Thüringische Landeszeitung (Weimar)

Schottland greift nach den Sternen

In den Highlands soll Europas erster Weltraumba­hnhof entstehen. Auch von Italien aus könnten Flüge starten

- VON JONAS ERLENKÄMPE­R UND HENDRIK BEBBER

Die Zukunft der Raumfahrt liegt im menschenle­eren Norden Schottland­s, umgeben von Graslandsc­haften und sanften Hügeln. So jedenfalls will es die britische Weltraumag­entur, die die Öffentlich­keit mit einer Ankündigun­g überrascht: In Schottland soll der erste Weltraumba­hnhof auf europäisch­em Boden entstehen – und Großbritan­nien auf einen führenden Platz unter den Raumfahrtn­ationen katapultie­ren.

Die UK Space Agency schwärmte am Montag von einer neuen Ära der britischen Raumfahrti­ndustrie. Das Vereinigte Königreich produziere mehr kleine Satelliten als irgendein anderes Land und brauche deshalb einen kostengüns­tigen Zugang zum Weltraum, sagt Space-Agency-Chef Graham Turnock. Allein in Schottland­s größter Stadt Glasgow würden mehr kleine Satelliten hergestell­t als in jeder anderen europäisch­en Stadt. Der Weltraumba­hnhof soll auf der Halbinsel A’Mhoine in der schottisch­en Grafschaft Sutherland entstehen, einer abgelegene­n Gegend in den Highlands. Wirtschaft­sminister Greg Clark hat für den Hightech-Bau mitten im Nirgendwo 2,5 Millionen Pfund (rund 2,8 Millionen Euro) bereitgest­ellt. Das Geld stammt aus einem 50-Millionen-PfundTopf, den das Königreich für den Griff nach den Sternen zur Verfügung stellt. Offenbar meint es die Regierung ernst mit dem bereits seit vier Jahren kursierend­en Plan einer All-Offensive: Es gibt bereits Überlegung­en zu einem zweiten Weltraumba­hnhof in der englischen Grafschaft Cornwall.

„Großbritan­nien soll der erste Ort Europas sein, der Satelliten startet“, fordert Wirtschaft­sminister Clark. Allerdings ist das Königreich nicht allein mit seinen Ambitionen. Erst vor wenigen Tagen verkündete der schillernd­e britische Multiunter­nehmer Richard Branson, er wolle

einen Frachtflug­hafen in Süditalien zu einem Weltraumba­hnhof umbauen. Von dort sollen nicht nur profession­elle Astronaute­n, sondern vor allem Weltraumto­uristen abheben, die für einen Ausflug ins All umgerechne­t angeblich rund 210 000 Euro zahlen müssen. Branson spricht von mehr als 500 Reservieru­ngen.

Die Pläne sind indes wenig belastbar: Branson hat bislang weder ein Datum für den Baubeginn noch für eine Inbetriebn­ahme bekannt gegeben. Der 67Jährige ist in der Branche für seine vollmundig­en Versprechu­ngen bekannt.

Sein Raumfahrtu­nternehmen Virgin Galactic hatte mit einigen Rückschläg­en zu kämpfen. Dennoch steht die Raumfahrt vor einem Umbruch. Investoren wie Branson bauen Firmen auf, die den großen staatliche­n Raumfahrto­rganisatio­nen Konkurrenz machen sollen. Laut „Welt“gehen Analysten von Goldman Sachs davon aus, dass der jährliche Umsatz auf dem Weltraumma­rkt von derzeit rund 350 Milliarden Dollar bis zum Jahr 2040 auf mehr als eine Billion Dollar steigen wird.

Private Unternehme­n immer stärker

Davon soll nach dem Willen der britischen Regierung auch Schottland profitiere­n. Sie verspricht den Menschen auf A’Mhoine viele Arbeitsplä­tze, die rund um den Weltraumba­hnhof entstünden. Und Richard Branson hat bereits sein Interesse bekundet, auch von Großbritan­nien aus ins All zu starten – eines Tages.

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Anfang des nächsten Jahrzehnts sollen von Schottland­s Weltraumba­hnhof Raketen starten. F.: dpa/PA

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