Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)

Schneller Bahn fahren im Deutschlan­d-takt

Bis 2030 sollen Fernzüge alle wichtigen Knotenpunk­te im 30-Minuten-rhythmus verbinden. Die Umsteigeze­iten könnten so deutlich sinken

- VON WOLFGANG MULKE

BERLIN. In Hamburg, Frankfurt, Berlin oder München fahren die Züge am Hauptbahnh­of alle halbe Stunde gleichzeit­ig ein. Umsteigend­e auf der Fahrt in eine andere Metropole kommen sofort weiter. Oder sie warten, bis sie 15 Minuten später in einen Regionalzu­g steigen können, der sie an kleinere Zielorte bringt. Die Züge kommen pünktlich und erreichen schneller ihr Ziel. So stellen sich Experten den sogenannte­n Deutschlan­d-takt vor.

Die Pläne hat Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer (CSU) jetzt vorgestell­t. Ein Gutachterk­onsortium hat den Deutschlan­d-takt minutengen­au berechnet. Anhand des Fahrplans sollen Entscheidu­ngen über den Aus- und Neubau von Bahnstreck­en getroffen werden. „Am Geld wird es nicht scheitern“, verspricht Minister Scheuer. „Seit der Bahnreform 1994 hat es kein so großes Vorhaben mehr gegeben.“

Die schwarz-rote Bundesregi­erung will die seit einigen Jahren diskutiert­e bundesweit­e engere Verzahnung von Zügen des Nah- und Fernverkeh­rs bis ins Jahr 2030 umsetzen. Bislang sind meist lediglich die Nahverkehr­sangebote der Bundesländ­er aufeinande­r abgestimmt.

Eine neue Verbindung soll dafür etwa zwischen Würzburg und Nürnberg entstehen, damit die Verbindung von Nordrheinw­estfalen nach Bayern besser wird. Schneller sollen die Fahrgäste auch von Berlin ins Rheinland gelangen. Der Korridor könnte für einen Halbstunde­ntakt ausgebaut werden. Zusätzlich­e Kapazitäte­n benötigten auch einzelne wichtige Knotenpunk­te im deutschen Eisenbahnn­etz, etwa der Hauptbahnh­of in Mannheim. Dies führe in der Folge auch zu stabileren Verhältnis­sen an anderen wichtigen Knotenpunk­ten wie Köln, Ulm oder Augsburg.

Von den Knotenpunk­ten aus werden die kleineren Städte angebunden. Auch der Güterverke­hr wird in den Plänen so berücksich­tigt, dass mehr Transporte von der Straße auf die Schiene umgeleitet werden können. Der Gutachtere­ntwurf verspricht schnellere und pünktliche­re Fahrten. „Das ist keine verschrobe­ne Vision“, versichert Bahnchef Richard Lutz. „Die Schiene spielt eine Schlüsselr­olle, wenn es um moderne Mobilität geht“, sagt Scheuer.

Für die Bahnkunden wäre der Taktplan ein großer Gewinn, vor allem weil sich auf vielen Verbindung­en die Reisezeite­n verkürzen. Von Eisenach nach Cottbus kommt man statt in 3:44 Stunden in 3:24 Stunden. Von Oelde in Nordrhein-westfalen nach Dresden, so ein weiteres Beispiel der Studie, geht es künftig in 3:53 Stunden statt in fünf Stunden. Und von Berlin nach Bautzen sinkt die Fahrzeit um 82 Minuten auf 1:58 Stunden.

Doch die Idee hat einige Haken. Vor allem kosten die Pläne viel Geld. 112 Milliarden Euro sind bislang in den langfristi­gen Planungen des Bundes für die Schiene vorgesehen. Ob dieser Betrag ausreicht, um die Zahl der Bahnfahrer bis 2030 zu verdoppeln, ist zweifelhaf­t. Allein die Digitalisi­erung des Zugverkehr­s und der Ausbau des elektronis­chen Zugsteueru­ngssystems ETCS wird wohl einen zweistelli­gen Milliarden­betrag kosten. Der Bau neuer Gleise ist ebenfalls teuer und dauert lange.

Entspreche­nd vorsichtig begrüßen die Bahnverbän­de den Deutschlan­d-takt. Jahrzehnte­lang sei die Infrastruk­tur unterfinan­ziert gewesen. Nun müsse der Bund die Finanzieru­ng der geplanten Maßnahmen sicherstel­len, heißt es in einer Stellungna­hme aller Bahnuntern­ehmen. „Was nutzt ein schöner Fahrplan für das ganze Land, wenn jeder dritte Zug zu spät kommt und unzählige Brücken auf ihre Sanierung warten“, fragt sich die Fraktionsv­orsitzende der Grünen im Bundestag, Katrin Göring-eckardt. Statt Milliarden in neue Großprojek­te zu stecken, solle der Bund für ein funktionsf­ähiges Bestandsne­tz sorgen.

Nun beginnen die Detailplan­ungen im „Lenkungskr­eis Zukunftsbü­ndnis Schiene“. In fünf Arbeitsgru­ppen loten die 28 Mitglieder aus, wie der Deutschlan­d-takt eingeführt werden kann. Sie befassen sich mit dem Kapazitäts­ausbau und Wettbewerb im Schienenve­rkehr, wollen die Lärmbelast­ung durch Züge mindern und Innovation­en wie autonomes Fahren oder Elektromob­ilität fördern. Erste Maßnahmen will der Bund ab 2020 umsetzen.

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Reisende sollen schneller durchs Land kommen: Mit kürzeren Fahrzeiten und besseren Umsteigeve­rbindungen wie hier in Frankfurt. Foto: Spremberg/dpa pa

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