Thüringische Landeszeitung (Jena)
Wem gehört Ihr Beifall?
Eine freudige Erwartung liegt in der Luft. Die Menschen sind aufgeregt. Und dann endlich erscheinen sie, auf die die Fans sehnsüchtig gewartet haben: die Medienstars, die erfolgreichen Fußballer oder die guten Handballer. Die Menschen fangen an zu klatschen. Der rote Teppich ist aufgerollt. Die Bedeutendsten aus der Politik und Wirtschaft treffen sich. Die Fernseherteams und Radiosender sind vor Ort. Alle warten, was passieren wird.
An diesem Palmsonntag wird eine Geschichte in den Gottesdiensten gelesen, die von Ruhm und jubelnden Menschenmengen erzählt. Jesus zieht nach Jerusalem ein und die Menschen sind von ihm begeistert. Ein paar Tage später wünschen sie sich, dass er beseitigt wird. Erschreckend wie schnell sich die Meinung vieler Menschen verändern kann! Wie ist es möglich, dass die öffentliche Meinung innerhalb kurzer Zeit umschlägt? Erstmal reißen sich um einen und dann zerreißen sie ihn! Ein Grund dafür: sich eine eigene Meinung zu bilden ist mit viel Zeit und Anstrengung verbunden. Da muss man viel recherchieren und überhaupt, wer weiß, was wirklich wahr ist. So verlässt man sich eben auf die Meinung des Anderen. Nach welchen Maßstäben entscheiden wir, welchen Menschen wir zujubeln? Denn diese Menschen haben dann das Sagen und gestalten unsere Gesellschaft, in der wir leben. Es hat tiefgreifende Konsequenzen, nach welchen Kriterien wir Menschen auswählen, die unser Leben beeinflussen. Jesus handelte nach der Tradition der Propheten. Ihre Kriterien für die Menschen in entscheidenden Positionen waren: die Bedürftigen zu stützen, die Schere zwischen reich und arm so klein wie möglich zu halten, die Bereicherung auf Kosten der Schwachen zu stoppen. In solchem Handeln liegt der Segen. Man soll nur denjenigen Mächtigen zujubeln, die soziale Gerechtigkeit anstreben. Kriterien, die ihre Gültigkeit nicht verloren haben. Menschen, die sich dafür einsetzen, ob im Kleinen oder Großen, gehört unser aller Beifall.