Thüringische Landeszeitung (Jena)
Ermittlungen gegen Künstler nach Mahnmal-Aktion eingestellt
Der Gründer der Gruppe „Zentrum für politische Schönheit“bekam Ärger mit der Justiz. Die geriet jetzt selbst unter Druck
ERFURT. Die Ermittlungen gegen den Gründer der Künstlergruppe „Zentrum für politische Schönheit“(ZPS) wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung werden eingestellt. Der ermittelnde Staatsanwalt in Gera soll innerhalb seiner Behörde vorläufig mit anderen Aufgaben betraut werden, teilte das Justizministerium nach einem Treffen von Justizminister Dieter Lauinger (Grüne) mit dem Thüringer Generalstaatsanwalt und der Leitung der Staatsanwaltschaft Gera mit. Dies erfolge auf eigenen Wunsch des Juristen. Außerdem soll er nicht mehr als Pressesprecher der Behörde tätig sein. Zuvor hatten mehrere Medien dem Staatsanwalt einseitige Ermittlungen vorgeworfen und seine Neutralität infrage gestellt. Kürzlich war bekannt geworden, dass die Staatsanwaltschaft Gera seit November 2017 gegen die ZPS-Künstler wegen des Verdachts auf Bildung einer kriminellen Vereinigung ermittelt. Hintergrund ist die Nachbildung des Berliner HolocaustMahnmals, die die Gruppe in Nachbarschaft des Wohnhauses von AfD-Politiker Björn Höcke in Bornhagen im Eichsfeldkreis im November 2017 aufgestellt und damit für viel Aufsehen gesorgt hatte. Der ermittelnde Staatsanwalt hatte als Sprecher der Staatsanwaltschaft Gera vergangene Woche berichtet, es solle geprüft werden, ob die Gruppe den Politiker im Zuge der Aktion ausgespäht habe. Das hatte das Künstlerkollektiv seinerzeit selbst mitgeteilt. Nach der Entscheidung, das Verfahren einzustellen, erklärte Lauinger, er begrüße „ausdrücklich die übereinstimmende rechtliche Auffassung von Staatsanwaltschaft, Generalstaatsanwaltschaft und Ministerium“. Zuvor war Kritik an Lauinger – unter anderem vom ZPS – laut geworden. Auch in der SPDFraktion wurden Stimmen laut, die eine Untersuchung durch den Justizminister als obersten Dienstherren forderten. Lauinger selbst hatte vergangene Woche erklärt, dass die Landesregierung Einzelfallweisungen an die Staatsanwaltschaft grundsätzlich eine Absage erteilt habe und dabei auf die Unabhängigkeit der Justiz verwiesen. Generalstaatsanwalt Andreas Becker und Oberstaatsanwalt Steffen Flieger betonten, die nun getroffene Entscheidung sei auch „aus Fürsorgeaspekten“erfolgt. Die Vorsitzende der Linksfraktion im Landtag, Susanne HennigWellsow, bezeichnete das Verfahren gegen das ZPS als „absurd“ und „unrühmlich“. Der Abgeordnete Steffen Dittes erklärte, er gehe davon aus, dass den Künstlern nun auch Akteneinsicht gewährt werde. Das Justizministerium ist nun in der Verantwortung, die Vorwürfe und die vielen offenen Fragen in den nächsten Wochen lückenlos aufzuklären, hieß es in einer Mitteilung. Die justizpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Astrid Rothe-Beinlich, begrüßte das Ende der Ermittlungen gegen das ZPS. Man sei auch froh, dass der Staatsanwalt mit anderen Aufgaben betraut werde, sagte sie. „Für uns bleibt es zudem dabei: Kunst ist und bleibt frei.“Grundsätzlich stünden ihre Fraktion und ihre Partei zur Unabhängigkeit der Justiz. Stefan Pelzer, Eskalationsbeauftragter beim „Zentrum für politische Schönheit“, forderte Akteneinsicht und eine Aufarbeitung der bisherigen Arbeit des Geraer Staatsanwaltes. Seiner Meinung nach müssten nun alle Verfahren, die sich gegen Akteure aus dem politisch rechten Lager richteten und von dem Juristen eingestellt wurden, erneut überprüft werden. Der justizpolitische Sprecher der AfD-Fraktion, Stefan Möller, sprach in einer Mitteilung von einer „medialen Kampagne“. Wenn im Ergebnis „ein politisch hochbrisantes Ermittlungsverfahren“eingestellt werde, dränge sich „der Verdacht massiver politischer Einflussnahme auf“, erklärte Stefan Möller. (dpa)