Thüringische Landeszeitung (Jena)
Vereint gegen Maaßen
Es gibt in Suhl die Idee eines gemeinsamen Kandidaten. Frank Ullrich hätte beste Chancen
Suhl. Die bundesweit aktive Organisation für politische Kampagnen namens Campact hat zum Bundestagswahlkreis 196 eine Studie bei den Meinungsforschern von Forsa in Auftrag gegeben. Ergebnis: Fast jeder zweite, der in Suhl, Schmalkalden-Meiningen, Hildburghausen und Sonneberg lebt, neigt der CDU oder der AfD zu. Der SPDKandidat Frank Ullrich hat derzeit trotzdem die besten Chancen, im September als Vertreter der Region direkt nach Berlin entsandt zu werden. Das liegt vor allem am strammen Rechtsaußen-Kurs von HansGeorg Maaßen (CDU).
Wer verstehen will, warum sich Campact derart für diesen Wahlkreis interessiert, erfährt von Felix Kolb, dem geschäftsführenden Vorstand von Campact: „Maaßen ist hochproblematisch und demokratiezersetzend.“Oder: „Herr Maaßen ist nicht irgendjemand, er ist potenziell die zentrale Brücke von der CDU ins rechtsextreme Verschwörungsmilieu.“Für Kolb und seine Organisation ist das die Basis, um einen gemeinsamen Kandidaten von Linken, SPD und Grünen zu fordern. Von derartigen Versuchen wird schon seit geraumer Zeit in Berliner und Thüringer Politikzirkeln immer mal wieder geraunt.
Gespräche, mindestens Telefonate soll es gegeben haben, manchmal auch die eine oder andere Kurznachricht. Die stellvertretende Thüringer SPD-Vorsitzende Diana Lehmann jedoch verneint dies.
Die Umfrage soll die Möglichkeiten zur Wahl ausloten Seit etwa Anfang Mai, sagt Kolb, beschäftige man sich bei seiner Organisation intensiver mit der Kandidatur von Maaßen in Südthüringen. „Als klar war, dass es kein Selbstläufer wird, einen gemeinsamen Kandidaten gegen Maaßen aufzustellen, wollten wir mit dieser Umfrage ein bisschen nachhelfen“, sagt er.
Die Umfrage soll analysieren, wie die Stimmung im Bundestagswahlkreis 196 ist, und ausloten, welche Chance ein gemeinsamer rot-rotgrüner Kandidat im politischen Wettstreit hätte; das geschah in der Hoffnung, dass man die Chance bei Linken, SPD und Grünen erkennen möge und zwei der drei Partner ihre Kandidaten zurückziehen beziehungsweise zur Wahl des aussichts
reichsten Bewerbers aus dem rotrot-grünen Spektrum aufrufen.
Zumindest der erste Teil des Hoffnungsdreiklangs von Campact erfüllt sich in der Auswertung. „Würden sich SPD und Linke auf einen gemeinsamen Kandidaten einigen – Ullrich oder Witt – würden sich die Chancen für Ullrich deutlich, die für Witt etwas verbessern“, heißt es in der Auswertung der Studie. Mit Witt ist der Direktkandidat der Linken in dem Wahlkreis, Sandro Witt, gemeint. Dass die Grüne-Kandidatin für den Wahlkreis, Stephanie Erben, in der Umfrage nicht berücksichtigt
worden ist, liegt daran, dass sie noch nicht nominiert war, als die Befragungen am Telefon oder im Netz durchgeführt wurden. In Zahlen betrachtet, sieht diese Chancenverteilung so aus: Würde Witt als gemeinsamer, rot-rot-grüner Kandidat gegen Maaßen antreten, könnte Maaßen nach der aktuellen politischen Stimmung in der Region mit 22 Prozent der Erststimmen rechnen, Witt mit 24 Prozent. Wäre Ullrich der gemeinsam von Linken, SPD und Grünen getragene Mann, würden sich für Maaßen wohl 20 Prozent der Wähler im Wahlkreis 196 mit ihrer Erststimme entscheiden, für Ullrich aber 34 Prozent. Die Kandidaten von FDP, Gerald Ullrich, und AfD, Jürgen Treutler, hätten keine realistische Chance auf das Direktmandat.
Kolb kommentiert diese Stimmungslage so: „Frank Ullrich hat einfach eine Anschlussfähigkeit in der Gesellschaft, die Witt nicht hat. Ich kann gar nicht beurteilen, warum das so ist, und auch nicht, ob das fair ist, aber so ist die Lage.“
Es sind auch andere Formen der Kooperation denkbar
Sandro Witt sagt, er wolle im Moment weder die Umfrageergebnisse kommentieren, noch wolle er sich dazu äußeren, ob er bereit wäre, auf seine Bundestagskandidatur zu verzichten. Lehmann sagt zur Umfrage: „Das bestätigt uns darin, dass wir mit Frank Ullrich einen sehr, sehr guten Kandidaten vor Ort gefunden haben.“Im Wahlkampf wolle man seinen Vorsprung weiter ausbauen. Einzig die Thüringer Grünen geben sich betont offen für mögliche rot-rot-grüne Gespräche mit dem Ziel, Maaßen zu verhindern. „An uns soll das nicht scheitern“, sagt die Grüne-Landessprecherin Ann-Sophie Bohm – wenngleich neben der Einigung auf einen gemeinsamen Kandidaten noch andere Formen der Kooperation denkbar seien. Eine Vorfestlegung darauf, dass sie bereit seien, Erben zurückzuziehen, gebe es nicht, sagt Bohm. „Wir sind uns schon der Verantwortung bewusst, die wir in diesem Wahlkreis haben.“
Einigermaßen sicher darf man sich in zweierlei Hinsicht sein. Erstens: Maaßen wird es als Genugtuung empfinden und auch politisch ausschlachten, dass er für das rotrot-grüne Milieu eine solche Reizfigur ist, dass sich manche dort so dermaßen viel Mühe geben, seinen Einzug in den Bundestag zu verhindern. Die Botschaft wird sein: Seht her, weil ich für euch hier unten gegen die Links-Grünen da oben kämpfe, wollen sie mich mit allen Mitteln loswerden! Zweitens: Campact wird in den nächsten Monaten die Idee einer gemeinsamen Gegenkandidatur zu Maaßen nicht aus den Augen verlieren. Kolb stellt fest, dass viele Menschen in den Reihen von Campact die Kandidatur Maaßens umtreibe. „Wenn das so ist, wird diese Umfrage sicher nicht unsere letzte Aktion gewesen sein.“