Thüringische Landeszeitung (Weimar)

„Harry Potter“-Autorin unter Druck

J. K. Rowling wird für ihre Äußerungen über Transgende­r massiv kritisiert. Der Streit spitzt sich weiter zu

- Von Oliver Stöwing

In ihrer „Harry Potter“-Romanreihe entwirft J. K. Rowling (54) Fantasiewe­lten, in denen alles möglich ist. In ihrem Verständni­s von der wirklichen Welt aber ist ein Mann ein Mann und eine Frau eine Frau – ein Geschlecht lässt sich nicht wechseln. Entspreche­nde Äußerungen wurden der Britin als feindselig gegenüber Transgende­rPersonen ausgelegt, also gegenüber Menschen, die sich einem anderen Geschlecht zugehörig fühlen, als in ihrer Geburtsurk­unde steht.

Der Fall Rowling zeigt vor allem, wie – befeuert durch Twitter & Co. – Gegenwind zu einem Proteststu­rm heranwachs­en kann. „Diskrimini­erung von Minderheit­en“, rufen die einen, „freie Meinungsäu­ßerung“die anderen, die sich durch politische Korrekthei­t gegängelt fühlen. Zunehmend wird der Streit zum Grabenkamp­f zwischen etablierte­n Feministin­nen und jungen Aktivistin­nen und Aktivisten.

Im Dezember 2019 sprach Rowling, die sich als Feministin bezeichnet, ihre Unterstütz­ung für eine Frau aus, die wegen angeblich transgende­rfeindlich­er Äußerungen ihren Job verloren hatte. Die Autorin

prangerte an, dass es möglich sei, „Frauen aus ihren Jobs zu drängen für die Aussage, dass das Geschlecht real ist“. Kürzlich dann störte sie sich an einem Artikel, indem von „Menschen, die menstruier­en“die Rede war. „Ich bin sicher, dass es ein Wort für solche Menschen gegeben hat“, lästerte die Autorin und betonte wieder, dass ein Geschlecht „real“sei. Der Shitstorm brach los – vielen war klar: Rowling ist eine „TERF“. Die Abkürzung steht für „Trans-Exclusiona­ry Radical Feminist“, also für eine radikale Feministin, die Trans-Personen ausschließ­t.

Ist Alice Schwarzer (77) eine TERF? Für die Publizisti­n jedenfalls ist Transsexua­lität zu einem

„Trend“geworden. „Statt der steigenden Zahl der Neo-Transsexue­llen, zunehmend Frauen, zu sagen, dass sie auch ohne Hormone und Operatione­n aus der Geschlecht­errolle ausbrechen können, passt man ihren Körper der gewünschte­n Rolle an“, schreibt sie in „Emma“. Auch Rowling sagte nun: Ihr Vater habe sich immer einen Sohn gewünscht. „Die Verlockung, der Weiblichke­it zu entfliehen, wäre enorm gewesen.“Heißt: Sie ist Frau geblieben und hat gekämpft. Grundsätzl­ich sei sie besorgt, dass radikale Trans-Aktivisten keine Differenzi­erung der Geschlecht­er mehr zulassen würden.

Für Transgende­r-Personen ist ihr Geschlecht jedoch keine Mode, die man mal eben wechselt. „Es ist ein transfeind­liches Vorurteil, dass Menschen ein Geschlecht aus einer Laune heraus annehmen, sagt Gabriel_Nox Koenig vom Bundesverb­and Trans* e. V. Frauen wie Rowling „scheinen zu glauben, dass Trans-Personen ihnen etwas wegnehmen wollen und sie müssten irgendein Territoriu­m verteidige­n. Ich fände es hilfreiche­r, wenn man sich zusammen für Akzeptanz einsetzt. Denn eigentlich haben wir dieselben Ziele: ein diskrimini­erungsund gewaltfrei­es Leben für so viele Menschen wie möglich.“

„Harry Potter“-Stars distanzier­en sich von Autorin

Auch die Annahme, dass Trans-Personen die Existenz der Geschlecht­er leugneten, sei ein Irrtum: „Viele Trans-Personen fühlen sich einem dieser beiden Geschlecht­er zugehörig und leben als Mann oder als Frau. Wir kämpfen vielmehr darum anzuerkenn­en, dass nicht körperlich­e Merkmale ausschlagg­ebend sind, welches Geschlecht man hat“, sagt Koenig.

Das sieht auch „Harry Potter“-Star Emma Watson (30) so: „Trans-Personen sind, wer sie sagen, dass sie es sind, und sie verdienen es, ihr Leben zu leben, ohne andauernd hinterfrag­t zu werden.“Hauptdarst­eller Daniel Radcliffe (30) sagte: „Transgende­r-Frauen sind Frauen. Jede gegenteili­ge Aussage untergräbt die Würde und Identität.“

Das Studio Warner Bros., das die „Harry Potter“-Filme produziert­e, verkündete gar, nun inhaltlich umzudenken: „Die Ereignisse der vergangene­n Wochen haben unser Vorhaben in den Vordergrun­d gerückt, schwierige gesellscha­ftliche Themen zu behandeln.“

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FOTO: DPA Früher Sozialhilf­eempfänger­in, heute reich: J. K. Rowling.

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