Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)
Die Namen an Briefkästen und Klingeln
Verhandlung am Amtsgericht: Anwalt stellt Verordnung in Frage, Stadt verweist auf Gefahrenabwehr
Mühlhausen.
Ist ein Hauseigentümer dazu verpflichtet, Klingelschild und Briefkasten mit seinem Namen zu beschriften? Dieser Frage ging jetzt das Amtsgericht Mühlhausen nach. Ein Mühlhäuser weigert sich und erklärt, die gut sichtbare Hausnummer sei völlig ausreichend.
Weil die Stadt in ihrer „Verordnung zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung [...] und zur Abwehr von Gefahren” vom Juni 2020 die Beschriftung verlangt, gab es ein Bußgeld. Der Einspruch des Mannes dagegen landete nun vor Gericht.
In Paragraf 13 ist festgelegt, dass Wohnungs- und Hauseigentümer an ihren Gebäuden oder Grundstücken einen für Dritte frei erreichbaren Briefkasten anbringen müssen, der mit allen Familiennamen der im Haus Wohnenden beschriftet ist. Gleiches gilt auch für die Klingel.
Nach Auffassung von Mathias Morasch, dem Anwalt des Betroffenen, fehle der Verordnung die Rechtsgrundlage. Die Begründung der Gefahrenabwehr sei nicht nachvollziehbar. Außerdem verweist der Mühlhäuser Anwalt auf den Datenschutz.
Sein Mandant spricht von Trickbetrügern, die Name und Hausnummer kombiniert für kriminelle Machenschaften nutzen könnten.
Vertreter des Fachbereichs Ordnung der Stadtverwaltung rechtfertigen die Verordnung nicht nur mit der Gefahrenabwehr – etwa bei Notfällen, in denen der Rettungsdienst wissen müsse, wo jemand wohnt. Außerdem wird die Zustellung von Behördenschreiben und die Richtigkeit im Melderegister angeführt.
Beschriftung relevant für Mehrfamilienhäuser
Richter Christian Kropp sieht diese Argumentation zumindest im konkreten Fall, bei einem Einfamilienhaus, als nicht zutreffend an. Entscheidend für Rettungseinsätze sei die Hausnummer. Melderegistereintrag und Zustellung seien im Fall des Beklagten ebenfalls möglich. Er ist der Behörde bekannt, arbeitet er doch selbst bei der Stadt. Die Post habe jedenfalls kein Problem mit der Zustellung, versicherte der Betroffene.
Schließlich verwies die Ordnungsbehörde auf die Möglichkeit, sich von der Pflicht befreien zu lassen. Richter Kropp stellte das Verfahren über 30 Euro Bußgeld zuzüglich Gebühren ein, da sich der Betroffene bereit erklärte, einen Antrag auf eine Ausnahmegenehmigung zu stellen. Der soll nun geprüft werden, hieß es von der Stadtverwaltung. Die Kosten des Verfahrens trägt die Staatskasse.
Grundsätzlich bleiben Fragen offen. Sollte der Antrag abgelehnt werden, könnte es zum Verwaltungsverfahren kommen, in dem die städtische Verordnung unter die Lupe genommen wird – in Bezug auf Gefahrenabwehr und Datenschutz. Die Pflicht zum Namensschild dürfte aber vor allem auf Mehrfamilienhäuser abzielen, in denen Klingel und Briefkasten eindeutig den Bewohnern zuzuordnen sein sollen. Laut Thüringens Datenschutzbeauftragtem Lutz Hasse dürften Vermieter die Namen ihrer Mieter nicht ohne deren Einwilligung anbringen. Es handle sich um eine Weitergabe personenbezogener Daten an Dritte.
In Wien hatte sich ein Mieter im Jahr 2018 über den vom Vermieter angebrachten Namen an seinem Klingelschild beschwert. Daraufhin wurden mehr als 200.000 Klingelschilder entfernt. Dass dieser drastische Schritt nicht nötig gewesen wäre, erklärte anschließend die damalige Bundesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit, Andrea Voßhoff. Sie stellte klar, dass das Beschriften der Klingelschilder mit Namen laut Datenschutzgrundverordnung keine Datenspeicherung darstelle.
Selbst wenn dem so wäre, käme eine Interessenabwägung als Rechtsgrundlage in Betracht. Heißt: Der Mieter habe ein hohes Interesse von Post, Rettungsdienst oder Bekannten gefunden zu werden. Dieses Interesse wiege also schwerer als der Schutz der persönlichen Daten.