Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)

Der Ski-irrsinn geht wieder los

Popkonzert­e und Schneekano­nen: Skiveranst­alter in den Alpen ziehen alle Register, um für Touristen attraktiv zu bleiben

- VON JONAS ERLENKÄMPE­R

GABERL/GRAINAU. Blauer Himmel, 20 Grad – optimales Skiwetter sieht anders aus. Doch trotz der milden Temperatur­en rüsten sich die Bergorte für den Skizirkus.

In der Steiermark haben sie am Gaberl neun Schneekano­nen angeschaff­t, dafür hat das kleine Skigebiet mit seinen zwei Schlepplif­ten westlich von Graz viel Geld investiert: 22.000 Euro kostet jedes der Geräte. Ein Hubschraub­er flog die an Ketten hängenden, 900 Kilo schweren Kolosse einzeln hinauf auf den Berg. „Wir wollen so schnell wie möglich den Betrieb aufnehmen.

Es ist schon alles bereit“, so Skilift-betreiber Thomas Gauss. Die Beschneier stehen jetzt entlang der Hauptpiste, auch die Schneenetz­e sind schon gespannt. Nur eines fehlt den Gastronome­n noch zu ihrem Winterglüc­k: Frost.

Ein Problem, mit dem sich viele Skigebiete dies- und jenseits der Alpen auseinande­rsetzen. Auch an der Zugspitze, Deutschlan­ds höchstem Berg, haben sie sich den Saisonstar­t anders vorgestell­t. Nicht nur dass die vor knapp einem Jahr erwartungs­voll eröffnete, 50 Millionen Euro teure Seilbahn seit einer Panne im Herbst stillsteht – auch den offizielle­n Saisonbegi­nn am Freitag haben die Veranstalt­er wetterbedi­ngt verschoben. Der Winterspor­t im deutschspr­achigen Raum kriselt vor sich hin. Die Skifahrerz­ahlen stagnieren, milde Winter erschweren das Geschäft.

Ohne teure Beschneiun­gsanlagen wäre Skifahren auf vielen Pisten gar nicht mehr möglich. Allein Österreich hat seit 2000 eine Milliarde Euro in künstliche Beschneiun­gsanlagen investiert. „Es gibt Regionen, in denen Skipisten keine Zukunft haben“, mahnt Thomas Bucher vom Deutschen Alpenverei­n (DAV).

Eine Dav-studie kommt zu dem Schluss, dass Winterspor­t in bis zu 50 Prozent der bayerische­n Skiorte in den nächsten 15 bis 25 Jahren unmöglich sein wird. Bucher spricht von einem „Wettlauf gegen den Klimawande­l“: Mit immer neuen Investitio­nen in Schneekano­nen, Lifte und Gipfelattr­aktionen versucht die Tourismusb­ranche, weiterhin Gäste anzulocken.

Viele Winterspor­torte schließen sich zusammen. Etwa Lech Zürs und St. Anton, durch deren Fusion das mit 305 Pistenkilo­metern größte Skigebiet Österreich­s (Ski Arlberg) entstand. Und im Dezember wollen sich zwei Regionen zur „Skiarena Andermatt-sedrun“vereinigen. Auch dort werben die Liftbetrei­ber mit einem Superlativ: Es entsteht das größte Winterspor­tareal der Zentralsch­weiz.

Ein Problem: Seit die Skigebiete mit Schneekano­nen hochgerüst­et werden, steigen die Preise – was vor allem Familien vergrault. Der bayerische Verbund „Alpen plus“, zu dem kleinere Gebiete wie Lenggries, Wendelstei­n und Spitzingse­e gehören, verlangt für sechs Tage Skifahren auf zusammen 160 Pistenkilo­metern in diesem Winter 195 Euro – mehr als acht Prozent Aufschlag gegenüber der letzten Saison. In Flimslaax, Saas-fee (Schweiz) oder Chamonix (Frankreich) kosten die Lifte sogar weit über 300 Euro.

Ischgl holt Us-musikstars ins Bergbauern­dorf

Trotzdem sieht die Branche keine Alternativ­e zum Kunstschne­e. Durch die Kanonen verbrauche­n die Skigebiete laut Umweltexpe­rten so viel Wasser wie die Millionens­tadt München. Die Hoffnungen ruhen auf neuen Modellen, die Schnee aus künstliche­n Wolken erzeugen und weniger Wasser und Strom benötigen.

Nur in den Partyorten bereitet der kriselnde Winterspor­t kaum jemandem schlaflose Nächte. Kitzbühel etwa, wo Skifahrer bereits auf konservier­tem Altschnee unterwegs sind, wirbt mit dem spektakulä­ren Hahnenkamm­rennen. Und Ischgl lockt die Massen mit Superstars: In dieser Saison kommen Jason Derulo und Lenny Kravitz nach Tirol.

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Skifahren bei  Grad – Kunstschne­e-piste am Resterkoge­l in den Kitzbühele­r Alpen. Fotos: dpa/pa; imago
 ?? Ski ist mehr als Skifahren: Party in Ischgl im Helene-fischer-outfit. ??
Ski ist mehr als Skifahren: Party in Ischgl im Helene-fischer-outfit.

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