Thüringische Landeszeitung (Weimar)
Ein Problem der stockenden Geldzirkulation
Gedanken zu den finanziellen Auswirkungen der Corona-Pandemie. Politik auf einem „bequemen“Weg
Zur Wirtschaftskrise:
In viele Bereiche, in denen es jetzt wirtschaftlich klemmt, wird neues Geld gepumpt – und man glaubt, die vorhandenen Probleme zu lösen. Wir verschieben sie aber nur in absolut unverantwortlicher Weise auf unsere Kinder und Enkel. Die Politik wählt den „bequemen“Weg; es ist aber zu bezweifeln, ob dies mittelund langfristig der „richtige“ist. Mir fehlt eine tiefgründige, von populistischen Tendenzen freie Analyse der Situation.
Es ist nicht zutreffend, dass im System Geld fehlt. Fast alle Einkommensbezieher haben Ende Februar, ja die meisten sogar Ende März, ihr ganz normales Gehalt bekommen, für den überwiegenden Teil der Bevölkerung ist es selbst jetzt noch so. Wurden danach Münzen eingeschmolzen, Geldscheine eingezogen oder Bankkonten geplündert? Nein! Prinzipiell ist das ganze (normalerweise konsumtiv verwendete) Geld noch vorhanden.
Es ist also kein Problem der Geldmenge, sondern der schwächelnden beziehungsweise stockenden Geldzirkulation. Hotels, Gaststätten, Kinos, Theater, Einzelhandelsgeschäfte etc. waren oder sind geschlossen, Reisen nicht möglich, der Autokauf wird verschoben. Viele Menschen können oder wollen also wesentliche Teile ihres Einkommens nicht ausgeben, außerdem denkt man, Sparen schadet ja jetzt nicht, falls es noch schlimmer kommt.
Jede Ausgabe führt aber zu Arbeit und Einkommen beim verkaufenden Betrieb, an dieser Stelle klemmt es, dort muss Abhilfe geschaffen werden. In meinen Augen ist es aber der falsche Weg, Milliarden beziehungsweise Billionen neuer Schulden zu machen und die Rückzahlung unseren Nachkommen bis ins Jahr 2058 aufzubürden.
Die Mittel müssen weitestgehend aus dem Vorhandenen aufgebracht werden. Wie schon mindestens seit der letzten großen Finanzkrise 2008/2009 zu sehen ist, haben Unsummen EZB-Geld und niedrige Zinsen nicht zu einer deutlichen Stärkung der Realwirtschaft geführt, sondern nur zu himmelstürmenden Aktienkursen und hohen Immobilienpreisen.
Die EU hatte ambitioniert im vorigen Jahrzehnt verkündet, die innovativste und am stärksten wachsende Weltregion werden zu wollen.
Was ist daraus geworden? Nichts! Die Erfolgsmeldungen erinnern fatal an die Worthülsen der DDR in deren Endphase. Es ist so, dass die Realwirtschaft nur schwer auf die Beine kommen wird und unsere globale Wettbewerbsfähigkeit zukünftig zunehmend gefährdet sein wird, der Dax aber seit dem Tiefststand schon wieder um rund 40 Prozent zugelegt hat. Das vorhandene Geld fließt also nur nicht dorthin, wo es gebraucht wird.
Nicht nur der Staat, sondern die gesamte Gesellschaft, muss dringend Wege einschlagen, die die Probleme nicht nur auf unsere (wenigen) Kinder verschiebt, sondern jetzt wirklich löst. Lieber etwas schmerzhafte Einschnitte heute als ein Crash und/oder Niedergang morgen. Georg Beringer, Mühlhausen