Thüringische Landeszeitung (Jena)
Gehe weg! Bleibe hier!
Die Geschichte vom Propheten Elija ist voller Imperative, voller befehlsartiger Aufforderungen: „Geh weg von hier…!“, „Versteck dich dort…!“, „Bleibe dort!“Und Elija geht und versteckt sich und bleibt.
Die meisten Menschen tun sich schwer damit, wenn man ihnen sagt, was sie zu tun und zu lassen haben. Die Selbstbestimmung ist ein hohes Gut. Wer eine Diktatur erlebt hat, weiß um dieses Gut. Eine Demokratie lebt davon, dass Entscheidungen hinterfragt werden dürfen und auch sollen. Sie lebt davon, dass wir einem Imperativ eigene Gedanken entgegensetzen dürfen, diese Gedanken sogar aussprechen oder schreiben.
Wie hält es Gott mit dieser Freiheit? Darf Elija die Anweisungen kritisch sehen? Man könnte meinen, Gott besteht darauf, dass der Prophet ihm bedingungslos folgt und wenn er das nicht tut, wird er eben bestraft. Das wäre eine recht menschliche Art, mit diesem Widerspruch umzugehen. Wenn man die Geschichte des Propheten zu Ende liest, scheint Gott aber relativ entspannt damit umzugehen. Elija hat Angst, er kann nicht mehr und will nicht mehr. Er rennt weg in die Wüste. Doch Gott bestraft ihn nicht, sondern schickt einen Engel, der Elija in der Wüste versorgt. Elija schöpft Kraft und Zuversicht. Die Fragen an Gott bleiben, aber Elija geht doch seinen Weg weiter.
Unsere Wege sind nicht immer leicht. Jedes Menschenleben hat seine Herausforderungen. Es gibt Zwänge, denen können wir zwar Unwillen entgegensetzen, aber wir müssen sie hinnehmen. Wir können sie auch ignorieren, aber das macht uns nicht unverwundbar gegen die Folgen der Ignoranz. Damit Frieden zu schließen, ist das, was Elija wählt. Damit, dass es Anweisungen gibt, die keinen Spaß machen, dass jede unserer Entscheidungen Folgen haben wird. Damit, dass es auch schwer sein kann, Vertrauen zu haben. Egal ob in Gott, Wissenschaftler, Politiker, Freunde, Verwandte, in sich selbst.
Von Elija können wir lernen, dass in uns allen eine göttliche Kraft schlummert, die uns auch diesen Teil des Lebens bewältigen lässt. Manchmal braucht es einen Engel in der Wüste, um die Kraft in uns wiederzufinden. Vor allem, wenn ein anderer unseren eigenen Imperativen widerspricht.