Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)
Wichtig ist auch neben dem Ring
Stefan Effenberger ist 1. Vorsitzender des Box-clubs Mühlhausen und kümmert sich nicht nur um sportliche Belange
Mühlhausen. Redet man über einen Box-klub, haben viele Menschen den leidenden Rocky im gleichnamigen Film vor Augen, der entweder Springseil springt oder mit den bloßen Fäusten auf Schweinehälften eindrischt. Andere verbinden Boxen und das zugehörige Training mit Blut, Schweiß und Tränen. Doch betritt man den Box-club Mühlhausen am Rande der Altstadt, spürt man gleich, dass es ganz anders ist.
Stefan Effenberger, der am 1. Dezember 2022 einstimmig zum 1. Vorsitzenden des Box-clubs Mühlhausen gewählt wurde, sitzt, umgeben von zahlreichen Papieren und Utensilien für den Boxsport, an einem großen Tisch. Er wirkt leicht abgekämpft. „Das ist jetzt doch alles sehr schnell gegangen und teilweise auch unglücklich gelaufen. Alles ist so schnell hintereinander passiert“, sagt Effenberger, der sich damit auch auf den Tod der Mühlhäuser Box-legende Uwe Bellstedt bezieht. Angesprochen auf Bellstedt wird Effenbergers Mimik ernster, das Lausbübische ist plötzlich aus seinem Gesicht verschwunden. „Das ist wirklich so schade, Uwe Bellstedt hätte Freudentränen in den Augen gehabt, wenn er gesehen hätte, was hier derzeit alles passiert“, sagt ein sichtlich gerührter Effenberger.
Dabei ist Effenberger, der als Betreiber und Trainer auf zwölf Jahre Erfahrung mit seiner Kampfsportschule Knox-gym zurückblicken kann, nur zum Box-club gekommen, weil nach dem Ausscheiden des erkrankten Bellstedt, keiner aus dem internen Zirkel übernehmen wollte. Jetzt ist Effenberger da und haut sich voll rein, so wie zu seiner aktiven Zeit im Ring. Kampfsportschule und Box-club wurden fusioniert. Was nicht bei allen Mitgliedern auf Gegenliebe stieß. „Vom Kickboxen her waren alle dafür. Im Box-club gab es hier und da auch Zweifel, ob das der richtige Weg sei“, sagt Effenberger, der auch als Saunameister in der Thüringentherme und als Rettungsschwimmer am Schwanenteich tätig ist.
Effenberger zögert nicht lange, sondern packt sofort an
Effenberger hat von Beginn an das Heft in die Hand genommen. Die Trainingshalle wurde renoviert. Viele Hände haben angepackt. „Es gab da auch schon Beschwerden, wenn ich alte Plakate von den Wänden gerissen habe. Aber die waren verschimmelt.
Das ist dann auch gesundheitsgefährdend. Und wenn sich sowieso niemand interessiert, habe ich das einfach so gemacht, wie ich das für richtig halte. Die steigende Mitgliederzahl gibt mir da wohl auch recht“, erklärt Effenberger seine Vorgehensweise. Mit 18 aktiven Boxern hat der gebürtige Grabscher den Club übernommen.
Derzeit trainieren 43 Aktive in der kleinen Trainingshalle in der Spielbergstraße 54. Vom Knox-gym sind gut 80 Kämpfer dabei.
Neben dem sportlichen Erfolg steht für den 43-Jährigen, der Trainerscheine für Boxen und Kickboxen besitzt, auch immer das Integrative im Vordergrund. Kämpfer fast aus der ganzen Welt trainieren im
Mühlhäuser Box-club. „Integration ist für uns im Kampfsport etwas ganz Normales. Für viele Leute, die nach Deutschland kommen, ist der Kampfsport eine erste Anlaufstelle. Über 30 Prozent der Leute, die hier im Club trainieren, haben einen Migrationshintergrund“, erklärt Effenberger der nichts dem Zufall überlässt. So sind beim Training immer Übersetzer dabei. So wie die erst 16-jährige Diana Kruglov, selbst deutsche Vizemeisterin im Boxen, die auf Russisch oder Ukrainisch ihre Anweisungen an die Nachwuchskämpfer gibt.
Da helfen, wo Hilfe wirklich notwendig ist
Doch nicht nur im Training hilft der Box-club bei der Integration. „Wir versuchen allen unsere Kultur und unsere Art des Zusammenlebens zu erklären. Hier und da helfen wir auch, wenn es um Wohnung, Arbeit oder unverständliche Formulare geht. Derzeit suchen wir auch eine Schulhilfe, die bei den Hausarbeiten dann im Club unterstützen kann“, erklärt Effenberger, der damit klarstellt, dass nicht nur das rein Sportliche in seinen Verantwortungsbereich fällt. Dazu kommt die Suchtprävention. Mandy Prütz, Vorstandsmitglied und Trainerin, ist auch sonst im Uh-kreis als Suchttherapeutin und Präventionsfachkraft tätig. Regelmäßig organisiert sie Informations-veranstaltungen im Club zu diesem Thema, das allen am Herzen liegt. Jetzt, während des Ramadan, wird für alle Muslime auch ein spätes Training nach dem Fastenbrechen angeboten.
Natürlich schafft Effenberger das alles nicht allein. Da ist beispielsweise Ingolf Licht. Der 2. Vorsitzende ist Trainer und „Mann fürs Grobe“, wie sich Effenberger ausdrückt. „Wenn irgendwas kaputt ist, repariert Ingolf das“, so Effenberger. Martin Haase ist Abteilungsleiter für das Kickboxen und genauso Trainer wie Paul Geinez. Mit Stefanie Bosecker (Schatzmeisterin) und Mandy Prütz kümmern sich zwei Frauen um alles Schriftliche. Daniela Schäfer ist für die Sauberkeit verantwortlich und kocht bei Bedarf etwas Leckeres. Dafür, dass der Nachwuchs nicht ausgeht, sorgt Effenberger auch. Mit Marvin Uttrodt und Adrian Avdyli sind zwei Nachwuchskämpfer gerade dabei, ihre Trainerlizenzen zu erwerben. Der 16-jährige Adrian boxt seit seinem zehnten Lebensjahr unter Trainer Effenberger. „Der Club ist wie ein zweites Zuhause für mich. Hier sind Leute von überall. Hier gibt es keinen Rassismus“, sagt Adrian, der bald die Schule beenden wird und dann zur Bundespolizei will.
Mit Stefan Effenberger hat der Box-club einen würdigen Bellstedtnachfolger gefunden, der zeigt, dass Kampfsport mehr ist als Blut, Schweiß und Tränen. Kampfsport ist ein diszipliniertes Miteinander ohne Vorurteile und Rassismus.