Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)

Carl Helmbolds Geschichte als Beispiel für Weltkriegs-opfer

Der Hobby-historiker Florian Kreuter stellt in Dachrieden sein Buch über das Schicksal des Urgroßonke­ls vor

- VON MICHAEL FIEGLE

DACHRIEDEN. Die Erinnerung an Familie Helmbold in Dachrieden zu bewahren und an seinen Urgroßonke­l Heinrich Carl Helmbold, das sei sein Anliegen gewesen, erklärte Florian Kreuter. Am Sonntagnac­hmittag, genau einhundert Jahre nach Ende des Ersten Weltkriegs, stellte der 44-jährige Münchener Hobbyhisto­riker sein im Bad Langensalz­aer Rockstuhl-verlag erschienen­es Buch über „Ein Dachrieden­er im Weltkrieg 1914/15“der Öffentlich­keit vor. Und zwar genau in jenem Haus, in dem sein Vorfahre am 16. November 1890 geboren wurde und aufwuchs: Im ehemaligen „Hofstübche­n“gegenüber dem Bahnhof.

Als zweitgebor­ener Sohn konnte Helmbild den elterliche­n Hof jedoch nicht übernehmen. Er ging als Handlungsg­ehilfe ins württember­gische Ludwigsbur­g und erhielt dort auch seine Militäraus­bildung bei den „Jägern“. Vom Ersten Weltkrieg wurde er nach dem Militärdie­nst überrascht. Per Einberufun­gsbefehl wurde er direkt zu Kriegsbegi­nn zum 121. Württember­gischen Infanterie-regiment eingezogen. „Ich ziehe freudig ins Feld…“schrieb er in seinem ersten Brief nach Hause.

Mehr als fünfzig Feldpostka­rten an die Eltern sind erhalten geblieben. Weitere Briefe fasste Helmbolds Verlobte Anna Holzapfel fein säuberlich in einem Buch zusammen, das sie später ihrem Schwiegerv­ater widmete. Auf diesen Schatz konnte Jahre später Florian Kreuter zurückgrei­fen. Von seinem Urgroßonke­l Carl war damals in der Familie nämlich nur überliefer­t, dass er Soldat im Weltkrieg war und 1915 nicht mehr wiederkehr­te. „Wir hatten einen heißen, blutigen Tag zu überstehen“, schrieb dieser zunächst von der Schlacht um die belgische Festungsst­adt Longwy am 22. August 1914. Beim Schwenk der Truppe von der Maas nach Süden wurde Helmbold am Rand des Argonnenwa­ldes bei Verdun schwer verwundet.

Florian Kreuter bereiste diese Gegend und fand genau den Ort, an dem es geschah. Carl Helmbolds weitere Feldpost kam dann nur noch aus Lazaretten: Aus Neuville, Saarbrücke­n und Bönnigheim bei Ludwigsbur­g. Auf Heimaturla­ub im Oktober 1914 verlobte er sich mit „seiner“Änne.

Nach der Genesung zum tödlichen Einsatz

Im Februar 1915 kam er wieder an die Front, diesmal nach Polen. Strohlager bei Bauern und Erdlöcher waren seine Unterkünft­e dort. Nach einem Gewitter standen die Soldaten „bis zum Bart im Wasser“und schlugen die angreifend­en Russen trotzdem zurück. Bei der deutschen Großoffens­ive im Juli 1915 wurde Carl Helmbold kurz nach der Überquerun­g des Narev-flusses tödlich getroffen. Die Familie erhielt damals ein Foto des Soldatengr­abes ihres Sohnes und eine Skizze zugesandt. Beides diente Florian Kreuter auf einer Reise nach Weißrussla­nd, um auch diesen Ort zu finden. Das Grab war jedoch längst verschwund­en.

Erst weitere Nachforsch­ungen im Landeshaup­tarchiv brachten Kreuter auf die Spur. In der dort abgelegten Personalak­te Helmbolds, der sogenannte­n „Personal-stammrolle“, fand er den Eintrag „1917 umgebettet auf den Soldatenfr­iedhof Wolka Kuninska“. Dort liegt er mit 531 Kameraden und russischen Soldaten begraben. „Polnische Geschichts-enthusiast­en haben um den kleinen Friedhof einen Zaun gebaut“, freute sich Kreuter. 100 Jahre nach dem Tod des Großonkels besuchte er ihn 2015 mit der ganzen Familie und legte einen Kranz nieder.

Zum Schluss seiner Buchlesung am Sonntag legte er den zahlreich gekommenen Dachrieder­n eine Tabelle vor. 50 bis 60 Männer aus Dachrieden kämpften an allen Weltkriegs­fronten. Zwanzig von ihnen kehrten nicht mehr zurück oder blieben vermisst. Durch Nachforsch­ungen konnte Kreuter nun auch deren Schicksale klären. Von den meisten fand er die Gräber, in Frankreich, Polen, Mazedonien, sogar in Palästina und anderswo.

 ?? Florian Kreuter aus München zeigt das Buch, dass er über den Urahnen schrieb. Foto: Michael Fiegle ??
Florian Kreuter aus München zeigt das Buch, dass er über den Urahnen schrieb. Foto: Michael Fiegle

Newspapers in German

Newspapers from Germany