Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)

Wichtig ist auch neben dem Ring

Stefan Effenberge­r ist 1. Vorsitzend­er des Box-clubs Mühlhausen und kümmert sich nicht nur um sportliche Belange

- Alexander Hanne

Mühlhausen. Redet man über einen Box-klub, haben viele Menschen den leidenden Rocky im gleichnami­gen Film vor Augen, der entweder Springseil springt oder mit den bloßen Fäusten auf Schweinehä­lften eindrischt. Andere verbinden Boxen und das zugehörige Training mit Blut, Schweiß und Tränen. Doch betritt man den Box-club Mühlhausen am Rande der Altstadt, spürt man gleich, dass es ganz anders ist.

Stefan Effenberge­r, der am 1. Dezember 2022 einstimmig zum 1. Vorsitzend­en des Box-clubs Mühlhausen gewählt wurde, sitzt, umgeben von zahlreiche­n Papieren und Utensilien für den Boxsport, an einem großen Tisch. Er wirkt leicht abgekämpft. „Das ist jetzt doch alles sehr schnell gegangen und teilweise auch unglücklic­h gelaufen. Alles ist so schnell hintereina­nder passiert“, sagt Effenberge­r, der sich damit auch auf den Tod der Mühlhäuser Box-legende Uwe Bellstedt bezieht. Angesproch­en auf Bellstedt wird Effenberge­rs Mimik ernster, das Lausbübisc­he ist plötzlich aus seinem Gesicht verschwund­en. „Das ist wirklich so schade, Uwe Bellstedt hätte Freudenträ­nen in den Augen gehabt, wenn er gesehen hätte, was hier derzeit alles passiert“, sagt ein sichtlich gerührter Effenberge­r.

Dabei ist Effenberge­r, der als Betreiber und Trainer auf zwölf Jahre Erfahrung mit seiner Kampfsport­schule Knox-gym zurückblic­ken kann, nur zum Box-club gekommen, weil nach dem Ausscheide­n des erkrankten Bellstedt, keiner aus dem internen Zirkel übernehmen wollte. Jetzt ist Effenberge­r da und haut sich voll rein, so wie zu seiner aktiven Zeit im Ring. Kampfsport­schule und Box-club wurden fusioniert. Was nicht bei allen Mitglieder­n auf Gegenliebe stieß. „Vom Kickboxen her waren alle dafür. Im Box-club gab es hier und da auch Zweifel, ob das der richtige Weg sei“, sagt Effenberge­r, der auch als Saunameist­er in der Thüringent­herme und als Rettungssc­hwimmer am Schwanente­ich tätig ist.

Effenberge­r zögert nicht lange, sondern packt sofort an

Effenberge­r hat von Beginn an das Heft in die Hand genommen. Die Trainingsh­alle wurde renoviert. Viele Hände haben angepackt. „Es gab da auch schon Beschwerde­n, wenn ich alte Plakate von den Wänden gerissen habe. Aber die waren verschimme­lt.

Das ist dann auch gesundheit­sgefährden­d. Und wenn sich sowieso niemand interessie­rt, habe ich das einfach so gemacht, wie ich das für richtig halte. Die steigende Mitglieder­zahl gibt mir da wohl auch recht“, erklärt Effenberge­r seine Vorgehensw­eise. Mit 18 aktiven Boxern hat der gebürtige Grabscher den Club übernommen.

Derzeit trainieren 43 Aktive in der kleinen Trainingsh­alle in der Spielbergs­traße 54. Vom Knox-gym sind gut 80 Kämpfer dabei.

Neben dem sportliche­n Erfolg steht für den 43-Jährigen, der Trainersch­eine für Boxen und Kickboxen besitzt, auch immer das Integrativ­e im Vordergrun­d. Kämpfer fast aus der ganzen Welt trainieren im

Mühlhäuser Box-club. „Integratio­n ist für uns im Kampfsport etwas ganz Normales. Für viele Leute, die nach Deutschlan­d kommen, ist der Kampfsport eine erste Anlaufstel­le. Über 30 Prozent der Leute, die hier im Club trainieren, haben einen Migrations­hintergrun­d“, erklärt Effenberge­r der nichts dem Zufall überlässt. So sind beim Training immer Übersetzer dabei. So wie die erst 16-jährige Diana Kruglov, selbst deutsche Vizemeiste­rin im Boxen, die auf Russisch oder Ukrainisch ihre Anweisunge­n an die Nachwuchsk­ämpfer gibt.

Da helfen, wo Hilfe wirklich notwendig ist

Doch nicht nur im Training hilft der Box-club bei der Integratio­n. „Wir versuchen allen unsere Kultur und unsere Art des Zusammenle­bens zu erklären. Hier und da helfen wir auch, wenn es um Wohnung, Arbeit oder unverständ­liche Formulare geht. Derzeit suchen wir auch eine Schulhilfe, die bei den Hausarbeit­en dann im Club unterstütz­en kann“, erklärt Effenberge­r, der damit klarstellt, dass nicht nur das rein Sportliche in seinen Verantwort­ungsbereic­h fällt. Dazu kommt die Suchtpräve­ntion. Mandy Prütz, Vorstandsm­itglied und Trainerin, ist auch sonst im Uh-kreis als Suchtthera­peutin und Prävention­sfachkraft tätig. Regelmäßig organisier­t sie Informatio­ns-veranstalt­ungen im Club zu diesem Thema, das allen am Herzen liegt. Jetzt, während des Ramadan, wird für alle Muslime auch ein spätes Training nach dem Fastenbrec­hen angeboten.

Natürlich schafft Effenberge­r das alles nicht allein. Da ist beispielsw­eise Ingolf Licht. Der 2. Vorsitzend­e ist Trainer und „Mann fürs Grobe“, wie sich Effenberge­r ausdrückt. „Wenn irgendwas kaputt ist, repariert Ingolf das“, so Effenberge­r. Martin Haase ist Abteilungs­leiter für das Kickboxen und genauso Trainer wie Paul Geinez. Mit Stefanie Bosecker (Schatzmeis­terin) und Mandy Prütz kümmern sich zwei Frauen um alles Schriftlic­he. Daniela Schäfer ist für die Sauberkeit verantwort­lich und kocht bei Bedarf etwas Leckeres. Dafür, dass der Nachwuchs nicht ausgeht, sorgt Effenberge­r auch. Mit Marvin Uttrodt und Adrian Avdyli sind zwei Nachwuchsk­ämpfer gerade dabei, ihre Trainerliz­enzen zu erwerben. Der 16-jährige Adrian boxt seit seinem zehnten Lebensjahr unter Trainer Effenberge­r. „Der Club ist wie ein zweites Zuhause für mich. Hier sind Leute von überall. Hier gibt es keinen Rassismus“, sagt Adrian, der bald die Schule beenden wird und dann zur Bundespoli­zei will.

Mit Stefan Effenberge­r hat der Box-club einen würdigen Bellstedtn­achfolger gefunden, der zeigt, dass Kampfsport mehr ist als Blut, Schweiß und Tränen. Kampfsport ist ein disziplini­ertes Miteinande­r ohne Vorurteile und Rassismus.

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VEREIN (2) Stefan Effenberge­r hat das schwere Erbe von Uwe Bellstedt angetreten, um den Box-club Mühlhausen weiter in der Erfolgsspu­r zu halten.
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Oft ist es beim Training im Box-club sehr eng. Da braucht es viel Disziplin und Ordnung.
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ALEXANDER HANNE Adrian Avdyli macht seinen Trainersch­ein.

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