Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)

Hat Merkel die Kraft zum Neustart?

Die Kanzlerin hat wenig Zeit, um Lehren aus der Bayern-wahl zu ziehen. Ihre möglichen Nachfolger zeigen im Wahlkampf Präsenz

- VON MIGUEL SANCHES

BERLIN. Nach der Bayern-wahl ist vor der Hessen-wahl. Diese Woche ist Angela Merkel internatio­nal gefordert, ein Eu-gipfel steht an. Danach stürzt sich die Kanzlerin und Cdu-chefin auf der Zielgerade­n in den Wahlkampf. Drei Tage lang ist sie in Hessen unterwegs: Kassel, Dieburg, Ortenberg, Fulda. Drei Hochburgen der CDU in der Provinz und eine Stadt, Kassel, in der eine realistisc­he Chance besteht, eine Spd-bastion zu schleifen. Sie kämpft um christdemo­kratische Stammwähle­r. Es geht um Schadensbe­grenzung. Der Trend ist negativ.

Aufgeben passt nicht zu ihr. Wenn sie aussteigen will, dann nicht im Affekt wegen einer verlorenen Wahl, sondern nach Plan. Es spricht auch wenig dafür, dass die CDU sie bedrängen wird, überstürzt auf dem nächsten Parteitag im Dezember nicht zu kandidiere­n. Auf Journalist­enfragen antwortete Sachsenanh­alts Ministerpr­äsident Reiner Haseloff (CDU) am Montag: „Wer soll sonst antreten?“Wort zu halten und zugleich den Zeitpunkt für einen Ausstieg zu finden, erscheint Merkel seit Jahren „viel schwerer, als ich mir das früher vorgestell­t habe“. Ihre Lehre für die Hessenwahl sei, dass sie stärker dafür Sorge tragen müsse, dass das Vertrauen der Bevölkerun­g „da ist und damit auch die Resultate unserer Arbeit sichtbar werden“. Schon am Sonntag will sie in den Cdu-gremien Rat halten.

Als viele schon vor der letzten Bundestags­wahl über Merkels Zukunft rätselten, ließ sich ein Experte für Beharrungs­kräfte, Innenminis­ter Horst Seehofer (CSU), nicht beirren. „M.A.L.A.“sagte er nur. Steht für Macht, Anerkennun­g, Leidenscha­ft und Alternativ­losigkeit. Die ersten drei Punkte sind Merkel weiterhin wichtig – aber ob sie noch alternativ­los ist? Eine Antwort darauf gibt, wen Hessens CDU als Redner aus Berlin abgerufen hat. In Frankfurt, Offenbach, Wiesbaden und Darmstadt sind Generalsek­retärin Annegret Kramp-karrenbaue­r und Gesundheit­sminister Jens Spahn fast jeden Tag in der Woche vor der Wahl unterwegs, sie sechs Mal, er 15 Mal.

Manche in der CDU erwarten, dass Seehofer in den nächsten Wochen aufhört. Da ist womöglich der Wunsch Vater des Gedankens. Denn sie wissen, dass die CSU, insbesonde­re Seehofer, für die SPD zum Reizobjekt geworden ist. Die Sozialdemo­kraten sind für die CDU schwer auszurechn­en. Bei der SPD gehe es nicht mehr rational zu, heißt es in der Cdu-führung. Ihr Ausstieg wird als reale Gefahr angesehen, weil die Partei in Bayern gedemütigt wurde und weil sie mit ihrer Rolle in der großen Koalition hadert. Die SPD trägt einen Grundkonfl­ikt aus; mithin ist ihr Problem nicht mit Rücktritte­n zu lösen.

Und so könnte es kommen, dass am Ende CSU und SPD Merkel die Entscheidu­ng abnehmen. Die Kanzlerin hat nur versproche­n, diese Legislatur­periode zu Ende zu bringen. Was danach kommt, ist offen und auch nicht mehr ihr Problem.

Newspapers in German

Newspapers from Germany