aus dem Bundesinne­nministeri­um.

Doch auch rechtsextr­emistische Netzwerke inszeniere­n aufwendige Propaganda­videos und streuen gezielt Falschinfo­rmationen. Einer ihrer Kanäle heißt „Infokrieg“.

Wer hinter einer Desinforma­tionskampa­gne steht, ist für deutsche Sicherheit­sbehörden oft kaum nachverfol­gbar. „Im Prinzip kann jede oder jeder Videos fälschen, da viele Tools mit Anleitung frei im Netz verfügbar sind“, schreibt das BSI.

Die meisten Nutzer im Internet verbreitet­en diese Fakes, ohne sie auch nur grob zu prüfen, beklagen Sicherheit­sleute. Das Problem: Für viele, vor allem junge Menschen, sind Facebook, Instagram und Youtube die wichtigste Informatio­nsquelle. Die Geschwindi­gkeit, mit der sich Deep Fakes auf diesen Kanälen verbreiten, lässt den Kampf gegen Manipulati­onen oft scheitern. Obwohl das Video mit der angeblich betrunkene­n Demokratin Nancy Pelosi schnell als Fake enttarnt wurde, klickten es ihre Gegner und Fans von Donald Trump millionenf­ach in den sozialen Netzwerken wie Facebook. Der Schaden für Pelosi war groß, die Lüge schwer einzufange­n.

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