Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)
Carl Helmbolds Geschichte als Beispiel für Weltkriegs-opfer
Der Hobby-historiker Florian Kreuter stellt in Dachrieden sein Buch über das Schicksal des Urgroßonkels vor
DACHRIEDEN. Die Erinnerung an Familie Helmbold in Dachrieden zu bewahren und an seinen Urgroßonkel Heinrich Carl Helmbold, das sei sein Anliegen gewesen, erklärte Florian Kreuter. Am Sonntagnachmittag, genau einhundert Jahre nach Ende des Ersten Weltkriegs, stellte der 44-jährige Münchener Hobbyhistoriker sein im Bad Langensalzaer Rockstuhl-verlag erschienenes Buch über „Ein Dachriedener im Weltkrieg 1914/15“der Öffentlichkeit vor. Und zwar genau in jenem Haus, in dem sein Vorfahre am 16. November 1890 geboren wurde und aufwuchs: Im ehemaligen „Hofstübchen“gegenüber dem Bahnhof.
Als zweitgeborener Sohn konnte Helmbild den elterlichen Hof jedoch nicht übernehmen. Er ging als Handlungsgehilfe ins württembergische Ludwigsburg und erhielt dort auch seine Militärausbildung bei den „Jägern“. Vom Ersten Weltkrieg wurde er nach dem Militärdienst überrascht. Per Einberufungsbefehl wurde er direkt zu Kriegsbeginn zum 121. Württembergischen Infanterie-regiment eingezogen. „Ich ziehe freudig ins Feld…“schrieb er in seinem ersten Brief nach Hause.
Mehr als fünfzig Feldpostkarten an die Eltern sind erhalten geblieben. Weitere Briefe fasste Helmbolds Verlobte Anna Holzapfel fein säuberlich in einem Buch zusammen, das sie später ihrem Schwiegervater widmete. Auf diesen Schatz konnte Jahre später Florian Kreuter zurückgreifen. Von seinem Urgroßonkel Carl war damals in der Familie nämlich nur überliefert, dass er Soldat im Weltkrieg war und 1915 nicht mehr wiederkehrte. „Wir hatten einen heißen, blutigen Tag zu überstehen“, schrieb dieser zunächst von der Schlacht um die belgische Festungsstadt Longwy am 22. August 1914. Beim Schwenk der Truppe von der Maas nach Süden wurde Helmbold am Rand des Argonnenwaldes bei Verdun schwer verwundet.
Florian Kreuter bereiste diese Gegend und fand genau den Ort, an dem es geschah. Carl Helmbolds weitere Feldpost kam dann nur noch aus Lazaretten: Aus Neuville, Saarbrücken und Bönnigheim bei Ludwigsburg. Auf Heimaturlaub im Oktober 1914 verlobte er sich mit „seiner“Änne.
Nach der Genesung zum tödlichen Einsatz
Im Februar 1915 kam er wieder an die Front, diesmal nach Polen. Strohlager bei Bauern und Erdlöcher waren seine Unterkünfte dort. Nach einem Gewitter standen die Soldaten „bis zum Bart im Wasser“und schlugen die angreifenden Russen trotzdem zurück. Bei der deutschen Großoffensive im Juli 1915 wurde Carl Helmbold kurz nach der Überquerung des Narev-flusses tödlich getroffen. Die Familie erhielt damals ein Foto des Soldatengrabes ihres Sohnes und eine Skizze zugesandt. Beides diente Florian Kreuter auf einer Reise nach Weißrussland, um auch diesen Ort zu finden. Das Grab war jedoch längst verschwunden.
Erst weitere Nachforschungen im Landeshauptarchiv brachten Kreuter auf die Spur. In der dort abgelegten Personalakte Helmbolds, der sogenannten „Personal-stammrolle“, fand er den Eintrag „1917 umgebettet auf den Soldatenfriedhof Wolka Kuninska“. Dort liegt er mit 531 Kameraden und russischen Soldaten begraben. „Polnische Geschichts-enthusiasten haben um den kleinen Friedhof einen Zaun gebaut“, freute sich Kreuter. 100 Jahre nach dem Tod des Großonkels besuchte er ihn 2015 mit der ganzen Familie und legte einen Kranz nieder.
Zum Schluss seiner Buchlesung am Sonntag legte er den zahlreich gekommenen Dachriedern eine Tabelle vor. 50 bis 60 Männer aus Dachrieden kämpften an allen Weltkriegsfronten. Zwanzig von ihnen kehrten nicht mehr zurück oder blieben vermisst. Durch Nachforschungen konnte Kreuter nun auch deren Schicksale klären. Von den meisten fand er die Gräber, in Frankreich, Polen, Mazedonien, sogar in Palästina und anderswo.