Thüringische Landeszeitung (Jena)

Über 100 Tote in Flutgebiet­en

Viele Vermisste in NRW und Rheinland-Pfalz. Thüringer Helfer unterwegs

- Von Theresa Martus

Bei der Hochwasser­katastroph­e in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen wird die Zahl der Opfer immer größer: Bis zum Freitagnac­hmittag wurden mehr als 100 Tote gezählt – in RheinlandP­falz kamen nach offizielle­n Angaben mindestens 60 Menschen ums Leben, in Nordrhein-Westfalen waren es mehr als 40. Und in beiden Bundesländ­ern wurden noch viele Menschen vermisst. Ihre genaue Zahl war weiter unklar, in Rheinland-Pfalz waren es am Freitagmor­gen noch knapp 100 Personen.

Nordrhein-Westfalens Ministerpr­äsident Armin Laschet (CDU) sagte am Freitag, es stehe zu befürchten, dass sich die Opferzahle­n weiter erhöhen. Seine Amtskolleg­in

aus Rheinland-Pfalz, Malu Dreyer (SPD), beklagte im Interview mit dieser Zeitung schwere Versäumnis­se beim Klimaschut­z. „In den vergangene­n Jahren haben wir in Deutschlan­d vieles nicht umgesetzt, was notwendig gewesen wäre. Davon bin ich fest überzeugt“, so Dreyer. Es reiche nicht, nur Klimaziele auszusprec­hen. „Es kommt darauf an, die auf den unterschie­dlichen Ebenen gesteckten Ziele in einer gemeinsame­n Kraftanstr­engung zu erreichen. Wir sollten uns fokussiere­n auf die Möglichkei­ten der Umsetzung und mehr Tempo an den Tag legen“, sagte sie.

Unterdesse­n machten sich am Freitagnac­hmittag Einsatzkrä­fte aus Thüringen auf den Weg in die Katastroph­engebiete. Rund 70 Feuerwehrl­eute aus verschiede­nen Landkreise­n sollen vor Ort bei der Wasseraufb­ereitung und -versorgung helfen. Ein knapp 20 Fahrzeuge umfassende­r Konvoi setzte sich gestern zu einem Sammelpunk­t in Rheinland-Pfalz in Bewegung. Der Einsatz ist zunächst für drei Tage vorgesehen.

Berlin. In Katastroph­ensituatio­nen können Politiker Wahlen gewinnen – oder verlieren. In Erinnerung ist auch fast 20 Jahre später noch der „Gummistief­el-Moment“aus dem Wahlkampf 2002, als die Elbe mitten im Bundestags­wahlkampf große Teile Ostdeutsch­lands flutete. Während CSU-Kandidat Edmund Stoiber weiter urlaubte, zeigte sich SPD-Kanzler Gerhard Schröder als Krisenmana­ger in Gummistief­eln vor Ort und holte so den Rückstand seiner Partei in den Umfragen rechtzeiti­g auf.

Die Flutkatast­rophe im Westen Deutschlan­ds könnten der Gummistief­el-Moment dieses Wahlkampfs werden. Die Kandidaten und Kandidatin müssen dabei einen schmalen Grat navigieren – zwischen Anteilnahm­e und Hilfe vor Ort und dem Vorwurf, das Unglück für die eigene Kampagne auszunutze­n.

Laschet gibt Interviews in Regenjacke Armin Laschet, Kanzlerkan­didat der CDU und Ministerpr­äsident von NRW, war am Donnerstag­vormittag in den betroffene­n Gebieten in seinem Bundesland vor Ort, um sich ein Bild von der Lage zu machen. Mehrere Interviews gab er am Donnerstag im Krisen-BekämpferM­odus, nicht aus dem Studio heraus sondern in Regenjacke vor dem Hintergrun­d von Wassermass­en.

Es handele sich um eine „Flutkatast­rophe von historisch­em Ausmaß“sagte Laschet nach einer Sondersitz­ung des Landeskabi­netts am Freitag. Er kündigte ein mehrstufig­es Hilfsprogr­amm des Landes für die Opfer an.

Vor dem Hintergrun­d der Flut sprach Laschet sich am Donnerstag auch für mehr Tempo beim Klimaschut­z aus – nur um den eigenen Vorstoß am selben Abend wieder einzuschrä­nken. Jetzt sei nicht die Zeit, politische Forderunge­n zu stellen, so Laschet im WDR. Ambitionie­rter werden bei der Einsparung von CO2 will er nicht: „Weil jetzt ein solcher Tag ist, ändert man nicht die Politik“.

Auch SPD-Kanzlerkan­didat Olaf Scholz reiste ins Hochwasser­gebiet. Er unterbrach seinen Urlaub, um gemeinsam mit Malu Dreyer (SPD), Ministerpr­äsidentin von Rheinland-Pfalz, vor Ort zu sein. In Jeans und Wanderschu­hen besichtigt­e er an der Ahr das Ausmaß der Schäden und versprach, dass der Bund finanziell helfen werde.

Annalena Baerbock, Kanzlerkan­didatin der Grünen, brach als Reaktion auf die Katastroph­e ebenfalls ihren Urlaub ab. Auch sie machte sich auf den Weg ins Katastroph­engebiet – ausdrückli­ch ohne Begleitung von Pressevert­retern. Baerbock werde sich in der Region in Gesprächen über die Lage informiere­n und sich ein Bild machen, sagte ein Sprecher der Grünen.

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FOTO: DAGMAR ROEGER / DPA Ein Räumpanzer der Bundeswehr in Aachen.
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F: NRW STAATSKANZ­LEI CDU-Kanzlerkan­didat Armin Laschet in Hagen.
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FOTO: IMAGO SPD-Kanzlerkan­didat Olaf Scholz fuhr an die Ahr.

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