Thüringische Landeszeitung (Jena)
Erste Strompreise fallen – wann sich ein Wechsel lohnt
Grundversorgungstarife haben deutlich zugelegt, doch es gibt wieder preiswertere Alternativen. Worauf Verbraucher jetzt achten sollten
Bisher war die sogenannte Grundversorgung beim Strom oft die günstigste Alternative für Verbraucher. Nun wird es bei vielen Grundversorgern aber teuer. Der Blick auf Alternativen lohnt sich wieder. Denn erste Anbieter reagieren auf die fallenden Preise an der Börse, senken auch ihre Tarife und sind damit zum Teil billiger als der Grundversorger. Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Wie entwickelt sich der Strompreis?
An der Börse, also im Großhandel, wird Strom wieder deutlich günstiger. Der Preis für eine Megawattstunde Strom lag dort zuletzt bei rund 180 Euro, so das Vergleichsportal Verivox. Das ist deutlich günstiger als noch im September, wo mehr als 500 Euro pro Megawattstunde verlangt wurden. Das Preisniveau bleibt dennoch hoch. Zum Vergleich: Vor Beginn der Energiekrise bewegten sich die Preise im langjährigen Mittel zwischen 35 und 55 Euro je Megawattstunde. „An den Energiemärkten herrscht derzeit eine verhalten optimistische Stimmung“, sagt Thorsten Storck, Energieexperte bei Verivox. Ein Grund ist der milde Winter. In dieser Situation können die Stromversorger kurzfristig sehr günstig Elektrizität einkaufen. Außerdem war es seit dem Jahreswechsel sehr windig. Dadurch haben die Windräder viel Energie produziert. In Gaskraftwerken musste deutlich weniger Gas verbrannt werden, um daraus Strom zu erzeugen. Strom aus Gaskraftwerken verursacht die höchsten Kosten.
Was heißt das für die Grundversorgung?
Viele Kunden bekommen dieser Tage die Ankündigung, dass ihr Stromtarif steigen wird. Steigende Tarife bei sinkenden Einkaufspreisen begründet Eon-Chef Leonhard Birnbaum gegenüber dem „Handelsblatt“damit, dass die hohen Börsenpreise vom Sommer nicht komplett an die Kunden weitergereicht wurden, sondern nur zu etwa 30 Prozent. Endverbraucher müssen sich gedulden, bis sich gesunkene Preise auf den Abrechnungen bemerkbar machen. Die hohen Preise, die viele Haushalte aktuell bezahlen, spiegeln Einkaufspreise der Vergangenheit wider.
Wie können Verbraucher reagieren?
Der veränderte Markt eröffnet ihnen wieder mehr Optionen. „Im vergangenen Jahr stand der Energiemarkt Kopf, die normalerweise teure örtliche Grundversorgung war fast durchgehend günstiger als die Neukundentarife überregionaler Versorger. Nun kehrt sich das Verhältnis wieder um“, sagt Energieexperte Storck. „Alternativversorger sind wieder wesentlich günstiger als die örtliche Grundversorgung – im Schnitt um 118 Euro im Jahr. Und das zusätzlich zur Entlastung durch die Strompreisbremse“, sagt Steffen Suttner, Geschäftsführer Energie beim Vergleichsportal
Check24. Die Strompreisbremse deckelt den Preis für 80 Prozent des Verbrauchs bei 40 Cent je kWh. „Verbraucher haben bei einer Preisänderung das Recht der Sonderkündigung“, sagt Carina Habeck von der Verbraucherzentrale SchleswigHolstein. Das gelte sowohl für die Grundversorgung wie auch für Sonderverträge. Ein Sondervertrag besteht, wenn ein Verbraucher diesen Tarif aktiv ausgesucht hat.
Lohnt ein Anbieterwechsel?
„Ob sich ein Wechsel lohnt, hängt von einzelnen Bedürfnissen ab“, sagt Verbraucherschützerin Habeck. Es sei momentan nicht absehbar, wie sich die Preise für Strom sowohl in der Grundversorgung als auch bei den Sonderverträgen verändern werden. Denn die Kostenersparnis ist eine Momentaufnahme. Wer noch ein, zwei Monate in der teureren Grundversorgung verharrt, kann dann eventuell einen noch günstigeren Vertrag mit einer Preisgarantie von zwölf Monaten abschließen als jetzt. Denn aus der Grundversorgung kommt man mit einer Kündigungsfrist von zwei Wochen heraus. Allerdings können dort die Preise auch noch weiter steigen. Bei den günstigeren Anbietern ist man zwölf Monate gebunden. Aber dass die Entwicklung so verläuft, ist nicht sicher. Auch die Tarife der Sonderverträge können wieder steigen. Schon eine weitere Dunkelflaute reicht aus: kaum Sonne, wenig Wind. Dann laufen die Gaskraftwerke wieder auf Hochtouren und verteuern den Strompreis an der Börse.
Wie reagiere ich, wenn eine Tariferhöhung kommt?
Zunächst sollte man die Fristen prüfen. In der Grundversorgung muss eine Preisänderung mit einem Vorlauf von sechs Wochen angekündigt werden.
Bei den übrigen Verträgen sind es meist vier Wochen. In einem Sondervertrag beträgt die Frist einen Monat. Außerdem müssen die Anbieter Formalien beachten. Der Verbraucher muss auf sein Sonderkündigungsrecht hingewiesen werden, sonst ist die Preiserhöhung unwirksam.
Was ist mit den Boni?
Im Dezember kamen wieder viele Tarife mit hohen Boni auf den Markt, bevor die Regierung den Anbietern einen Strich durch die Rechnung machte. „Bei den Top-5-Anbietern lag die durchschnittliche Bonushöhe bei 334 Euro im Jahr – bei einem Verbrauch von 4000 kWh“, sagt ein Sprecher von Verivox. Doch das hatte auch Auswirkungen auf den Strompreis, der meist die Marke von 50 Cent überschritt. Das Kalkül der Anbieter war klar: Der Verbraucher kassiert hohe Boni, und der Strompreis ist für 80 Prozent des Verbrauchs bei 40 Cent gedeckelt. Doch mit der Strompreisbremse erließ die Regierung eine Regelung, nach der Zugaben oder Vergünstigungen ab 1. Januar 2023 den Wert von 50 Euro im Jahr nicht übersteigen dürfen. Schon Ende Dezember haben die Anbieter die Tarife wieder vom Markt genommen.