Thüringische Landeszeitung (Jena)
Hilferuf der Transportbranche: Lieferketten in Gefahr
Lastwagen fahren ihre Kosten durch steigende Spritpreise nicht mehr ein. Verbandschef befürchtet Insolvenzwelle
Berlin. Die Transportbranche in Deutschland schlägt Alarm. Angesichts steigender Kraftstoffpreise für Diesel und Gas sind die Kosten für Lastwagenfahrten in den vergangenen drei Monaten geradezu explodiert. Die ausgehandelten Frachtraten decken nicht mehr die Fahrtkosten. Die Lage bei vielen mittelständischen Unternehmen ist dramatisch, berichtet der Vorstandssprecher des Bundesverbands Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL), Dirk Engelhardt. Es drohe eine Insolvenzwelle im Transportlogistikgewerbe.
Vielen Unternehmen gehe langsam die Liquidität aus, mahnt der BGL-Vorstand. Zahlreiche Mittelständler hätten sich an den Verbandschef mit Hilferufen gewandt. Sie denken darüber nach, ihre Lastwagen
stehen zu lassen. „Noch zwei, drei Tage, maximal noch eine Woche – dann bleiben meine Fahrzeug stehen. Ich kann nicht sehenden Auges in die Zahlungsunfähigkeit fahren“, zitiert Engelhardt aus einem Anruf.
Ein Stillstand vieler Lastwagen würde die Versorgung in Deutschland massiv stören – 70 Prozent der Versorgung hingen vom Lkw ab, so Engelhardt. „Wenn die Lkw stillstehen, ist die Lieferkette in Gefahr.“Dann könnten die Supermarktregale nicht mehr gefüllt werden, Güter des täglichen Bedarfs würden nicht mehr ausgeliefert. Insgesamt betreiben rund 47.000 Unternehmen in Deutschland etwa 500.000 Lkw.
Um diesen schlimmsten Fall zu verhindern, fordert die Branche eine vorübergehende Unterstützung vonseiten der Bundesregierung. Diese könnte in Form eines
Lastwagen versorgen Supermärkte mit Lebensmitteln.
temporär verbilligten Gewerbediesels erfolgen und der Einrichtung eines Rettungsschirms für LNGFlottenbetreiber. „Die Kraftstoffpreise sind seit Januar um 48 Prozent gestiegen. Die Kosten für den Treibstoffzusatz AdBlue hat sich vervierfacht, dazu kommen steigende Personal- und Anschaffungskosten für Fahrzeuge“, so Engelhardt.
Dies sei ein Gesamtkostenanstieg von 34 Prozent. Besonders betroffen seien Unternehmen, die ihre Fahrzeuge mit Flüssiggas (LNG/ CNG) antreiben. Die Kosten stiegen hier innerhalb eines Jahres um 258 Prozent.
Die Branche fühlt sich von der Bundesregierung mit diesem Problem bislang im Stich gelassen. „Wir sind schockiert und verärgert, dass das Bundeswirtschaftsministerium nichts dagegen unternimmt.“In mehreren Schreiben an die Bundesregierung hätten neben dem BGL auch Omnibusunternehmer und Möbelspediteure dringend um Unterstützung gebeten. Doch bisher hätten die Verbände keinerlei Reaktion erhalten. „Das Bundesverkehrsministerium wissen wir zwar an unserer Seite, doch dies ist nicht zuständig“, sagte Engelhardt.
Anders in anderen europäischen
Ländern, so der Verbandssprecher. Von Belgien, Frankreich, Spanien, Italien, Kroatien und Ungarn gebe es eine Energiesteuerrückerstattung für gewerblich genutzten Dieselkraftstoff. Wer seine Fahrzeuge in Polen tanke, könne damit bis zu 13.000 Euro im Jahr sparen.
Die Lebensmittelversorgung in Deutschland und Europa ist unterdessen gesichert. Die Staatssekretärin im Landwirtschaftsministerium (BMEL), Silvia Bender, weist Warnungen vor einem knappen Angebot zurück. Dies sei „Panikmache, die keine Grundlage hat“. Allerdings müssten sich die Verbraucher auf steigende Preise einstellen. Betroffen seien vor allem Produkte, die mit hohem Energieaufwand hergestellt würden. Dazu gehören etwa Milchprodukte wie Käse oder Butter. Auch die Preise für Futtermittel und Dünger seien gestiegen.