Thüringische Landeszeitung (Jena)
Ein Urteil, das Millionen Steuerzahler trifft
Der Solidaritätszuschlag ist laut Bundesfinanzhof verfassungsgemäß. Was folgt daraus? Antworten auf die wichtigsten Fragen
Berlin. Dämpfer für Millionen Steuerzahler: Der Bundesfinanzhof hat eine Klage gegen den Solidaritätszuschlag abgewiesen. Die Abgabe ist nach Auffassung des höchsten deutschen Finanzgerichts nicht verfassungswidrig. Damit werden Menschen mit sehr hohen Einkommen weiter den Soli zahlen müssen:
Was genau hat der Bundesfinanzhof entschieden?
Die Münchner Richter halten den Solidaritätszuschlag für rechtmäßig. Sie wiesen damit die Klage eines Ehepaars aus Bayern ab, das mit Unterstützung des Bundes der Steuerzahler gegen die Zahlung des Zuschlags in den Jahren 2020 und 2021 geklagt hatte. Die Kläger brachten zwei zentrale Argumente vor: Der Zweck des Solis sei entfallen. Außerdem verstoße der Umstand, dass nur noch eine kleine Minderheit die Abgabe zahlen muss, gegen den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes.
Was ist überhaupt der Soli?
Der Solidaritätszuschlag ist ein Zuschlag auf die Einkommensteuer in Höhe von 5,5 Prozent. Er wurde 1991 zur Finanzierung der Deutschen Einheit eingeführt. 2019 lief der sogenannte Solidarpakt II aus, seitdem gibt es keine Sonderfinanzierung der ostdeutschen Länder mehr. Die damalige große Koalition aus Union und SPD konnte sich aber nicht auf eine Komplett-Abschaffung des Solis verständigen. Er fiel 2020 zwar für die meisten Steuerzahler weg, nicht aber für die oberen zehn Prozent mit besonders hohen Einkommen.
Wie begründet der Bundesfinanzhof sein Urteil?
„Im vorliegenden Fall ist das Gericht nicht von der Verfassungswidrigkeit des Solidaritätszuschlags für die Jahre 2020 und 2021 überzeugt“, sagte Gerichtspräsident Hans-Josef Thesling. Die Richter argumentierten, dass zwar der Solidarpakt II weggefallen sei. Der Bund habe aber schlüssig dargelegt, dass die Wiedervereinigung weiter einen höheren Finanzbedarf verursacht. Auch einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz konnten die Richter nicht erkennen.
Was genau wollten die Kläger erreichen?
Sie wollten, dass der Bundesfinanzhof den Soli als verfassungswidrig einstuft und den Fall zur abschließenden Klärung dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe vorlegt. Das geschieht jetzt nicht. Die Kläger haben jetzt aber selbst vier Wochen Zeit für eine mögliche Verfassungsbeschwerde. Eine Beschwerde der FDP gegen den Soli ist seit 2020 ohnehin in Karlsruhe anhängig. Die Liberalen treten für eine Komplett-Abschaffung ein. Als sie noch in der Opposition waren, klagten FDP-Abgeordnete gegen die damals beschlossene Regelung.
Wie viele Menschen müssen den Soli noch zahlen?
Geschätzt wird, dass noch 2,5 Millionen Steuerzahler betroffen sind. Bei Alleinstehenden wird der Soli fällig ab einer Einkommensteuer von 17.534 Euro im Jahr. Bei Verheirateten liegt die Grenze bei 35.086 Euro. Dann muss aber noch nicht der volle Soli bezahlt werden, es schließt sich vielmehr eine Gleitzone an, die laut Bundesfinanzministerium ab 2022 bei einem Einkommen von 62.000 für Alleinstehende und 125.000 für zusammen veranlagte Paare beginnt. Der volle Soli wird ab 96.800 Euro
(Singles) beziehungsweise 193.600 Euro (Verheiratete) fällig. Der Zu- schlag wird auch auf Kapitalerträge sowie die Körperschaftsteuer erho- ben, die Unternehmen zahlen.
Wie viel Geld bringt der Soli dem Staat ein?
Die Einnahmen des Bundes aus dem Soli betrugen zuletzt noch elf Milliarden Euro. Durch den Wegfall des Solis für den größten Teil der Steuerzahler im Jahr 2020 gingen dem Staat Einnahmen in ähnlicher Größenordnung verloren.
Wie steht die amtierende Regierung zum Soli?
Sie hat dazu keine einheitliche Posi- tion. SPD und Grüne meinen, dass Menschen mit sehr hohen Einkom- men stärker zur Finanzierung des Gemeinwesens herangezogen wer- den sollten. Die FDP um Parteichef und Finanzminister Lindner sieht das anders. Bei ihren Koalitionsver- handlungen nach der Bundestags- wahl 2021 hatten die drei Ampel- Partner das Thema ausgespart. Auch die oppositionelle Union dringt darauf, den Solidaritätszu- schlag für alle zu streichen.
Ist es denkbar, dass Karlsruhe den Zuschlag doch noch kippt?
Grundsätzlich ja. Ob es dazu kommt, ist offen. Die Verfassungs- beschwerde der FDP haben die Karlsruher Richter noch nicht ver- handelt, vermutlich wollten sie auch das Urteil des Bundesfinanz- hofs abwarten. Sollten die nun unterlegenen Kläger nach Karlsru- he ziehen, wird die Angelegenheit noch mal dringlicher. In FDP-Krei- sen hieß es am Montag, vor 2024 sei kaum mit einem Urteil zu rechnen. Selbst wenn die Richter entscheiden, dass der Soli in der gegenwärtigen Form nicht rechtmäßig sei, stelle sich die Frage, ob sie ihn rückwirkend für ungültig erklären.