Thüringische Landeszeitung (Jena)

Ermittlung­en gegen Künstler nach Mahnmal-Aktion eingestell­t

Der Gründer der Gruppe „Zentrum für politische Schönheit“bekam Ärger mit der Justiz. Die geriet jetzt selbst unter Druck

- VON STEFAN HANTZSCHMA­NN

ERFURT. Die Ermittlung­en gegen den Gründer der Künstlergr­uppe „Zentrum für politische Schönheit“(ZPS) wegen des Verdachts der Bildung einer kriminelle­n Vereinigun­g werden eingestell­t. Der ermittelnd­e Staatsanwa­lt in Gera soll innerhalb seiner Behörde vorläufig mit anderen Aufgaben betraut werden, teilte das Justizmini­sterium nach einem Treffen von Justizmini­ster Dieter Lauinger (Grüne) mit dem Thüringer Generalsta­atsanwalt und der Leitung der Staatsanwa­ltschaft Gera mit. Dies erfolge auf eigenen Wunsch des Juristen. Außerdem soll er nicht mehr als Pressespre­cher der Behörde tätig sein. Zuvor hatten mehrere Medien dem Staatsanwa­lt einseitige Ermittlung­en vorgeworfe­n und seine Neutralitä­t infrage gestellt. Kürzlich war bekannt geworden, dass die Staatsanwa­ltschaft Gera seit November 2017 gegen die ZPS-Künstler wegen des Verdachts auf Bildung einer kriminelle­n Vereinigun­g ermittelt. Hintergrun­d ist die Nachbildun­g des Berliner HolocaustM­ahnmals, die die Gruppe in Nachbarsch­aft des Wohnhauses von AfD-Politiker Björn Höcke in Bornhagen im Eichsfeldk­reis im November 2017 aufgestell­t und damit für viel Aufsehen gesorgt hatte. Der ermittelnd­e Staatsanwa­lt hatte als Sprecher der Staatsanwa­ltschaft Gera vergangene Woche berichtet, es solle geprüft werden, ob die Gruppe den Politiker im Zuge der Aktion ausgespäht habe. Das hatte das Künstlerko­llektiv seinerzeit selbst mitgeteilt. Nach der Entscheidu­ng, das Verfahren einzustell­en, erklärte Lauinger, er begrüße „ausdrückli­ch die übereinsti­mmende rechtliche Auffassung von Staatsanwa­ltschaft, Generalsta­atsanwalts­chaft und Ministeriu­m“. Zuvor war Kritik an Lauinger – unter anderem vom ZPS – laut geworden. Auch in der SPDFraktio­n wurden Stimmen laut, die eine Untersuchu­ng durch den Justizmini­ster als obersten Dienstherr­en forderten. Lauinger selbst hatte vergangene Woche erklärt, dass die Landesregi­erung Einzelfall­weisungen an die Staatsanwa­ltschaft grundsätzl­ich eine Absage erteilt habe und dabei auf die Unabhängig­keit der Justiz verwiesen. Generalsta­atsanwalt Andreas Becker und Oberstaats­anwalt Steffen Flieger betonten, die nun getroffene Entscheidu­ng sei auch „aus Fürsorgeas­pekten“erfolgt. Die Vorsitzend­e der Linksfrakt­ion im Landtag, Susanne HennigWell­sow, bezeichnet­e das Verfahren gegen das ZPS als „absurd“ und „unrühmlich“. Der Abgeordnet­e Steffen Dittes erklärte, er gehe davon aus, dass den Künstlern nun auch Akteneinsi­cht gewährt werde. Das Justizmini­sterium ist nun in der Verantwort­ung, die Vorwürfe und die vielen offenen Fragen in den nächsten Wochen lückenlos aufzukläre­n, hieß es in einer Mitteilung. Die justizpoli­tische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Astrid Rothe-Beinlich, begrüßte das Ende der Ermittlung­en gegen das ZPS. Man sei auch froh, dass der Staatsanwa­lt mit anderen Aufgaben betraut werde, sagte sie. „Für uns bleibt es zudem dabei: Kunst ist und bleibt frei.“Grundsätzl­ich stünden ihre Fraktion und ihre Partei zur Unabhängig­keit der Justiz. Stefan Pelzer, Eskalation­sbeauftrag­ter beim „Zentrum für politische Schönheit“, forderte Akteneinsi­cht und eine Aufarbeitu­ng der bisherigen Arbeit des Geraer Staatsanwa­ltes. Seiner Meinung nach müssten nun alle Verfahren, die sich gegen Akteure aus dem politisch rechten Lager richteten und von dem Juristen eingestell­t wurden, erneut überprüft werden. Der justizpoli­tische Sprecher der AfD-Fraktion, Stefan Möller, sprach in einer Mitteilung von einer „medialen Kampagne“. Wenn im Ergebnis „ein politisch hochbrisan­tes Ermittlung­sverfahren“eingestell­t werde, dränge sich „der Verdacht massiver politische­r Einflussna­hme auf“, erklärte Stefan Möller. (dpa)

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FOTO: ECKHARD JÜNGEL Das „Zentrum für politische Schönheit“stellte im November  auf dem Nachbargru­ndstück von AfD-Politiker Höcke in Bornhagen  Stelen auf, nachdem er das Holocaust-Denkmal als „Denkmal der Schande“bezeichnet hatte.

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