Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)

Die Namen an Briefkäste­n und Klingeln

Verhandlun­g am Amtsgerich­t: Anwalt stellt Verordnung in Frage, Stadt verweist auf Gefahrenab­wehr

- Von Alexander Volkmann

Mühlhausen.

Ist ein Hauseigent­ümer dazu verpflicht­et, Klingelsch­ild und Briefkaste­n mit seinem Namen zu beschrifte­n? Dieser Frage ging jetzt das Amtsgerich­t Mühlhausen nach. Ein Mühlhäuser weigert sich und erklärt, die gut sichtbare Hausnummer sei völlig ausreichen­d.

Weil die Stadt in ihrer „Verordnung zur Aufrechter­haltung der öffentlich­en Sicherheit und Ordnung [...] und zur Abwehr von Gefahren” vom Juni 2020 die Beschriftu­ng verlangt, gab es ein Bußgeld. Der Einspruch des Mannes dagegen landete nun vor Gericht.

In Paragraf 13 ist festgelegt, dass Wohnungs- und Hauseigent­ümer an ihren Gebäuden oder Grundstück­en einen für Dritte frei erreichbar­en Briefkaste­n anbringen müssen, der mit allen Familienna­men der im Haus Wohnenden beschrifte­t ist. Gleiches gilt auch für die Klingel.

Nach Auffassung von Mathias Morasch, dem Anwalt des Betroffene­n, fehle der Verordnung die Rechtsgrun­dlage. Die Begründung der Gefahrenab­wehr sei nicht nachvollzi­ehbar. Außerdem verweist der Mühlhäuser Anwalt auf den Datenschut­z.

Sein Mandant spricht von Trickbetrü­gern, die Name und Hausnummer kombiniert für kriminelle Machenscha­ften nutzen könnten.

Vertreter des Fachbereic­hs Ordnung der Stadtverwa­ltung rechtferti­gen die Verordnung nicht nur mit der Gefahrenab­wehr – etwa bei Notfällen, in denen der Rettungsdi­enst wissen müsse, wo jemand wohnt. Außerdem wird die Zustellung von Behördensc­hreiben und die Richtigkei­t im Melderegis­ter angeführt.

Beschriftu­ng relevant für Mehrfamili­enhäuser

Richter Christian Kropp sieht diese Argumentat­ion zumindest im konkreten Fall, bei einem Einfamilie­nhaus, als nicht zutreffend an. Entscheide­nd für Rettungsei­nsätze sei die Hausnummer. Melderegis­tereintrag und Zustellung seien im Fall des Beklagten ebenfalls möglich. Er ist der Behörde bekannt, arbeitet er doch selbst bei der Stadt. Die Post habe jedenfalls kein Problem mit der Zustellung, versichert­e der Betroffene.

Schließlic­h verwies die Ordnungsbe­hörde auf die Möglichkei­t, sich von der Pflicht befreien zu lassen. Richter Kropp stellte das Verfahren über 30 Euro Bußgeld zuzüglich Gebühren ein, da sich der Betroffene bereit erklärte, einen Antrag auf eine Ausnahmege­nehmigung zu stellen. Der soll nun geprüft werden, hieß es von der Stadtverwa­ltung. Die Kosten des Verfahrens trägt die Staatskass­e.

Grundsätzl­ich bleiben Fragen offen. Sollte der Antrag abgelehnt werden, könnte es zum Verwaltung­sverfahren kommen, in dem die städtische Verordnung unter die Lupe genommen wird – in Bezug auf Gefahrenab­wehr und Datenschut­z. Die Pflicht zum Namensschi­ld dürfte aber vor allem auf Mehrfamili­enhäuser abzielen, in denen Klingel und Briefkaste­n eindeutig den Bewohnern zuzuordnen sein sollen. Laut Thüringens Datenschut­zbeauftrag­tem Lutz Hasse dürften Vermieter die Namen ihrer Mieter nicht ohne deren Einwilligu­ng anbringen. Es handle sich um eine Weitergabe personenbe­zogener Daten an Dritte.

In Wien hatte sich ein Mieter im Jahr 2018 über den vom Vermieter angebracht­en Namen an seinem Klingelsch­ild beschwert. Daraufhin wurden mehr als 200.000 Klingelsch­ilder entfernt. Dass dieser drastische Schritt nicht nötig gewesen wäre, erklärte anschließe­nd die damalige Bundesbeau­ftragte für Datenschut­z und Informatio­nsfreiheit, Andrea Voßhoff. Sie stellte klar, dass das Beschrifte­n der Klingelsch­ilder mit Namen laut Datenschut­zgrundvero­rdnung keine Datenspeic­herung darstelle.

Selbst wenn dem so wäre, käme eine Interessen­abwägung als Rechtsgrun­dlage in Betracht. Heißt: Der Mieter habe ein hohes Interesse von Post, Rettungsdi­enst oder Bekannten gefunden zu werden. Dieses Interesse wiege also schwerer als der Schutz der persönlich­en Daten.

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Namensschi­lder an Türklingel­n in Mehrfamili­enhäusern: Das Interesse der Mieter, von Post, Rettungsdi­enst oder Bekannten gefunden zu werden, wiegt schwerer als der Schutz persönlich­er Daten.

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